13-08-2015, 12:53
überarbeitet: 29.08.
Der Sonnenuntergang kroch rot über die Stoffbahnen des Zeltes und die Luft kühlte allmählich ab, als Xephos’ Trupp zurückkehrte. Stimmen und Gelächter drangen vom großen Übungsplatz herauf, eine kleine Veränderung nur in den täglichen Hintergrundgeräuschen, die Makku jedoch aufmerken ließ. Schnaufend stellten er und Ilnor den letzten Zuber ab, in dem die Organe des Kadavers in einem Konservierungsbad schwammen.
Das Rumpeln ließ den Waldelben aufschrecken, der offenbar im Sitzen eingeschlafen war. Wie im Reflex zuckte die rechte Hand in Richtung seiner Begleiterin, doch bevor seine Finger sie berührten, hielt er inne. Den ganzen Tag über hatte er sie nicht ein Mal angefasst, weder ihre Hand gehalten noch ihr Gesicht gewaschen, obwohl Makku ihm einen Eimer Wasser hingestellt hatte, nachdem er den Verband gewechselt hatte.
»Das Herzlicht ist flüchtig im schwarzen Schlaf«, hatte der Wilde gesagt und es wohl für eine Erklärung gehalten.
Makku war es reichlich egal, solange die Hautschichten gut zusammenwuchsen. Noch war die Waldelbe nicht zu Bewusstsein gekommen, aber ihre Brust hob und senkte sich inzwischen wieder unter starken Atemzügen.
Ein guter Zeitpunkt, um seine Arbeit vorzuzeigen.
Draußen erklang eine vertraute Stimme, ein kurzer Moment Stille. Als die Stoffbahn zurückgeschlagen wurde, wandte auch Rasd den Kopf Richtung Eingang.
Xephos trat ein.
Blut und Schlamm verklebten die lederne Rüstung und das kurz geschorene Haar und er wirkte fast ebenso wild wie seine beiden Gefangenen. Nur dass er noch dazu seine gesättigte Blutklinge am Waffengurt trug, die Trollzahnschneide kaum zu erkennen unter der braunroten Kruste.
Er bot zweifellos ein imposantes Bild, das sich allein mit seiner körperlichen Erscheinung nicht erklären ließ. Egal wo Xephos auftauchte – er beeindruckte. Dabei war er für einen Söldner und besonders im Vergleich zu den Stiernacken, die hier im Lager herumliefen, von eher schmaler Statur, legte mehr Wert auf Geschick und Wendigkeit als auf pure Muskelmasse.
Es war das Schwert – die Blutklinge. Als Sphärengeborener spürte Makku es stärker, konnte es an etwas festmachen, die Faszination für diesen unscheinbaren Mann, während die einfachen Bürger nur Maulaffen feilboten. Und selbst mit dem Wissen darum fiel es ihm schwer, sich dem Einfluss zu entziehen.
Das Gefühl verflüchtigte sich erst, als Xephos Ilnor hinausschickte und müde auf einen Schemel sank wie ein alter, gebrochener Mann. Die Klinge forderte ihren Zoll.
»Sie wird überleben«, beantwortete Makku die unausgesprochene Frage »Ihr Bein wird heilen.«
Xephos nickte nur, straffte dann seine Schultern. Als sei ihm bewusst geworden, dass sie nicht alleine waren.
»Ich habe nichts anderes von meinem Nekromanten erwartet.«
»Den Eindruck hatte ich nicht.«
»Makku …«
Er verstummte, als der nächste Besucher das Zelt betrat und im Eingangsbereich stehen blieb. Nihel gab vor allem deshalb ein besseres Bild ab als sie beide, weil er weder vor Schlamm noch vor Blut triefte. Dafür wirkte er genau erschöpft wie ihr Hauptmann.
»Na, da hat sich jemand fein rausgehalten«, scherzte Makku, auch wenn er sehr viel lieber Antworten bekommen hätte.
Aber er gönnte Xephos die wenigen Augenblicke, die er Ruhe fand. An diesem Ort, der anderen – auch gestandenen – Männern Albträume ins Bett schickte.
