Rezensionen im November (2010)

Liebe LeserInnen,

mittlerweile hat der Winter das Land fest im Griff und kaum ein Tag vergeht, an dem sich nicht jemand lautstark über die Kälte beschwert. Chaos auf den Straßen durch Schnee, volle Notaufnahmen wegen rutschiger Gehwege, unschöne Menschenmassen auf den ersten Weihnachtsmärkten – doch wer sagt eigentlich, dass man überhaupt vor die Tür gehen muss?
Am Redaktionsteam ging all das völlig vorbei, denn wir haben es uns Zuhause gemütlich gemacht. Eine Auswahl dessen, was im November gelesen wurde, präsentieren wir euch heute im Monatsrückblick. Viel Spaß beim Stöbern!



Belletristik

Eindrucksvoll und gefühlvoll schildert Antje Babendererde in "Lakota Moon" mit dem 15jährigen Oliver, wie schnell man selber zum Ausländer werden kann. Das Leben in einem Indianerreservat wird von ganz eigenen Gesetzen bestimmt, für einen Außenstehenden erst einmal seltsam. Aber die Macht der Familie ist allgegenwärtig und Olivers Gefühle und Handlungen realistisch und nachvollziehbar. Mit einem gesunden Schuss Selbstironie erkennt er seine Lage und versucht immer, das Beste daraus zu machen.

Joachim Masannek ist auch im ersten Band der "Honky Tonk Pirates"der Mann wilder Kerle. Piraten, fliegende Schiffe, Amulette und böse Buben pflastern den Weg zum zweiten Band, der schon jetzt verspricht spannend zu werden. Für jüngere (aber nicht zu junge) Leser ist diese Abenteuer-Lektüre sicherlich jederzeit zu empfehlen, da sie trotz mancher Oberflächlichkeiten sehr begeistern kann und (trotz sehr dunkler Momente) Frohmut versprüht.

"1Q84" ist ein phantastisches Drama, das mit Tabus bricht und stellenweise hart an Grenzen stößt. Haruki Murakamis gleichermaßen schlichte wie kunstvolle Sprache stellt dabei die perfekte Untermalung für die komplexe, extrem gut durchdachte Geschichte dar. Ein Werk voller Gegensätze und kreativer Einfälle!

Dark Fantasy

"Sixteen Moons – Eine unsterbliche Liebe" vom Autorinnen-Duo Kami Garcia und Margaret Stohl ist ein netter Zeitvertreib, von dem man sich aber nicht zu viel erwarten sollte. Die Grundidee ist nicht neu und Längen im Mittelteil bremsen den Lesespaß. Doch dafür werden einem tolle und vielfältige Charaktere geboten, die das Negative wieder ganz klein erscheinen lassen.

In "Land der Schatten – Magische Begegnung" zeigt sich Ilona Andrews insgesamt etwas softer, doch die neue Welt bietet viele Ansatzpunkte für interessante Entwicklungen. Rose und Declan unterhalten die Leserschaft mit ihren temperamentvollen Ausbrüchen bestens und kämpfen sich durch eine spannungsgeladene Story. Ein gelungener Reihenauftakt!

Fantasy

In "Der Ring des Salomon" zeigt sich Bartimäus, wie er leibt und lebt. Die Geschichte mag zwar nicht unbedingt überraschen oder äußerst komplex sein, aber es ist immer wieder ein Vergnügen, ihm bei seiner "Arbeit"“ zuzusehen. Dieser Dschinn wird hoffentlich noch lange nicht verstummen.

"Der Orksammler" von Jens Lossau und Jens Schumacher hinterlässt bei Angelika folgenden Eindruck: Raffinierter als Holmes & Watson, schlagkräftiger als Spencer & Hill und abgedrehter als Clever & Smart sind Jorge der Troll und Meister Hippolit immer noch nicht, dennoch sind sie ein zweites, hoffentlich drittes und viertes Buch immer noch mehr als wert. Potenzielle Leser werden sich wunderbar unterhalten fühlen und dürfen sich über leichten und schnelllebigen Lesestoff freuen.

