Brendels Fantasie (Günther Freitag)

Edition Elke Heidenreich bei C.Bertelsmann 2009

190 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-5700-58003-5

Preis: € 18,95 (D)

Genre: Belletristik

Rezension

Beim musikbegeisterten Höller, über 50 und Besitzer eines mittelständischen Betriebs, wird ein inoperabler Gehirntumor festgestellt; die Ärzte geben ihm Monate. Ohne seiner entfremdeten Frau und seinen berechnenden bis lebensfernen Kindern ein Wort davon zu sagen, fädelt Höller den Verkauf seines gewinnbringenden Betriebs an die Russen ein und reist auf der Suche nach dem perfekten Aufführungsort für Schuberts Wanderphantasie nach Castelnuovo; ein Unterfangen, das ein Gesamtkunstwerk werden soll, für das alles durch den Firmenverkauf gewonnene Geld verwendet und auch der Pianist Brendel gewonnen werden soll.

Soweit die Ausgangslage – und soweit dann auch die Handlung des Buches.

Es fällt schwer, hier eine Rezension zu verfassen; selbst nach längerer Pause vom Buch. Von Anfang an fällt Freitags ferner, indirekter Stil auf, der sich auf das ausführliche Nacherzählen von nur selten zielführenden Dialogen und Handlungen beschränkt (im gesamten Buch findet sich keine einzige direkte Rede) – und genau so indirekt und leblos wirkt dann auch der Text, der gänzlich ohne Humor auskommt.

Recht früh beginnt die Leserin, die Seiten bis zum Ende zu zählen, hat sich aber bis dahin durch einen nicht enden wollenden Schwall an reizlosem, belanglosen Text zu kämpfen, der nur so strotzt von richtungslosem Geschwätz, schwammiger, flacher Erzählung, uninteressanten Ausschweifungen, mühsamen Figuren und Dialogen und sinnlosen, langweiligen Einschüben, die vielleicht absurd wirken sollen, aber einfach nur blödsinnig daher kommen – endloser Unsinn über Hundeklöten und ein paar Anklänge an Kafka (Der Prozess, Das Schloss), die man dem Autor eher übel nimmt, als dass man sich ihrer erfreut.

Ein willkürliches Beispiel aus dem Text veranschaulicht diesen Eindruck vielleicht:

"Höller will vermeiden, dass sie von Signora Carmela entdeckt werden, fürchtet ihre Vorwürfe, wenn innerhalb weniger Tage der zweite Dauergast ihre Pension verlässt, und drängt zum Aufbruch. Aber der Professor lässt sich nicht von seinen Erinnerungen ablenken und redet von einem schmutzigen Scheidungskrieg, in den ihn seine Frau hineingezerrt habe. Während seine um viele Jahre jüngere Frau von einem gerissenen Anwalt bestens beraten in diesen Kampf gezogen sei, habe er als Einzelkämpfer in einer ungleichen Auseinandersetzung von Beginn an nur darauf hoffen können, seine Niederlage werde so glimpflich wie möglich ausfallen. Aber selbst diese Hoffnung sei schon nach wenigen Minuten im Gerichtssaal zerstört worden, als er habe einsehen müssen, dass der Richter auf der Seite seiner Frau stehe und nicht einmal versuche, diese Ungesetzlichkeit zu verbergen. Das Gesetz ist gleich für alle, sei in allen Gerichtssälen des Landes zu lesen, und dieser Satz sei keinesfalls ironisch gemeint. Aber vor diesem Satz sitzend habe die libidinöse Karikatur eines Scheidungsrichters ein Urteil gefällt, das in allen Punkten seiner Frau zugestimmt und ihn selbt beinahe an den sprichwörtlichen Bettelstab gebracht habe. Er sehe noch heute den gierigen Blick des Mannes in den Ausschnitt seiner Frau oder unter den Tisch zu ihren überschlagenen Beinen [...]" (S 165)

.. und im selben Ton, über das selbe Thema noch eine halbe Seite weiter. Hätten hier nicht die ersten zwei Sätze gereicht?

Wie könnte diese Szene wirken, wenn Freitag nicht ausschließlich nacherzählen würde sondern Höller denken ließe, über den Professor, über das, was er sagt, denken ließe, wenn nicht nur beobachtet und nacherzählt, sondern erzählt würde? So bleibt Höller ein empfindungsloses, gedankenloses Phantom, das sich durch die letzten Wochen seines Lebens trägt, ohne etwas zu erreichen und ohne den Leser berühren zu können.

Ist man schließlich doch am Ende des Romans angekommen (ein durchaus schwieriges Unterfangen), kann man schließlich nur den Kopf schütteln, und sich fragen, wie ein Autor derartige Arbeit aufwenden – weil Hintergrundwissen (auch musikalisches) offensichtlich vorhanden; es wird zitiert aus Zeitungen und von Künstlern – und dann mit einem derartigem Buch hervorkommen kann – und welches Publikum soll dieses Buch eigentlich ansprechen? Die Rezensentin (Mitte 20 und weiblich) jedenfalls nicht. Äußerst musik- oder italienbegeisterte Leser werden vielleicht mit ein wenig mehr Interesse lesen, unterhaltenoder ästhetisch angesprochen werden aber auch sie kaum werden.

Man bleibt als Leser sehr enttäuscht in seinen Erwartungen, vielleicht auch ein wenig fehlgeleitet durch den Klappentext, zurück: "Günther Freitag versteht es meisterhaft, subtile Charakterzeichnungen mit feinem Humor und einer gehörigen Portion Skurrilität zu mischen. In seiner Schilderung einer Obsession vom reinen Klang im Angesicht des Todes erweist er sich als genauer Beobachter und vortrefflicher Erzähler" – kann sich doch nicht auf das Buch beziehen, das man gerade gelesen hat..?

Ein Jammer; welch bessere Voraussetzungen für eine schräge, komische und schwarze Erzählung gäbe es denn, als einen reichen, sterbenden Mann, der tun kann, was er will und ein einziges, letztes Ziel vor Augen hat? Schade, dass Freitag hier nur mit mühsamer, langatmiger Belanglosigkeit aufwarten kann.

 

Fazit

Auf immerhin 190 Seiten schafft Freitag eine fast handlungsfreie Geschichte, der der Erzählstil den letzten Reiz nimmt und die weit, weitest hinter den Erwartungen der Rezensentin zurück blieb. Was hätte aus dieser Erzählung werden können und was ist daraus geworden.. Noch nie (und das meine ich ernst) habe ich mich derart zwingen müssen, ein Buch zu Ende zu lesen – und das bereits nach den ersten 20 Seiten.

 

Bewertung

Handlung: 0/5
Charaktere: 0/5
Lesespaß: 0/5
Preis/Leistung: 0/5