Nihel erwiderte das Grinsen matt. »Du kannst mit deinem Spott kommen, wenn du deinen ersten Sphärenriss geöffnet hast«, stichelte er zurück. Dann deutete er auf die Waldelbe. »Hat der Sprung ihr arg zugesetzt?«
»Sie hat geschrien wie ein Ferkel beim Schlachter, aber das könnte auch an deinem Gesicht gelegen haben.«
Beiläufig bemerkte er, wie Rasd bei seinen Worten verärgert die Augenbrauen zusammenzog. Dreckiger Wilder, der keinen Spaß verstand. Makku war es leid, in seinem eigenen Zelt unter Beobachtung zu stehen.
»Was hast du jetzt mit deinen Gefangenen vor?«, wollte er von Xephos wissen. »Oder sind sie Gäste?«
»Gäste, die dieses Zelt nicht verlassen dürfen. Vorerst.«
Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Ihr Hauptmann hatte keine Ahnung, was er mit den beiden Waldelben anstellen sollte. Aus einem Gefühl heraus hatte er sie angeschleppt, so wie er seine besten – und seine schlechtesten – Entscheidungen aus einem Gefühl heraus traf. Beeinflusst von der Klinge an seiner Seite.
»Dreck!«, spuckte Makku aus.
»Ich durfte nicht zulassen, dass sie stirbt!«, fuhr Xephos auf, seine Hand am Schwertgriff, als suche er nach Bestätigung. »Es wäre … falsch gewesen.«
In diesem Zelt stand er mit seiner Entscheidung alleine. Nihel schüttelte nur müde den Kopf und bedachte die Anwesenheit der beiden Waldelben mit einem kaum hörbaren Seufzen. Sie kannten die Blutklinge lange genug, um zu wissen, dass jede Gegenrede verschwendeter Atem war.
»Was ist mit den Feen?«, lenkte Makku ein. »Stimmt es, dass Schlächter im Sumpf unterwegs sind?«
Xephos nickte schwerfälllig. »Haben fünf unserer Männer getötet und den gesamten Feentrupp. Die beiden gehören nicht zu ihnen. Sie sind in Lanneqs Auftrag unterwegs.«
»Behauptet Rasd«, fügte Nihel hinzu.
»Er hätte sich mit den Schlächtern zurückziehen können. Aber er ist geblieben. Hat sich uns ergeben, als wir Qai aus dem Morast fischten. Sein Leben liegt in meiner Hand und er weiß, dass es verwirkt ist, wenn er gelogen hat.«
Nihel zuckte mit den Schultern. »Mag sein.«
Kurz schloss er die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch.
»Verlang nie wieder von mir, einen instabilen Riss zu öffnen. Nicht einmal ein Feenschlächter hat den Wahnsinn verdient, der zwischen den Sphären lauert.«
Er drehte sich um, als sei damit alles gesagt. Statt ihn zurechtzuweisen, nickte Xephos ein weiteres Mal, obwohl Nihel es nicht sehen konnte.
»Das war gute Arbeit. Von euch beiden.«
Der Hexer winkte halbherzig ab und verließ das Zelt, ohne die Stoffbahn zurück vor den Eingang zu ziehen. Ein Lufthauch wehte herein, brachte das Versprechen einer kühlen Nacht, wenn erst die Sonne vollständig versunken war. An Schlaf wagte Makku allerdings nicht zu denken. Nicht zuletzt Rasds Blick erinnerte ihn daran, wie viele Fragen noch offen waren.
Der Waldelb hatte ihrem Gespräch aufmerksam gelauscht, doch seine Miene verschloss sich, als Xephos ihn ins Visier nahm.
»Jetzt zu deinem Teil unserer Abmachung. Qai lebt, wie ich es dir zugesichert habe.«
Rasd nickte, langsam und bedächtig, als könne er damit falsche Versprechungen machen. »Sie wacht auf und erzählt dir, was wir wissen.«
»Du erzählst es mir. Und zwar jetzt.«
In Xephos’ Stimme schwang eine unmissverständliche Drohung, von der der Waldelb sich allerdings nicht beeindrucken ließ. Er schüttelte den Kopf, dieses Mal entschieden.
