Todestag (Tobias O. Meißner)

Eichborn Verlag 2000 
162 Seiten
ISBN 3-8218-0689-3
Preis: € 16,36 (D) 

Genre: Belletristik

 

Rezension

Bei einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Berliner Gendarmenmarkt wird der deutsche Bundeskanzler aus der Menge heraus erschossen. Der Täter, ein junger Mann, der sich selbst den Kriegernamen Kain Zwaifel gegeben hat, lässt sich danach widerstandslos festnehmen. Bei dem anschließenden Verhör sollen ein Ermittler und ein Psychologe die Motive und den psychischen Zustand Zwaifels ergründen, der auf jeglichen Rechtsbeistand verzichtet und seine Tat mit keinem Wort bestreitet.

Was im Klappentext als "nervenaufreibendes Verhör" mit "schockierendem" Ergebnis angepriesen wird und sich nach den besten Voraussetzungen für einen spannenden Roman anhört, liest sich dann aber doch ganz anders: Zäh und eher mühsam für den Leser macht sich Kain Zwaifel, der auffallende biographische Elemente mit Tobias O. Meißner teilt, daran, seine politischen Thesen weitschweifend auszuführen, wobei die Fragen des Ermittlers und des Psychologen nur dem Zweck dienen, Zwaifel besser argumentieren zu lassen. Ein gegen Ende zu den Verhörenden stoßender Agent bringt zwar zuerst ein bisschen mehr Dynamik in die Sache ("Darf ich Sie mal fragen, wie lange Sie uns das noch zumuten wollen?"), entpuppt sich aber bald als weiteres Werkzeug, das zusammenfassend die Kritiker von Gesellschaftsreformen darstellt und wiederum der Darstellung Zwaifels Thesen zugute kommt.

Die Charakterdarstellung ist auf der einen Seite fast lächerlich seicht, auf der anderen Seite übertrieben durchdacht, weder Figuren noch Dialog wirken dadurch lebensecht. Es entsteht überhaupt keine Spannung – als Verhörroman ziemlich gescheitert.

Andrerseits muss man sagen, dass es Meißner wohl auch nicht darauf angekommen ist, einen spannenden Verhörroman zu schreiben, sondern darum, eine Form für seine (bzw. eher Kain Zwaifels) Gesellschaftskritik zu finden, die auch gelesen wird. Unter diesem Aspekt kann man ihm durchaus Respekt zollen, erstens für Kains Thesen und Verbesserungsvorschläge, die so blöd nicht sind, und seine Gedanken zu Themen, über die die meisten politisch interessierten Menschen schon einmal nachgedacht haben, zweitens für die Idee, sie in dieser Form zu verpacken – was allerdings einen Leser nicht tröstet, der von Seite zu Seite verzweifelter das "spannende Verhör" sucht.

 

Fazit

Streckenweise ganz kluge Gesellschaftskritik, allerdings völlig irreführend angepriesen (vielleicht Schuld des Verlages). Wer sich eine spannende Suche nach Motiven und einen genialen Crux erwartet hat, wird sich von Zwaifels Thesen erdrückt wieder finden. Bleibt die Frage, inwiefern der Wiedererkennungswert verwandten Gedankengutes über die mühseligen Dialoge, den Aufbau und die platten Figuren hinweg trösten kann.

 

Bewertung

Handlung:1/5
Charaktere: 1/5
Lesespaß: 1/5
Preis/Leistung: 1/5

 

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