"Tausend Jahre Stille" ist ein Märchen über ein mutiges Mädchen, das den Kampf gegen die Stille aufnimmt und die Geräusche wieder zurück in die Welt holen will. Unabgeschlossene oder nur angerissene und dadurch zu kurz kommende Handlungsstränge und Hintergründe schmälern das Lesevergnügen ein wenig, doch für junge Leser ist der kurzweilige Roman von Eva Severini-Meszaros eine tolle Gelegenheit, in eine zugleich reale und fantastische Welt zu tauchen – und hierbei noch etwas über Mut und Freundschaft zu lernen.

Horror / Mystery

Über "Das Blut" von Guillermo Del Toro und Chuck Hogan weiß Redaktionsmitglied Dennis folgendes zu sagen: Dieser zweite Teil unterscheidet sich qualitativ nicht nennenswert vom Vorgänger, was vor allem heißt, dass dessen Schwächen nicht ausgebügelt – sondern eher noch verstärkt – werden. Für Freunde des Horrors, die von den ach so netten Vampiren, die derzeit die Buchhandlungen stürmen, genug haben, könnte sich ein Blick aber dennoch lohnen.

Nach wie vor beeindruckt Edgar Allan Poe mit seinem feinfühligen Stil, dem Unheilvollem und Wahnhaftem, das sich ins Leben seiner Charaktere schleicht und sie von innen heraus bricht. Die wundervollen Illustrationen von Benjamin Lacombe fangen die düstere, seltsame Stimmung der Geschichten perfekt ein und verleihen diesem Buch eine traumhafte Optik. So schön sind die "Unheimlichen Geschichten" noch nie gewesen!

Science Fiction

Mit "Sternendämmerung" liefert Walter Jon Williams einen recht soliden zweiten Teil der „Dread Empire’s Fall“-Trilogie. Handlungstechnisch nicht ganz so überzeugend wie der erste Band, führt er aber dennoch dessen meiste positive Eigenschaften – wie überzeugenden Charakteren, feinem Humor und schönen Settings – fort.

"Du bist tot" von Charles Stross dürfte eine nur eine recht kleine Zielgruppe von Computer- und Onlinespiele-affinen Lesern ansprechen. Zu sehr ist das Buch auf eine Zielgruppe zugeschnitten, für die mit Begriffen wie "MMORPG"“ etwas anzufangen wissen. Alle anderen werden sich wahrscheinlich höchstens an dem gut ausgearbeiteten Zukunftsszenario erfreuen.

Thriller

Oliver Stark lässt die Leserwelt beim Lesen seines Debüts "American Devil" kaum zu Atem kommen. Immer neue, unerwartete Wendungen sorgen für ein Auf und Ab des Spannungsbogens, ansprechende Protagonisten sorgen für amüsante Abwechslung, eine nicht zwingend vorhersehbare Geschichte sorgt für Unterhaltung. Ein Thriller der besonderen Art, ein Muss für jeden Genre-Fan, eine Bereicherung für jedes Bücherregal!

"Engel aus Eis", der fünfte Teil mit Erica und Patrik Hedström, birgt eine interessante Verflechtung der Vergangenheit mit der Gegenwart. Dazu die alltäglichen Sorgen und Nöte und überraschende Wandlungen der handelnden Personen, von Camilla Läckberg gemischt mit brisanten Themen aus dem heutigen Leben, lassen die Seiten nur so dahinfliegen. Puzzleteile kommen angeflogen, man findet sie in unerwarteten Ecken, bis sie ein Bild ergeben, welches noch eine riesige Überraschung enthüllt.

Mit "P.S. Ich töte dich" wagt sich Sebastian Fitzek an die erste Anthologie unter seiner Federführung und stellt hierbei seinen guten Blick für passende Geschichten unter Beweis. Die Anthologie überzeugt nicht nur durch den von namhaften Autoren zur Verfügung gestellten Inhalt, sondern auch durch die Aufmachung und das überaus aufschlussreiche Extra der graphologischen Analyse. Ein absolutes Muss für alle Fans der Mitwirkenden und des Thriller-Genres!