»Wir sprachen einen Handel. Du rettest ihr Leben, sie teilt unser Wissen.«
»Ihr Leben ist gerettet.«
»Solche Probleme hätten wir nicht, wenn unsere Gäste unsere Gefangenen wären«, warf Makku ein.
Wie erwartet missfiel es Xephos, seine Entscheidung in Frage gestellt zu sehen. Aber unter seinem Ärger entdeckte Makku auch Einsicht. Ihr Hauptmann wusste nur zu gut, wie schnell ihm die Königstreuen einen Strick aus seinem Handel mit zwei Waldelben drehen konnten.
Er stemmte sich hoch und seufzte schwer.
»Wann wird sie aufwachen?«, wollte er von Makku wissen. Als sei er Hellseher.
»Im Lauf der Nacht vielleicht. Morgen früh, oder gegen Mittag. Soll ich bei ihr bleiben?«
Xephos schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen.
»Ilnor kann das übernehmen. Leg du dich schlafen, wenn du keine Komplikationen erwartest. Morgen brauche ich dich im Vollbesitz deiner Kräfte.«
Ohne Erklärung verließ er das Zelt, wartete aber wenige Meter entfernt auf dem ausgetretenen Pfad, bis Makku zu ihm aufschloss. Offenbar sorgte er sich nicht darum, dass ihre Gäste über Nacht verschwinden würden.
Wäre vielleicht besser.
»Was ist morgen?«, wollte Makku wissen.
Xephos sah nicht aus, als müsse er darauf hingewiesen werden, dass ein paar weitere Entscheidungen dieser Sorte – getroffen nur aus einem Gefühl heraus – ihn zum Gespött der Männer machen würden. Und ein Kommandant, über den ein ganzer Söldnerhaufen lachte, hatte schlechte Karten.
Bisher war davon noch nichts zu merken. In der Luft hingen Stimmen und das Schleifen von Metall über Stein, der Geruch von süßem Apfelwein und Rübeneintopf. Zwischen den Zelten entflammten Lagerfeuer, flackernde Inseln in der aufziehenden Dunkelheit. Makkus Arbeitsstätte lag wie die Behausung eines Aussätzigen etliche Meter entfernt, so dass sie vollkommen ungestört waren. Trotzdem zögerte Xephos.
»Ich hoffe, es wird ein schöner Tag«, erwiderte er schließlich. »Aber der Feentrupp, den wir verfolgt haben … da war was faul.«
»Sagt das dein Schwert?«
»Das sagt mein Verstand!«
Beschwichtigend hob Makku die Hände. »Werd nicht gleich empfindlich.«
»Es waren zu viele Magier«, überging Xephos den Schlagabtausch. »Kaum Bewaffnete, vielleicht sogar ein paar Zivilisten. Ich befürchte, die Schlächter haben eine Siedlung aufgeschreckt.«
»Dreck.«
Es war wie ein Stich in ein Wespennest. Bisher waren sie die Jäger gewesen und die Feen ihre Beute – ihr Ziel das Auffinden genau dieser Siedlung. Damit sie sie geplant und wohldurchdacht auslöschen konnten.
Jetzt würden die Feen erbarmungslos alles töten, was sie auch nur im Ansatz als Bedrohung für ihre Siedlung sahen.
»Sie werden keine Schwierigkeiten haben, unserer Spur zu folgen«, sprach Xephos es aus. »Sie werden uns jagen. Und sie werden uns vernichten wollen. Ich wüsste gerne, wie mächtig unser Gegner ist.«
»Die beiden Wilden?«
»Sind wohl schon eine Weile in dieser Gegend. Sie haben sich den Schlächtern angeschlossen, weil Lanneq den Quellstein will. Mehr hat Rasd mir nicht verraten.«
»Du weißt, dass ich Mittel und Wege hab, ihn zum Sprechen zu bringen.«
»Dieses Mal nicht, Makku.« Xephos seufzte schwer. »Im Kampf hätte ich Qai um ein Haar erschlagen. Aber die Klinge hat sie nur gestreift. Hat sich geweigert, sie zu töten. Sie und Rasd spielen eine wichtige Rolle.«
»Schade. Ich hatte mich schon auf eine nette Foltersitzung gefreut.«
Makku grinste, auch wenn ihm nicht danach war. Dieses Schwert machte mehr Scherereien als es eine Frau je könnte. Laut aussprechen würde er den Gedanken in Xephos’ Gegenwart nicht – dafür hing er zu sehr an seinem Leben. Aber zum Glück war ihrem Hauptmann selbst hin und wieder bewusst, dass es nicht immer leicht war, von einer Blutklinge als Träger auserwählt zu sein. Weder für den Auserwählten noch für seine treusten Begleiter, von denen es inzwischen nur noch ihn und Nihel gab. Zwei Sphärengeborene, die zumindest ansatzweise nachvollziehen konnten, wie es sich anfühlte, Spielball einer höheren Macht zu sein. Die Magie konnte ebenso eigenwillig sein wie die Blutklinge.
