09-12-2015, 13:22
ACHTUNG! Das ist nur mehr die veraltete Version meiner Geschichte! Die aktuelle Version mit zahlreichen Änderungen findet Ihr in der Rubrik Science-Fiction-Fortsetzungen unter dem Titel: DIE VERLORENEN GÖTTER
EDIT : 10.12.2015 Grund: Einarbeitung der neuen Vorschläge
EDIT : 14.12.2015 Grund: Einfügen der drei Anfangszeilen über Ort, Zeit, und Handlung zum Zweck der besseren Übersicht in der Fortsetzungsgeschichte
EDIT : 15.12.2015 Grund: neue Formulierungen im Text und Covervorschlag
EDIT : 27.12.2015 Grund: Korrektur und neues Titelbild
EDIT : 5.1.2016 Grund: Neuformulierung der Anfangsszene mit der Mutter und den kleinen Kindern
EDIT : 6.1.2016 Grund: Neuformulierung der Inhaltsangabe oder Einleitung
EDIT : 22.1.2016 Grund: Hinweis auf die aktuelle Version
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Ich zeige Euch hier einmal den ersten Ausschnitt eines Werkes, an dem ich seit drei Jahren arbeite, und das immer noch lange nicht fertig ist.
Es ist eine epische Geschichte über das Leben an sich. Und es geht dabei um unsere eigene Welt, die Erde. Die Story beginnt über 5000 Jahre in der Vergangenheit. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich die alten Götter gerade von der Erde zurückziehen wollen.
Doch dann passieren entscheidende Dinge, welche das Leben der Menschen bis auf den heutigen Tag formen.
Es geht um Magie, Zauberer, Götter, Dämonen, Drachen, fremde und bekannte Menschenvölker, sowie Existenzen, von denen wir nicht einmal ahnen, dass sie bis auf den heutigen Tag immer noch unter uns weilen!
Doch ich beginne mal einfach, und freue mich schon jetzt auf Reaktionen, welcher Art auch immer...
Ein Sturm zieht auf.
5000 Jahre vor unserer Zeitrechnung ist die ganze Welt im Wandel.
Die alten Götter, welche die Menschen in die Zivilisation geführt haben, stehen vor neuen Herausforderungen, denn ein mächtiger alter Feind aus den Tiefen des Raumes taucht auf,
und der Kampf um die Vorherrschaft der Mächtigen in der Galaxis beginnt von Neuem!
Zum Brennpunkt der aktuellen Geschehnisse wird dabei ein kleiner unbedeutender Planet im galaktischen Randbereich, auf dem es zum entscheidenden Zusammentreffen der neuen Kontrahenten kommt.
Hier, auf dem Planeten der Menschen, ist gerade die Epoche der neuen Stadtstaaten angebrochen.
Aber es ist keine friedliche Zeit, denn zwischen den einzelnen Menschenvölkern toben ständige lokale Kriege um Macht, Einfluss und Land.
Doch während die Rasse der Götter versucht, die bisherige Ordnung aufrecht zu halten, ist die Saat der Zerstörung bereits gelegt. Und als ein Verräter aus den eigenen Reihen das Unheil in Gang setzt, müssen die Berater der Menschheit ohnmächtig zur Kenntnis nehmen, dass diesmal ihr endgültiger Untergang droht.
Die Rettung aus all dem Chaos könnte jedoch gerade in der Hand einer vertriebenen menschlichen Königin liegen, die zufällig ein beschädigtes göttliches Artefakt in ihren Besitz bringen kann, das niemals für die Hände der Menschen geschaffen wurde.
Sie beginnt inmitten des erbarmungslosen Kampfes der Mächtigen einen Exodus, der sie und ihr Volk weit über die Grenzen aller bekannten Länder hinaus bringen wird. Und entgegen aller Wahrscheinlichkeiten könnte sie dabei jenen Ort erreichen, zu dem selbst die alten Götter niemals Zutritt gehabt haben.
Damit beginnt ein beispielloses Abenteuer, dessen Auswirkungen durch alle Epochen hindurch bis in unsere Zeit hinein reichen – und sogar noch darüber hinaus!
Die Blutkristallerzählung zeigt den Aufbruch der Menschheit aus einer völlig neuen Perspektive, denn die Geschichte der Menschheit ist eine nähere Betrachtung wert.
Ort: Bergland im heutigen Iran
Zeit: 3123 vor Christus
Handlung: Beginn der Waffenruhe während des Angriffes auf Aratta durch die vereinte Armee von Uruk
Unsere Welt vor über 5000 Jahren...
Gleich einem wütenden Gott der Unterwelt raste das flammende Geschoss über die Stadtmauer hinweg, und krachte in eine bereits beschädigte Steinwand eines der Häuser. Kinder schrien sofort erschreckt auf. Die ohnehin bereits gelockerten Holzbalken der Dachkonstruktion wurden durch den Einschlag endgültig aus ihrer Verankerung gerissen, und stürzten nun zusammen mit den ölgetränkten brennenden Teilen der Strohkugel ins Innere der Ruine. Für die Menschen in der Stadt wurde die Situation immer schlimmer, denn der einzige Bereich in der Stadtmitte, der nicht in Reichweite der rundum aufgestellten Katapulte der Feinde lag, war bereits nach dem tagelangen Bombardement völlig überfüllt. Selbst im zentralen Palast der Könige war beim besten Willen kein Platz mehr für zusätzliche Menschen.
