Mitternachtspalast (Carlos Ruiz Zafón)



Fischer FJB Verlag (Oktober 2010)
gebunden mit Schutzumschlag
400 Seiten, EUR 18,95
ISBN: 978-3841440020
Nebel-Trilogie

Genre: Mysterie, Jugendbuch


Klappentext

Die Bande des Bluts sind stärker als der Tod.

Kalkutta 1932. Ben und seine Freunde von der geheimen Chowbar Society sind gerade sechzehn geworden. Es ist Zeit, das Waisenhaus zu verlassen, in dem sie aufgewachsen sind. Bei der Abschiedsfeier taucht plötzlich eine alte Frau mit einem jungen Mädchen auf, das Ben sofort fasziniert. Wer ist sie? Als die beiden dahinterkommen, was sie tatsächlich miteinander verbindet, befinden sie sich schon mitten in einem mörderischen Strudel, der sie tief in die Unterwelt Kalkuttas zieht. Ein Schatten aus der Vergangenheit trachtet ihnen nach dem Leben. Und er ist ihnen näher, als sie ahnen…


Rezension

Mit „Mitternachtspalast“ liegt nun Zafóns „Nebeltrilogie“ vollständig in deutscher Sprache vor. Und das einheitlich in schöner Aufmachung – auch wenn der Fischer-Verlag bei diesem letzten Buch am Leseband spart.

Wer bereits die anderen Bände der Nebel-Trilogie kennt, den wird „Mitternachtspalast“ kaum überraschen. Und das soll das Buch auch gar nicht; vielmehr sind die einzelnen Bände als Variationen desselben Grundthemas zu verstehen; ein böser Geist aus der Vergangenheit, der nun den Protagonisten das Leben schwer macht – was zweimal klappt, wird wohl auch noch ein drittes Mal klappen?
Das tut es – zumindest teilweise. Dennoch ist „Mitternachtspalast“ das schwächste Buch der Trilogie.
Trotzdem: Auch wenn es nicht an die anderen Bände heranreicht, so ist aber wenigstens in Ansätzen deren erzählerische Genialität spürbar.

So schafft Zafón beispielsweise mit dem Kalkutta der 1930er Jahre zwar einen vielversprechenden und außergewöhnlichen Schauplatz, kann dabei aber nicht ganz die dichte Atmosphäre der von der Idee her sogar banaleren Schauplätze der anderen Bände erzeugen. Trotzdem bleibt das Setting – gemessen an anderen Büchern – ideenreich und fesselnd. Zafóns Gespür für magisch anmutende Orte erweist sich ein weiteres Mal als zuverlässig, seien es alte Villen oder – ein besonders außergewöhnlicher Schauplatz – die ausgebrannte Ruine des einst modernsten Bahnhofes von ganz Indien. Zafón schafft es durchaus, mit seinen Worten Bilder in die Köpfe der Leser zu zaubern – nur eben diesmal nicht ganz so intensive wie in anderen seiner Bücher. Nichtsdestotrotz pflegt Zafón einen sehr angenehmen Sprachstil, der im Bereich der Jugendbücher angenehm aus der Masse hervorsticht.
Denn man sollte wieder einmal nicht vergessen, dass „Mitternachtspalast“ – wie alle Bücher der Nebel-Trilogie – als Jugendbuch konzipiert ist. Dieser Tatsache dürfte unter anderem auch der einfach gehaltene Handlungsaufbau geschuldet sein; linear und nach dem Schema „Antagonist agiert – Protagonist reagiert“ gestrickt, darf man seine Erwartungen, was die Elemente des Storytelling anbelangt, nicht allzu hoch schrauben.

Hatten „Der dunkle Wächter“ und „Der Fürst des Nebels“ jeweils nur wenige Hauptcharaktere, wartet „Mitternachtspalast“ gleich mit einer ganzen Gruppe Jugendlicher auf. Leider kann Zafón keinem davon wirklich Tiefe verleihen – vielmehr fühlt man sich an die für Jugendbücher so typische Besetzung an Charakteren erinnert. Immerhin schafft er es aber, deren Vergangenheit mit einzubeziehen und glaubhaft mit den mystischen Elementen der Handlung zu verknüpfen. So überzeugt der Antagonist als „böser Geist aus der Vergangenheit“ größtenteils – allenfalls dessen Beweggründe bleiben größtenteils im Verborgenen, wie man das auch schon aus den anderen Büchern kennt. Schön ist aber, dass wenigstens in Ansätzen die Motive behandelt werden und man nicht schlichtweg mit „dem Bösen“ konfrontiert wird.


Fazit

Zwar schimmert Zafóns großartiges erzählerisches Talent ab und an durch, trotzdem reicht „Mitternachtspalast“ nicht an seine anderen Werke heran. Wer Zafón kennen lernen möchte, sollte lieber zu den anderen Bänden der „Nebel-Trilogie“ greifen.


Pro & Kontra

+ spannendes Setting
+ schöne Sprache

- Charaktere ohne sonderliche Tiefe
- Handlung nicht sonderlich originell

Wertung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5