»Folgst du mir, Makku?«, fragte Xephos unsicher in das Schweigen hinein, als habe er jeden einzelnen Gedanken gehört.
»Bis in die Leere, mein Freund.«
Die Worte wischten jeden Zweifel zwischen ihnen fort und eine Weile lang standen sie in einträchtiger Stille nebeneinander. Über ihnen wuchs die Nacht, in der Makku das Sirren von Feenlichtern zu hören glaubte.
»Ich muss mit den Söldnerführern sprechen«, brach Xephos schließlich sein Schweigen. »Die Männer müssen vorbereitet sein.«
»Wenn die dreckigen Wilden was können, dann ist es Feen töten.«
»Sie waren zu wenige, um es mit einer ganzen Siedlung aufzunehmen.«
Makku schnaubte und folgte dem Blick in die Ferne. »Hoffentlich finden wenigstens wir den Quellstein. Wär schade, wenn er den Schlächtern in die Hände fällt.«
Xephos schwieg. Lauschte dem Flüstern seiner Klinge, der er mit jedem Kampf mehr vertraute.
Eines Tages würde sie ihn hintergehen. Und Makku hoffte – nicht ganz uneigennützig – dass dieser Tag in weiter Ferne lag.
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Der Sonnenuntergang kroch rot über die Stoffbahnen des Zeltes und die Luft kühlte allmählich ab, als Xephos’ Trupp zurückkehrte. Stimmen und Gelächter drangen vom großen Übungsplatz herauf, eine kleine Veränderung nur in den täglichen Hintergrundgeräuschen, die Makku jedoch aufmerken ließ. Schnaufend stellten er und Ilnor den letzten Zuber ab, in dem die Organe des Kadavers in einem Konservierungsbad schwammen.
Das Rumpeln ließ den Waldelben aufschrecken, der offenbar im Sitzen eingeschlafen war. Wie im Reflex zuckte die rechte Hand in Richtung seiner Begleiterin, doch bevor seine Finger sie berührten, hielt er inne. Den ganzen Tag über hatte er sie nicht ein Mal angefasst, weder ihre Hand gehalten noch ihr Gesicht gewaschen, obwohl Makku ihm einen Eimer Wasser hingestellt hatte, nachdem er den Verband gewechselt hatte.
»Das Herzlicht ist flüchtig im schwarzen Schlaf«, hatte der Wilde gesagt und es wohl für eine Erklärung gehalten.
Makku war es reichlich egal, solange die Hautschichten gut zusammenwuchsen. Noch war die Waldelbe nicht zu Bewusstsein gekommen, aber ihre Brust hob und senkte sich inzwischen wieder unter starken Atemzügen.
Ein guter Zeitpunkt, um seine Arbeit vorzuzeigen.
Draußen erklang eine vertraute Stimme, ein kurzer Moment Stille. Als die Stoffbahn zurückgeschlagen wurde, wandte auch Rasd den Kopf Richtung Eingang.
Xephos trat ein.
Blut und Schlamm verklebten die lederne Rüstung und das kurz geschorene Haar und er wirkte fast ebenso wild wie seine beiden Gefangenen. Nur dass er noch dazu seine gesättigte Blutklinge am Waffengurt trug, die Trollzahnschneide kaum zu erkennen unter der braunroten Kruste.
