Befleckt (Brooke Morgan)

Verlag Wunderlich, März 2010
Originaltitel: Tainted, übersetzt von Sophie Zeitz
Taschenbuch, 448 Seiten, € 14,95
ISBN 978-3805208772

Genre: Psychothriller


Klappentext

Eigentlich hätte es Holly wissen müssen. Jack hatte seltsam reagiert, als sie ihm von ihrer fünfjährigen Tochter Katy erzählt hatte. Doch sie hatte nicht darauf geachtet. Ebenso wenig wie auf die bissigen Kommentare und Fragen von Katys Vater. Wo Jack denn überhaupt herkomme. Wer seine Freunde seien. Warum er nachts mit Kate am Strand spiele. Nichts davon hatte sie abhalten können, sich mit Haut und Haaren auf Jack einzulassen, auf den gutaussehenden Engländer, der so charmant und witzig sein konnte. Den sie eigentlich nicht kannte. Und der ihr das Wichtigste schon am Anfang verraten hatte: „Es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“


Rezension

Ist ein gut aussehender Mensch auch gleichzeitig immer ein guter Mensch? Das ist die zentrale Frage in dem Psychothriller von Brooke Morgan. Ein leises Buch, welches mit der Psyche und den Emotionen der Hauptpersonen spielt. Holly Barrett, die bei ihrem einzigen amourösen Abenteuer gleich schwanger wurde, lebt mit ihrer 5jährigen Tochter Katy am Cape Cod, direkt neben ihrem Großvater. Ihre Eltern kamen bei Unfällen ums Leben, ihr Großvater ist ihr einziger Halt im Leben. Der Vater ihres Kindes hat sie erst sitzen lassen, taucht aber genauso plötzlich und zur gleichen Zeit wieder auf, wie ihre neue Liebe Jack Dane. Jack ist etwas Hochprozentiges, ein wahnsinnig gut aussehender Engländer, den Holly im Bus kennen gelernt hat. Ihr Großvater und ihre Freundin Anna sind hingerissen von ihm, denn wer so gut aussieht, der kann einfach nichts Böses im Schilde führen.

Von Anfang an steuert Brooke Morgan ihr Buch in eine bestimmte Richtung. Es ist ein Psychothriller, also erwartet man auch einen Psychopathen. Ist es aber wirklich so, wie jeder glaubt zu wissen? Wer ist der wahre Jack Dane? Ist er ein Heiratsschwindler, ein Pädophilier oder ein sonstiger Psychopath? Oder ist es vielleicht gar nicht Jack, der hier die Schwierigkeiten hat? Diese Frage scheint interessant, doch lässt Brooke Morgan nur ihn in einem zwielichtigen Licht erscheinen. Er ist der Fremde, der Zugeknöpfte, der seine Vergangenheit komplett unter Verschluss hält, dabei aber mit seiner merkwürdigen Persönlichkeit jederzeit die Menschen für sich einnehmen kann. Aber auch Holly ist sehr empfänglich für seine Aufmerksamkeiten, da sie in ihrem bisherigen Leben noch nicht viele Streicheleinheiten bekommen hat. Sie findet es gar nicht seltsam, dass Jack schon nach drei Wochen bei ihr einzieht. Es ist auch nicht seltsam, dass er immer zur gleichen Zeit Frühstück und Mittag essen will. Genauso wenig ist es seltsam, dass er die Vergangenheit komplett auslöschen möchte, indem er alle bisherigen Fotos von Holly vernichtet und nur noch seine aufstellt. Lärm kann er nicht vertragen, wenn Katy weint, verschwindet er aufgebracht und keiner weiß, wo er ist und wann er wieder kommt. Schon nach kurzer Zeit ist Holly mit den Nerven am Ende, nie weiß sie, wie Jack auf bestimmte Ereignisse reagiert, manchmal rastet er schon bei einer unbedachten Bemerkung aus. Trotzdem will sie ihn aber nicht aufgeben, nach kurzer Zeit heiratet sie ihn sogar und begibt sich und ihre Tochter völlig willenlos in seine Hände. Durch unterschiedliche Erzählperspektiven bekommt man einen Eindruck der Gedanken aller Personen, man lernt sie zu verstehen und erkennt ihre Beweggründe, ihre Ängste und ihre tiefen Gefühle.

Hollys Beweggründe sind gut dargestellt, man kann sich in sie hineinversetzen und versteht ihren Wunsch, so einen tollen Mann auf alle Fälle behalten zu wollen. Schon als Kind war sie ein Außenseiter, außer Anna hatte sie nie Freunde an der Schule. Kaum selbst den Kinderschuhen entwachsen wird sie Mutter und von da an besteht ihre kleine Welt nur noch aus ihrer Tochter, ihrem Großvater und ihrer Freundin. Kein Wunder, dass ein Charmeur wie Jack ihr völlig den Kopf verdreht und sie nach seinem Willen lenken kann. Aber was will Jack wirklich? Ihr Geld? Ihren Besitz? Oder womöglich gar ihre Tochter?

Die Landschaft ist malerisch idyllisch, Brooke Morgan versteht es sehr gut, die Feinheiten vom alten, traditionellen Cape Cod herauszustellen. Man hört die Wellen rauschen, inhaliert den Geruch des Meeres und spürt den Sand unter den Füßen. Cape Cod ist nicht oft Schauplatz eines Buches, was ein bisschen schade ist, denn die Atmosphäre ist einzigartig. Allein deshalb lohnt es sich schon, das Buch zu lesen. Das Cover spiegelt ein wunderschönes Bild wieder, man fühlt sich direkt ins Buch versetzt.

Brooke Morgan hat aber nicht nur einen atmosphärisch spannenden Psychothriller geschrieben, sie gibt dem Leser auch genügend Stoff zum Nachdenken. Sie spielt auf die Scheinheiligkeit der Gesellschaft an, die einerseits für Sühne und Gerechtigkeit steht, andererseits einen Verbrecher aber nie vergessen lässt, dass er ein Unrecht getan hat. Straftäter sollen nach Verbüßen ihrer Strafe wieder in die Gesellschaft integriert werden, aber bitte nicht in die eigene Familie. So braucht man sich auch nicht zu wundern, warum so viele ehemalige Gefängnisinsassen wieder straffällig werden. Die Gesellschaft lässt nämlich gar nicht erst zu, dass sie sich wieder integrieren können, selbst mit neuer Identität nicht.


Fazit

Ein Thriller der leisen Töne verbirgt sich im Erstlingswerk von Brooke Morgan. Unblutig, aber psychisch eindringlich, hält er der Gesellschaft einen Spiegel vor Augen, in dem sich jeder selbst ein bisschen erkennen kann. Eingebettet in eine eigentlich sehr romantische Umgebung entwickelt sich eine Intrige, die man zwar erahnt, aber nicht wirklich wahrhaben möchte.


Pro und Contra

+ Idyllische Umgebung
+ realistische Personen
+ unblutig
+ ständige unterschwellige Spannung
+ unterschiedliche Erzählperspektive

- manchmal etwas langatmig
- Hinweise zu einseitig

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5