Der Todeskünstler (Cody McFadyen)

Verlag Lübbe, September 2010
Original: Face of death, übersetzt von Axel Merz
TB, 560 Seiten, € 9,99
ISBN 978-3404162734

Genre: Thriller


Klappentext

Das Leben von Smoky Barrett verläuft endlich wieder normal. Sie ist Opfer eines verrückten Killers geworden und dem Tod nur knapp entgangen. Die schreckliche Tat hat sie noch lange in Albträumen und schlaflosen Nächten verfolgt. Ihren Beruf als FBI Agentin wollte sie eigentlich an den Nagel hängen, doch mittlerweile hat sie neuen Mut geschöpft und geht wieder auf Verbrecherjagd. Als Smoky eines Nachts an einen Tatort gerufen wird, werden ihre schlimmsten Ängste wieder lebendig. Ein junges Mädchen droht im Haus seiner Eltern Selbstmord zu begehen. Es verlangt ausdrücklich nach Smoky und möchte sich nur ihr anvertrauen. Smoky findet das Mädchen im Schlafzimmer seiner Eltern – neben zwei grausam entstellten Leichen kauernd. Der Boden des Raums ist blutgetränkt; an der Decke und an den Wänden prangen Blutgemälde. Der Todeskünstler hat das Mädchen besucht, und das nicht zum ersten Mal. Seit Jahren versucht er Sarahs Leben zu zerstören, indem er jeden tötet, der ihr lieb ist. Sein Ziel: sie in den Wahnsinn treiben und nach seinem Bild neu erschaffen. Smoky muss den Killer stellen, bevor er zurückkehrt und sein Werk vollendet…


Der Autor

Cody Mcfadyen, geboren 1968, unternahm als junger Mann mehrere Weltreisen und arbeitete danach in den unterschiedlichsten Branchen. Der Autor ist verheiratet, Vater einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Kalifornien. Mit seinem ersten Roman, Die Blutlinie, feierte er international ein erfolgreiches Debüt. In Deutschland war der Thriller wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Weitere Romane mit der Protagonistin Smoky Barrett sind bereits erschienen.


Rezension

Vor ihren Augen wird ihr Ehemann Matt gefoltert und ihre kleine Tochter getötet, anschließend vergeht der Serienkiller sich an ihr, foltert und vergewaltigt Smoky Barrett. Kann ein Mensch dieses Schicksal wirklich ertragen und weiterleben? Mittlerweile hat Smoky wieder einen Fall gelöst, ihre Freundin wurde ermordet, ihre kleine Tochter hat alles mit angesehen. Seitdem redet sie nicht mehr und ist in Smokys Obhut, die gerne auf Dauer mit ihr leben möchte. Zur Erholung vom letzten Fall haben die beiden gerade Urlaub und sich vorgenommen, alte Erinnerungen weg zu packen und Bonnies Zimmer neu einzurichten. Dann kommt aber ein Anruf für Smoky – ein Mord ist passiert und ein traumatisiertes Mädchen mit einer Pistole will mit ihr reden, und zwar nur mit ihr. Sarah hat Fürchterliches durchgemacht, ihre Pflegefamilie wurde vor ihren Augen ermordet. Der Todeskünstler hat zugeschlagen, mit dem Blut der Opfer malt er bizarre Werke an die Wände. Es ist nicht das erste Mal, dass er Menschen umbringt, die Sarah nahe stehen. Sie ist davon überzeugt, dass er sie verfolgt und ihr keine Liebe gönnt. Fühlt sie sich zu jemandem hingezogen, ermordet er diejenigen – grausam. Er schreckt vor nichts zurück und weiß immer ganz genau, wo sich Sarah gerade aufhält. In einem Tagebuch hat Sarah ihre Eindrücke verfasst, Smoky und ihr Team nehmen sich Seite für Seite vor und versuchen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen.

Akribisch nehmen Smoky und ihr Team Sarahs Leben unter die Lupe. Ihre Mutter hat vor Jahren ihren Vater ermordet und anschließend Selbstmord begangen. Sarah kam daraufhin in ein Heim und manchmal auch zu Pflegeeltern. Mit Entsetzen lesen die Ermittler, was Sarah alles im Heim passiert, Grausamkeiten unter den Mädchen sind keine Seltenheit, nur die Stärksten überleben. Mit ihren Pflegeeltern zieht sie auch nicht immer das große Los, lange ist sie nie bei ihnen, entweder waren sie von Anfang an kriminell und nur hinter dem Pflegegeld her oder sie kommen unter merkwürdigen Umständen ums Leben. Dem Ermittlerteam wird schnell bewusst, dass hier wirklich der Todeskünstler dahinter steckt. Aber wer ist er nur und warum will er unbedingt das Leben eines sechzehnjährigen Mädchens zerstören? Je tiefer sie graben, umso mehr Geschichten gibt es zu erzählen, sie lernen Menschen kennen, die Grauenvolles erlebt haben. Und ein paar von ihnen haben geradezu auf Smoky gewartet. Mit diesen neuen Hinweisen und Erkenntnissen erscheinen frühere Ereignisse in einem völlig neuen Licht.