Er bot zweifellos ein imposantes Bild, das sich allein mit seiner körperlichen Erscheinung nicht erklären ließ. Egal wo Xephos auftauchte – er beeindruckte. Dabei war er für einen Söldner und besonders im Vergleich zu den Stiernacken, die hier im Lager herumliefen, von eher schmaler Statur, legte mehr Wert auf Geschick und Wendigkeit als auf pure Muskelmasse.
Es war das Schwert – die Blutklinge. Als Sphärengeborener spürte Makku es stärker, konnte es an etwas festmachen, die Faszination für diesen unscheinbaren Mann, während die einfachen Bürger nur Maulaffen feilboten. Und selbst mit dem Wissen darum fiel es ihm schwer, sich dem Einfluss zu entziehen.
Das Gefühl verflüchtigte sich erst, als Xephos Ilnor hinausschickte und müde auf einen Schemel sank wie ein alter, gebrochener Mann. Die Klinge forderte ihren Zoll.
»Sie wird überleben«, beantwortete Makku die unausgesprochene Frage »Ihr Bein wird heilen.«
Xephos nickte nur, straffte dann seine Schultern. Als sei ihm bewusst geworden, dass sie nicht alleine waren.
»Ich habe nichts anderes von meinem Nekromanten erwartet.«
»Den Eindruck hatte ich nicht.«
»Makku …«
Er verstummte, als der nächste Besucher das Zelt betrat und im Eingangsbereich stehen blieb. Nihel gab vor allem deshalb ein besseres Bild ab als sie beide, weil er weder vor Schlamm noch vor Blut triefte. Dafür wirkte er genau erschöpft wie ihr Hauptmann.
»Na, da hat sich jemand fein rausgehalten«, scherzte Makku, auch wenn er sehr viel lieber Antworten bekommen hätte.
Aber er gönnte Xephos die wenigen Augenblicke, die er Ruhe fand. An diesem Ort, der anderen – auch gestandenen – Männern Albträume ins Bett schickte.
Nihel erwiderte das Grinsen matt. »Du kannst mit deinem Spott kommen, wenn du deinen ersten Sphärenriss geöffnet hast«, stichelte er zurück. Dann deutete er auf die Waldelbe. »Hat der Sprung ihr arg zugesetzt?«
»Sie hat geschrien wie ein Ferkel beim Schlachter, aber das könnte auch an deinem Gesicht gelegen haben.«
Beiläufig bemerkte er, wie Rasd bei seinen Worten verärgert die Augenbrauen zusammenzog. Dreckiger Wilder, der keinen Spaß verstand. Makku war es leid, in seinem eigenen Zelt unter Beobachtung zu stehen.
»Was hast du jetzt mit deinen Gefangenen vor?«, wollte er von Xephos wissen. »Oder sind sie Gäste?«
»Gäste, die dieses Zelt nicht verlassen dürfen. Vorerst.«
Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Ihr Hauptmann hatte keine Ahnung, was er mit den beiden Waldelben anstellen sollte. Aus einem Gefühl heraus hatte er sie angeschleppt, so wie er seine besten – und seine schlechtesten – Entscheidungen aus einem Gefühl heraus traf. Beeinflusst von der Klinge an seiner Seite.
»Dreck!«, spuckte Makku aus.
»Ich durfte nicht zulassen, dass sie stirbt!«, fuhr Xephos auf, seine Hand am Schwertgriff, als suche er nach Bestätigung. »Es wäre … falsch gewesen.«
In diesem Zelt stand er mit seiner Entscheidung alleine. Nihel schüttelte nur müde den Kopf und bedachte die Anwesenheit der beiden Waldelben mit einem kaum hörbaren Seufzen. Sie kannten die Blutklinge lange genug, um zu wissen, dass jede Gegenrede verschwendeter Atem war.
»Was ist mit den Feen?«, lenkte Makku ein. »Stimmt es, dass Schlächter im Sumpf unterwegs sind?«
Xephos nickte schwerfälllig. »Haben fünf unserer Männer getötet und den gesamten Feentrupp. Die beiden gehören nicht zu ihnen. Sie sind in Lanneqs Auftrag unterwegs.«
»Behauptet Rasd«, fügte Nihel hinzu.
