Neuland (Kurt Andersen)



Blessing Verlag (September 2010)
gebunden mit Schutzumschlag,
zwei Karten im Vor- und Nachsatz
896 Seiten, EUR 26,95
ISBN: 978-3896673541

Genre: Historik


Klappentext

Ein Kolossales Gemälde vom Anbruch einer neuen Epoche

1848: Zu Hunderttausenden strömen Einwanderer im Hafen von New York von Bord der aus Europa kommenden Dampf- und Segelschiffe. Darunter auch Benjamin Knowles, der der alten Welt den Rücken gekehrt hat, um sich in Amerika neu zu erfinden. Sofort gerät er in den Sog des Großstadtgewimmels, verliebt sich haltlos in die Schauspielerin Polly und folgt schließlich ihr und dem großen Goldrausch nach Kalifornien, ohne zu ahnen, dass ihm jemand aus seiner Vergangenheit auf den Fersen ist, der mit ihm noch eine Rechnung zu begleichen hat…


Rezension

Atemberaubend verheißungsvoll dämmert um das Jahr 1848 eine neue Epoche herauf; Tausende erliegen den Verlockungen der „Neuen Welt“ und suchen ihr Heil in der Flucht gen Westen, während in der „Alten Welt“ Revolutionen gegen die herrschenden Monarchien ausbrechen. Die USA gewinnen den Mexikanisch-Amerikanischen Krieg und dadurch neue Gebiete zwischen Texas und Kalifornien, wo zudem der Goldrausch seinen Anfang nimmt.

Wahrlich – ein besseres Jahr hätte sich Andersen für sein breit angelegtes Werk um den jungen und abenteuerlustigen Adelsspross Benjamin Knowles nicht aussuchen können. Und aus diesem Füllhorn von interessanten historischen Ereignissen bedient er sich virtuos – jedes wird als Teilstück überaus geschickt zu einer Geschichte hinzugefügt, die trotz der Verschiedenartigkeit dieser Komponenten homogen und flüssig wirkt – genau so soll ein historischer Roman sein.
Was das Buch aber wirklich ausmacht, ist seine Atmosphäre. Derartig lebendig und intensiv, liest man nicht bloß über diese interessante Zeit, man taucht vielmehr darin ein. Aus jeder Zeile atmet der Geist dieser Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs. Ob es nun die belebten Straßen des jungen New Yorks oder die Wildnis des unerschlossenen Kaliforniens sind, stets macht es Andersen dem Leser so fantastisch leicht, die Bilder vor dem inneren Auge zu sehen, dass er kaum seine eigene Fantasie bemühen muss. Das liegt nicht zuletzt an den vielen Details, mit denen er seine Welt anreichert; Details zur Technik, zur Kunst, zur Gesellschaft im Jahre 1848, die dem Leser einen tiefen Einblick in das Leben zu dieser Zeit ermöglichen und von aufwendiger Recherche zeugen.

All dies ist deutlich mehr als nur der Rahmen für eine Handlung, die dementsprechend solide, jedoch bei Weitem nicht so brillant ausfällt, wie das Gefüge, in das sie eingebettet ist. Trotzdem – Langeweile kommt nicht auf und auch spannend bleibt es stets. Denn auch, wenn die Gegebenheiten ab und an etwas konstruiert wirken, die es ermöglichen, ein so großes Spektrum an Ereignissen – von Revolution bis Goldrausch – abzudecken, so will man doch stets wissen, was als nächstes passiert auf Benjamins rastloser Reise über den halben Globus.

Dieser Charakter, mit dem man die neue Welt entdeckt, gibt einem auch allen Anlass dazu. Überzeugend zeichnet Andersen mit ihm einen glaubhaften Charakter, für den der Leser Verständnis aufbringen kann, mit dem man mitfühlt. Als abenteuerlustiger und dennoch durch und durch britischer junger Mann ist er geradezu prädestiniert für die Hauptrolle, können doch an ihm alle Absonderlichkeiten des Neuen Kontinentes vorgeführt werden. Sorgt er anfangs noch für das eine oder andere Schmunzeln, wenn er mit seiner britischen Art im Land der unbegrenzten Freiheit aneckt, entwickelt er im Laufe des Buches immer mehr amerikanische Charakterzüge, wird selbst zum waschechten Amerikaner – eine Entwicklung, stetig und überzeugend ist. Und nicht nur dem Protagonisten lässt Andersen diese Aufmerksamkeit angedeihen – jeder der wichtigen Charaktere hat seinen ganz eigenen Beitrag an der Geschichte, hat eine Hintergrundgeschichte und entwickelt sich. Auch diese lebhaften Charaktere, ohne die das Ganze nicht funktionieren würde und ohne die bei weitem nicht jede Facette dieser Zeit behandelt werden könnte, machen das Buch so einzigartig.


Fazit

Genau so muss ein historischer Roman sein. Die unglaublich intensive Atmosphäre katapultiert einen direkt in jene aufregende Zeit des Aufbruchs. Überzeugende Charaktere begleiten den Leser bei seiner Entdeckungstour durch die Neue Welt.


Pro & Kontra

+ spannende Epoche als Ansatzpunkt
+ viele historische Begebenheiten gekonnt integriert
+ Atmosphäre lässt einen direkt eintauchen
+ interessante und gut recherchierte Details helfen hierbei
+ Protagonist und Nebencharaktere überzeugen durch Hintergrundgeschichten und glaubwürdige Entwicklungen

o Handlung tritt ein klein wenig in den Hintergrund und wirkt teilweise leicht konstruiert

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Atmosphäre: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5