Störte es im ersten Band doch sehr, dass die Ermittler alle so übertrieben toll dargestellt wurden, so ist es diesmal schon wesentlich maßvoller. Natürlich sind alle immer noch absolute Spezialisten in ihren Bereichen, das müssen sie aber auch sein, sonst würden sie nicht in dieser Abteilung arbeiten. Wieder erfährt man im Laufe der Geschichte Näheres aus ihren Privatleben, was viel zum besseren Verstehen der einzelnen Charaktere beiträgt. Cody Mcfadyen hat einen äußerst packenden Stil, diesmal holt er sehr weit aus. Nicht nur Sarahs Leben wird akribisch aufgerollt, auch die einzelnen Leben der ihr nahe stehenden Personen und entfernt Beteiligte in ihrem Fall, die möglicherweise weitere Hinweise haben könnten. Das Licht dringt nur ganz langsam ins Dunkle, selbst die Generation vor Sarahs Eltern ist noch in dem Fall involviert. Dadurch gibt es eine Fülle an Informationen und Perspektiven, verschiedene Handlungsstränge werden eingeführt und bis zum Schluß genial verwoben. Diese Vielfältigkeit ist der Schlüssel der Geschichte, anfangs ist man sich gar nicht sicher, wie einzelne Ereignisse miteinander verknüpft sind. Manches scheint nur ein Nebenstrang zu sein. Wer aber Mcfadyen kennt, der weiß, dass auch jedes kleinste Ereignis seinen Sinn hat und zum großen Ganzen beiträgt. Wie immer sind seine Schilderungen der Ereignisse sehr detailliert, brutal und grausam. Zwischendurch wird man gezwungen, innezuhalten, da ansonsten einem die Vorstellungskraft mit Sicherheit Albträume bescheren wird.

Nicht alles erscheint allerdings sehr logisch, es gibt bei einigen Charakteren schon Verhaltensweisen, die äußerst unlogisch und fragwürdig erscheinen. Wie kann ein Einzelner nur gewiefte Ermittler dermassen in Schach halten? Unverständlich, wie Menschen jahrelang auf eine Person warten, der sie Fragen beantworten sollen, zwar mit einem Verbrechen erpresst aber warum schalten sie nicht die Polizei ein? Bonnies Verhalten ist total unlogisch, wie kann eine eigentlich derart traumatisierte Person so vernünftig handeln? Ihr Verhalten passt nicht zu ihrem Alter, sie wirkt viel zu erwachsen und abgeklärt, alles Kindliche ist ihr abhandengekommen. Ihr Handeln am Schluß setzt dem Ganzen noch eine Krone auf, das war völlig überzogen und unrealistisch, so etwas wäre hoffentlich in der Realität nie passiert. Zwischendurch hält Smoky öfter Zwiesprache mit ihrem verstorbenen Mann, ausführlich werden vorherige Ereignisse wieder durchgesprochen und ihre Gefühlswelt, von der wir schon sehr detailliert im ersten Band erfahren haben, wird auch hier wieder äußerst langatmig dargestellt. Obwohl ihr Mann doch noch gar nicht so lange tot ist, hat sie schon wieder eine neue Beziehung und erbittet sich von dem Verstorbenen Absolution für ihr Verhalten. Man kann einen Roman auch wirklich unnötig aufbauschen.


Fazit

Wer über einige unrealistische Handlungen, unglaubwürdige Vorkommnisse und unglaubwürdige Charaktere hinwegsehen kann, der bekommt einen blutigen Psychothriller geliefert, der perspektivisch abwechslungsreich und spannend daherkommt. Über einzelne langatmige und wiederholende Passagen kann man hinweglesen, denn das Thema fesselt doch sehr und man kann für Sarah nur Bewunderung empfinden, die trotz aller Ereignisse noch einen äußerst stabilen Charakter behält und sich vom Todeskünstler nicht unterdrücken lässt.


Pro und Contra:

+ packende und eindringliche Erzählweise
+ interessante Charaktere
+ perfide Ereignisse
+ überraschender Täter
+ wechselnde Erzählperspektiven
+ gelungene Verknüpfung zwischen Vergangenheit und Gegenwart

o blutrünstig
o innerlich aufrührend

- Charaktere und ihre Eigenschaften zu übertrieben
- ständige Wiederholungen von Gedanken und Genialitäten
- unglaubwürdiges Handeln von einzelnen Charakteren

Wertung:

Handlung:4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5