»Er hätte sich mit den Schlächtern zurückziehen können. Aber er ist geblieben. Hat sich uns ergeben, als wir Qai aus dem Morast fischten. Sein Leben liegt in meiner Hand und er weiß, dass es verwirkt ist, wenn er gelogen hat.«
Nihel zuckte mit den Schultern. »Mag sein.«
Kurz schloss er die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch.
»Verlang nie wieder von mir, einen instabilen Riss zu öffnen. Nicht einmal ein Feenschlächter hat den Wahnsinn verdient, der zwischen den Sphären lauert.«
Er drehte sich um, als sei damit alles gesagt. Statt ihn zurechtzuweisen, nickte Xephos ein weiteres Mal, obwohl Nihel es nicht sehen konnte.
»Das war gute Arbeit. Von euch beiden.«
Der Hexer winkte halbherzig ab und verließ das Zelt, ohne die Stoffbahn zurück vor den Eingang zu ziehen. Ein Lufthauch wehte herein, brachte das Versprechen einer kühlen Nacht, wenn erst die Sonne vollständig versunken war. An Schlaf wagte Makku allerdings nicht zu denken. Nicht zuletzt Rasds Blick erinnerte ihn daran, wie viele Fragen noch offen waren.
Der Waldelb hatte ihrem Gespräch aufmerksam gelauscht, doch seine Miene verschloss sich, als Xephos ihn ins Visier nahm.
»Jetzt zu deinem Teil unserer Abmachung. Qai lebt, wie ich es dir zugesichert habe.«
Rasd nickte, langsam und bedächtig, als könne er damit falsche Versprechungen machen. »Sie wacht auf und erzählt dir, was wir wissen.«
»Du erzählst es mir. Und zwar jetzt.«
In Xephos’ Stimme schwang eine unmissverständliche Drohung, von der der Waldelb sich allerdings nicht beeindrucken ließ. Er schüttelte den Kopf, dieses Mal entschieden.
»Wir sprachen einen Handel. Du rettest ihr Leben, sie teilt unser Wissen.«
»Ihr Leben ist gerettet.«
»Solche Probleme hätten wir nicht, wenn unsere Gäste unsere Gefangenen wären«, warf Makku ein.
Wie erwartet missfiel es Xephos, seine Entscheidung in Frage gestellt zu sehen. Aber unter seinem Ärger entdeckte Makku auch Einsicht. Ihr Hauptmann wusste nur zu gut, wie schnell ihm die Königstreuen einen Strick aus seinem Handel mit zwei Waldelben drehen konnten.
Er stemmte sich hoch und seufzte schwer.
»Wann wird sie aufwachen?«, wollte er von Makku wissen. Als sei er Hellseher.
»Im Lauf der Nacht vielleicht. Morgen früh, oder gegen Mittag. Soll ich bei ihr bleiben?«
Xephos schüttelte den Kopf und wandte sich zum Gehen.
»Ilnor kann das übernehmen. Leg du dich schlafen, wenn du keine Komplikationen erwartest. Morgen brauche ich dich im Vollbesitz deiner Kräfte.«
Ohne Erklärung verließ er das Zelt, wartete aber wenige Meter entfernt auf dem ausgetretenen Pfad, bis Makku zu ihm aufschloss. Offenbar sorgte er sich nicht darum, dass ihre Gäste über Nacht verschwinden würden.
Wäre vielleicht besser.
»Was ist morgen?«, wollte Makku wissen.
Xephos sah nicht aus, als müsse er darauf hingewiesen werden, dass ein paar weitere Entscheidungen dieser Sorte – getroffen nur aus einem Gefühl heraus – ihn zum Gespött der Männer machen würden. Und ein Kommandant, über den ein ganzer Söldnerhaufen lachte, hatte schlechte Karten.
Bisher war davon noch nichts zu merken. In der Luft hingen Stimmen und das Schleifen von Metall über Stein, der Geruch von süßem Apfelwein und Rübeneintopf. Zwischen den Zelten entflammten Lagerfeuer, flackernde Inseln in der aufziehenden Dunkelheit. Makkus Arbeitsstätte lag wie die Behausung eines Aussätzigen etliche Meter entfernt, so dass sie vollkommen ungestört waren. Trotzdem zögerte Xephos.
