Russisches Requiem (William Ryan)

Heyne (März 2010)
431 Seiten, 19,95 €
ISBN: 978-3-453-26646-9

Genre: Thriller


Klappentext

Der geschundene Leichnam einer jungen Frau wird auf dem Altar einer verlassenen Kirche entdeckt. Alexei Koroljow, Hauptmann der Moskauer Kriminalmiliz, wird auf den Fall angesetzt. Als sich herausstellt, dass das Opfer Amerikanerin war, schaltet sich die gefürchtete Staatssicherheit ein. Koroljow muss den Killer schnell dingfest machen, will er nicht selbst im Gulag landen. Ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt.


Rezension

William Ryan, 1965 in London geboren, ist in Irland aufgewachsen. Eine lange Zeit hat er als Anwalt und Justiziar gearbeitet, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Nach Arbeiten für Film und Fernsehen veröffentlichte er im Jahr 2006 die Kurzgeschichte „Dänemark“. Mit Russisches Requiem legt er seinen ersten Roman vor, der den Leser in das Russland des letzten Jahrhunderts entführt.

>> Die Augen des Obersts waren vom Schatten verhüllt, aber Koroljow konnte sich nicht vorstellen, dass etwas anderes darin lag als Kälte. Er stieg aus und schaute dem davonbrausenden Wagen nach, in dem Bewustsein, hinter verschlossenen Vorhängen beobachtet zu werden. <<

Moskau im Jahr 1936: Hinter dem grausigen Mord an einer amerikanischen Nonnen verbirgt sich mehr, als der russische Hauptmann Alexei Koroljow zu Beginn ahnen kann: Ikonenhändler haben sich zum Ziel gesetzt die russisch-orthodoxe Staatsikone Kasanskaja, die Gottesmutter von Kasan, außer Landes zu schmuggeln. Koroljow sticht bald darauf in ein wahres Bienennest verschiedenster Interessen und muss herausfinden, dass die angeblich treusten Diener des Landes mehr im Schilde führen. Viel mehr, als sie sich jemals anhängen lassen würden ...

William Ryan erzählt eine Geschichte über wahren Glauben. Ohne darüber ins philosophieren zu geraten berichtet der irische Autor über Koroljows Glaube an sich selbst, an das Land, die Regierung und über den Glauben an Gott, der den Protogarnist dazu veranlasst seine Bibel unter abgetretenen Fußdielen zu verstecken. Denn Kirchen und Gottheiten sind zu den Zeiten Stalins kein Thema mehr. Zumindest offiziell. Trotzdem wird der grausame Mord an einer Nonne, die unter Folter starb und auf dem Altar einer Kirche zurückgelassen wurde, ein Fall für erfahrene, politisch sattelfeste Ermittler. Ein Fall für Koroljow. Der geschiedene, schon in die Jahre gekommene Mann bekommt damit nicht nur einen jungen, zu frechen Kollegen an die Seite, sondern auch eine Menge Probleme. Schwierigkeiten, die den Leser meist immer einen Schritt voraus sind und damit zur Geduldsprobe werden. Denn William Ryan schildert langsam und lässt sich Zeit. Zeit, die er nutzt um das Russland dieser vergangen Jahre im Kopf des Lesers bildlich entstehen zu lassen. Zugegeben sehr gelungen. Doch diese Tatsache wird zum Wehmutstropfen, da man sich rückblickend betrachtet wünscht, der Autor hätte einen anderen, unterhaltsameren Schwerpunkt gewählt.

Unterhaltsam sind nämlich vorwiegend nur die wenigen Momente, die dem Buch Tiefe oder aber Spannung verleihen. Einblicke in die Denkweise des Killers wecken Interesse. Politische Verhältnisse und ihre Auswirkungen regen zum Weiterlesen an, solange man sich für ein solches Thema begeistern kann. Denn politisch ist in Russland zu jenen Jahren einfach alles. Geschickt schildert der Autor Details über die Vorgehensweise der Staatssicherheit, vertieft diese Eindrücke jedoch nicht. Und eben diese Tatsache enttäuscht am meisten, genau wie die eher konstant bleibende Spannungskurve. Höhepunkte fehlen; Autoren wie Tom Rob Smith haben es wesentlich besser gemacht und es dabei ebenso wenig an Realismus missen lassen.

Besonders gut gelungen sind hingegen die Charaktere. Zumindest die, die im Vordergrund stehen. Koroljow ist ein annehmbarer Mann, mit annehmbaren Fehlern und einer im Grunde sehr netten Art für sein zerstört wirkendes Erscheinen. Sein junger Kollege bietet einen passenden Gegensatz, wird jedoch leider immer wieder von der langatmigen Kriminal-Handlung in den Hintergrund gedrängt. Einer Handlung, die Krimi-Lesern guten Lesestoff bieten wird, jedoch als Grundlage für einen Thriller nicht gänzlich überzeugen kann.


Fazit

Russisches Requiem von William Ryan wurde sehnsüchtig erwartet, enttäuscht aber durch eine langatmige Umsetzung und die Tatsache, dass man diesen Roman ebenso als Krimi bezeichnen kann. Etwas Tiefschürfenderes hätte man sich gewünscht, dennoch aber bietet dieses Buch ausreichend Gelegenheiten es zu mögen und als lesenswerte Alternative zu spannungsgeladeren Geschichten anzusehen. Russland-Fans, die Moskau literarisch erleben wollen kommen hierbei besonders auf ihre Kosten.


Pro und Kontra

+ interessanter, politischer Hintergrund
+ authentisch & stimmungsvoll
+ lesenswerte Haupt- und Nebencharaktere
+ zum Ende hin sehr spannend ...

- ... jedoch großteils etwas langatmig
- zu wenig Intensität
- ohne Höhepunkte
- zu wenig Action

Bewertung:

Handlung: 2,5 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 3 / 5
Preis/Leistung: 3,5 / 5