Krimi

Mit "Todesbraut" gibt es endlich wieder einen spannenden Fall mit Wencke Tydmers und Axel Sanders. Sympathische Ermittler und ein hochbrisantes Thema garantieren Spannung und Lesevergnügen. Dazu noch stimmiges Lokalkolorit mit bekannten Orten in Hannover und Istanbul, Sandra Lüpkes lässt ihre Leser wieder einmal atemlos zurück, mit viel Stoff zum Nachdenken.

Lokalkolorit, Dialekt und unverwechselbare Figuren machen "Schafkopf" von Andreas Föhr zu einem stellenweise zweifelhaften Lesevergnügen. Die immer wieder eingeschobenen Rückblenden überdecken die stockenden Ermittlungen, die sich doch arg zäh dahinziehen. Manche Handlungen der agierenden Personen sind an Dämlichkeit nicht zu übertreffen, sie hinterlassen bloßes Kopfschütteln und einen Hauch von Ungläubigkeit. Wer Skurriles in einer eigentlich ernsten Handlung mag, der sollte auf jeden Fall zugreifen, ein Kennenlernen der Personen ist es allemal wert.

Manga / Comic

Eine mehr als gelungene Umsetzung von Bram Stokers "Dracula", dem Vorläufer aller heutigen Vampirromane und ungebrochene Inspirationsquelle für Autoren. Pascal Croci und Francoise-Sylvie Pauly gelingt das Kunststück, dem Grafen Dracula eine neue Facette abzugewinnen und sie in atemberaubende Bilder zu kleiden. Lesen! - Einzig der Preis könnte abschrecken.

Severio Tenuta wagt sich mit "Die Legende der scharlachroten Wolken Bd. 1" auf ungewöhnliches Terrain für einen Europäer. Mit einem Gefühl für ästhetische Bilder kreiert er aber eine poetische und blutige Legende, die geradezu strotzt vor individuellen Ideen und überraschenden Wendungen. Wer also glaubt, gute im alten Japan spielende Comics können nur aus dem selbigen Land kommen, wird hier definitiv vom Gegenteil überzeugt.

Sachbuch

13 Jahre Arbeit stecken im "Stadtplan und Reiseführer Entenhausens" und man merkt es jedem liebenswerten Detail an. Wer eine Reise in die Heimatstadt von Donald und Co. plant, sollte diesen Reiseführer unbedingt einpacken. Er wird äußerst nützlich sein, um sich zurecht zu finden.

"Vampire – von damals bis(s) heute" von Nicolaus Equiamicus ist ein Muss für jeden Genrefan, der sich ernsthaft mit den Ursprüngen des Vampirglaubens, seinen Verwandten und mannigfaltigen Ausprägungen in verschiedenen Ländern, Literatur und Film beschäftigen will!

Sonstiges

Ziemlich schräg, aber beängstigend nah an der Realität – auch mit "Albträumer" entlässt Andy Strauß ein wahres Anti-Pop-Stück in die Welt. In vierundzwanzig, voneinander scheinbar unabhängigen Kapiteln erzählt er eine Geschichte mit vielen Verwicklungen, die aufzeigt, wie klein und erbarmungslos die Welt ist. Für Neulinge erstmal schockierend, für Anhänger des Genres ein gefundenes Fressen.



Was das Redaktionsteam im November sonst noch so an Büchern verschlungen habt, könnt ihr wie immer in unserer Übersicht finden. Der nächste Rückblick erwartet euch dann in der ersten Januarwoche – doch vorher gibt es noch die eine oder andere Überraschung für euch, also seid gespannt.

Und nicht vergessen: Wenn ihr uns bis zum 15. Dezember sagen könnt, wie viele neue Rezensionen es im Oktober auf Literatopia gab, winkt euch bei unserem großen Weihnachtsgewinnspiel eines von zehn Buchpaketen mit je drei Titeln eurer Wahl!

Winterliche Grüße aus der Redaktion,
euer Literatopia-Team