»Ich hoffe, es wird ein schöner Tag«, erwiderte er schließlich. »Aber der Feentrupp, den wir verfolgt haben … da war was faul.«
»Sagt das dein Schwert?«
»Das sagt mein Verstand!«
Beschwichtigend hob Makku die Hände. »Werd nicht gleich empfindlich.«
»Es waren zu viele Magier«, überging Xephos den Schlagabtausch. »Kaum Bewaffnete, vielleicht sogar ein paar Zivilisten. Ich befürchte, die Schlächter haben eine Siedlung aufgeschreckt.«
»Dreck.«
Es war wie ein Stich in ein Wespennest. Bisher waren sie die Jäger gewesen und die Feen ihre Beute – ihr Ziel das Auffinden genau dieser Siedlung. Damit sie sie geplant und wohldurchdacht auslöschen konnten.
Jetzt würden die Feen erbarmungslos alles töten, was sie auch nur im Ansatz als Bedrohung für ihre Siedlung sahen.
»Sie werden keine Schwierigkeiten haben, unserer Spur zu folgen«, sprach Xephos es aus. »Sie werden uns jagen. Und sie werden uns vernichten wollen. Ich wüsste gerne, wie mächtig unser Gegner ist.«
»Die beiden Wilden?«
»Sind wohl schon eine Weile in dieser Gegend. Sie haben sich den Schlächtern angeschlossen, weil Lanneq den Quellstein will. Mehr hat Rasd mir nicht verraten.«
»Du weißt, dass ich Mittel und Wege hab, ihn zum Sprechen zu bringen.«
»Dieses Mal nicht, Makku.« Xephos seufzte schwer. »Im Kampf hätte ich Qai um ein Haar erschlagen. Aber die Klinge hat sie nur gestreift. Hat sich geweigert, sie zu töten. Sie und Rasd spielen eine wichtige Rolle.«
»Schade. Ich hatte mich schon auf eine nette Foltersitzung gefreut.«
Makku grinste, auch wenn ihm nicht danach war. Dieses Schwert machte mehr Scherereien als es eine Frau je könnte. Laut aussprechen würde er den Gedanken in Xephos’ Gegenwart nicht – dafür hing er zu sehr an seinem Leben. Aber zum Glück war ihrem Hauptmann selbst hin und wieder bewusst, dass es nicht immer leicht war, von einer Blutklinge als Träger auserwählt zu sein. Weder für den Auserwählten noch für seine treusten Begleiter, von denen es inzwischen nur noch ihn und Nihel gab. Zwei Sphärengeborene, die zumindest ansatzweise nachvollziehen konnten, wie es sich anfühlte, Spielball einer höheren Macht zu sein. Die Magie konnte ebenso eigenwillig sein wie die Blutklinge.
»Folgst du mir, Makku?«, fragte Xephos unsicher in das Schweigen hinein, als habe er jeden einzelnen Gedanken gehört.
»Bis in die Leere, mein Freund.«
Die Worte wischten jeden Zweifel zwischen ihnen fort und eine Weile lang standen sie in einträchtiger Stille nebeneinander. Über ihnen wuchs die Nacht, in der Makku das Sirren von Feenlichtern zu hören glaubte.
»Ich muss mit den Söldnerführern sprechen«, brach Xephos schließlich sein Schweigen. »Die Männer müssen vorbereitet sein.«
»Wenn die dreckigen Wilden was können, dann ist es Feen töten.«
»Sie waren zu wenige, um es mit einer ganzen Siedlung aufzunehmen.«
Makku schnaubte und folgte dem Blick in die Ferne. »Hoffentlich finden wenigstens wir den Quellstein. Wär schade, wenn er den Schlächtern in die Hände fällt.«
Xephos schwieg. Lauschte dem Flüstern seiner Klinge, der er mit jedem Kampf mehr vertraute.
Eines Tages würde sie ihn hintergehen. Und Makku hoffte – nicht ganz uneigennützig – dass dieser Tag in weiter Ferne lag.
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