Der Geruch von Blut (Tom Piccirilli)

Heyne Hardcore (Dezember 2010)
Taschenbuch, Seiten: 304
Preis 8,99€
ISBN: 978-3453675964

Genre: Thriller


Klappentext

Finn lebt in totaler Finsternis – denn er ist blind. Seit dem gewaltsamen Tod seiner Frau versucht er als Lehrer an einem Internat seiner Vergangenheit zu entkommen. Bis er eine seiner Schülerinnen grausam zugerichtet auf einem Friedhof findet. Mit dem Geruch von Blut kehren auch Schuld und Rache in sein Leben zurück.


Rezension

Seit Finn blind ist und seinen Job als Polizist gezwungenermaßen aufgeben musste, arbeitet er in einem Mädcheninternat als Lehrer. Dort führt er ein ruhiges Leben und versucht, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Als er eines Abends in der Nähe der Schule spaziert, findet er ein Mädchen im Schnee liegen, dessen Geruch von Blut ihm in die Nase steigt. Sie kommt zu sich und warnt ihn davor, seinen Schulden nicht nachzukommen. Doch er hat keine Ahnung, was sie meint. Dennoch überkommt ihn Paranoia. Als dann auch noch seine Freundin von einem Einkauf nicht zurückkehrt, macht er sich auf die Suche nach ihr.

Der Geruch von Blut“ wird schön verpackt. Das Cover ist ansprechend düster und mit dem Heyne Hardcore Logo versehen, verspricht es, ein spannendes Meisterstück im Thriller-Genre zu werden. Leider kann es das nicht wirklich halten.
Der Klappentext fasst das Geschehen gut zusammen, sieht man von dem peinlichen Fehler ab, denn das Mädchen, das Finn auf dem Friedhof findet, ist keine Schülerin, sondern eine Unbekannte aus der Stadt. Offenbar war es dem Lektor ebenfalls nicht hardcore genug, um eine anständige Zusammenfassung abzuliefern, denn „Der Geruch von Blut“ kommt nicht über gutes Mittelmaß hinaus.

Das Buch beginnt gemächlich. Finn wird als vom Schicksal gebeutelter Mann eingeführt, ohne dass irgendwelche Informationen zu früh verraten werden. Erst nach und nach werden Rückblenden genutzt, um das Bild zu vervollständigen. Es kommt nur wenig thrillerwürdige Stimmung auf, dennoch gestaltet sich die erste Hälfte nicht langweilig, was dem sehr flüssigen Schreibstil zu verdanken ist. Die Wahl, in der Gegenwart zu schreiben, ist gewöhnungsbedürftig, in diesem Fall aber gut getroffen. Auch wenn nicht wirklich spannend, entsteht dadurch eine unangenehme Atmosphäre. Zur zweiten Hälfte, als er das Mädchen findet und seine Freundin verschwindet, kommt endlich Spannung auf und eine bedrückende Stimmung breitet sich aus. Jede vertraute Person erscheint in einem potentiell bedrohlichen Licht. Paranoia wird groß geschrieben

Wirklich interessant ist Finns Behinderung. Seine Orientierung im Umfeld ist sehr gut beschrieben und macht seinen Überlebenskampf noch spannender bzw. ist das Fundament für Spannung. Andernfalls hätte der Roman kaum funktioniert. Fragwürdig ist aber, ob sich Finn tatsächlich ohne Augenlicht so gut zur Wehr setzten kann wie im Buch – trotz seiner Polizeiausbildung. Andere Charaktere werden nur wenig beleuchtet und bleiben etwas blass. Finns ehemaliger Freund Ray schneidet noch gut ab und das obwohl er nur in der Erinnerung Finns auftaucht. Der Rest ist aber kaum erwähnenswert. Finns Arbeitskollegen scheinen einem Film-Noir entsprungen. Keiner ist wirklich als gut zu bezeichnen. Der eine säuft, der andere schläft vermutlich mit den Schülerinnen und alle sind Suizid gefährdet. Nach Identifikationsfiguren sucht man vergeblich. Die wenigen Schülerinnen, die in den Ferien im Internat geblieben sind, benehmen sich wie in einem Erotikfilm – auch wenn eigentlich nichts passiert. Aber womöglich sind katholische Internatsmädchen in Amerika geschickterweise genauso, wie Männer sie sich vorstellen.

Was man dem Buch nicht nehmen kann ist, dass es stellenweise durchaus unterhält und Spaß macht. Spannung kommt nicht zu kurz, auch wenn sie spät kommt und sich nicht weit genug steigern kann. Das Ende haut einen nicht vom Hocker, da ziemlich vorhersehbar, ist aber gut durchdacht und lässt etwas Freiraum für Interpretation. Wirklich „hardcore“ wird dieser Thriller allerdings nie. Insgesamt ist das Buch kurzweilig und solide, aber bleibt hinter den Erwartungen zurück.


Fazit

Der Geruch von Blut“ ist ein durchschnittlicher Thriller, der nichts bietet, was man nicht schon gelesen hätte. Der Schreibstil ist aber sehr gut. Am Ende bleibt ein grundsolider Roman für zwischendurch.


Pro und Kontra

+ schöner Schreibstil
+ Finns Behinderung
+ recht spannend

- Nebencharaktere flach
- vorhersehbares Ende
- weit weg von „hardcore“

Beurteilung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5