Eine Mutter hatte sich mit ihren zwei kleinen Buben genau hier in dieser zwar bereits beschädigten, aber dennoch recht stabil aussehenden Gebäuderuine in Sicherheit gedacht, doch nun wurde das vermeintlich sichere Versteck plötzlich zur Todesfalle.
Die Frau reagierte schnell und geistesgegenwärtig, denn sie zog ihre beiden kleinen Buben sofort zur Türöffnung, doch die Dachbalken kamen schneller herab als gedacht. Geschickt schubste sie ihre Kinder durch die fallenden Bauteile nach draußen, weil die gesamte Dachkonstruktion nach Innen zu stürzen drohte. Sie selbst kam nicht mehr durch, weil immer mehr Schutt von oben herab kam.
„Lauft, Kinder!“
Die Kleinen stolperten verwirrt und panisch vor Angst nach draußen.
„Mama!“
Die Frau schrie noch kurz um Hilfe, bevor sie sich vor den fallenden Balken zurückziehen musste, denn sie wusste in vielen umliegenden Ruinen Menschen, die sich genau wie sie vor dem Bombardement versteckten. Ihre Kinder brauchten Schutz, während sie nach einem anderen Ausweg aus der nun einsturzgefährdeten Ruine suchen musste.
Ständig regneten Trümmerteile in den Raum hinein, und versperrten der Frau damit den Weg in die Freiheit. So schnell wie möglich stolperte sie in eine rückwärtige Wandnische, um nicht begraben zu werden. Gerade noch rechtzeitig, denn nun krachte das ganze Dach durch die bereits durch einen vorherigen Treffer beschädigte Zwischendecke nach unten.
Einige Balken und Bretter brannten noch dazu, und beißender Rauch vermischte sich sofort mit der aufsteigenden Staubwolke. Von irgendwo draußen hörte sie ihre Kinder verzweifelt rufen:
„Mama! Mama!“
Hoffentlich blieben die Kinder auf Abstand. Wo waren nur die Nachbarn? Durch all den Rauch und das Prasseln von auflodernden Flammen schrie sie hinaus:
„Bleibt draußen, Kinder! Ich komme schon!“ Sie hatte Angst davor, dass ihre Kinder auch auf der Straße durch einstürzende Wände begraben werden könnten. Gehetzt sah sie sich um. Die restlichen Wände schienen stehen zu bleiben. Zumindest für den Augenblick noch. Sie hatte den teilweisen Einsturz des Gebäudes wie durch ein Wunder überlebt. Jetzt musste sie aber irgendwie hinaus.
Da fiel ihr eine kleine Fensteröffnung im angrenzenden Raum ein, durch die sie sich eventuell zwängen könnte. Sofort stieg sie über den Schuttberg in Richtung der Durchgangsöffnung zum Nebenraum, der einmal eine Kochstelle mit stabilen Kamin gewesen war. In der Hektik rutschte sie auf schief liegenden Steinplatten aus und schabte sich die Haut des rechten Beines auf. Blut lief ihr hinunter bis zu den Zehen, doch sie konnte darauf jetzt keine Rücksicht nehmen.
„Mama!“
Ein Hustenanfall verhinderte eine erneute Antwort von ihr. Die Mischung aus Staub und Rauch reizte ihre Atemwege. Bei allen Göttern, wieso musste es jetzt auch noch brennen? Die brennbaren Stoffe des Geschosses hatten das trockene Holz des Gebäudes entzündet, und jetzt lag dieses Holz unten im Innenraum zwischen all den anderen Trümmern.
Die Türöffnung zum Nebenraum war dank der Schutzgötter immer noch passierbar. Dahinter war es merklich düsterer, denn es gab nur die kleine Öffnung in der Außenwand, vor der eine Decke hing.
Durch die Mischung aus Staub und Rauch zeichnete sich als verwaschener etwas hellerer Fleck die Öffnung ab. Ihre Augen begannen zu tränen. Auch hier lagen Steine und Holzstücke überall verstreut, doch dieser Raum war bereits durch einen vorhergehenden Einschlag verwüstet worden. Der gesamte erste Stock war durch die Decke gebrochen, doch der Weg zum Fenster müsste zu schaffen sein.
„Hallo, sind Sie noch dort drinnen?“
Eine männliche Stimme von draußen. Sie war nicht mehr alleine! Den Göttern sei Dank.
„Ja, ich komme!“
Über ihr rumorte es verdächtig.
„Mama! Schnell! Mama!“
Bloß kein weiterer Einsturz jetzt.
Die männliche Stimme versuchte vergeblich ihre Kinder zu beruhigen: „Zurück, Kinder. Eure Mama kommt schon. Nimm sie mir ab!“ Offensichtlich waren mehrere Erwachsene auf der Straße. Gut so!
Sie nahm all ihre Kräfte zusammen, ignorierte das schmerzende Bein, und kletterte so schnell wie möglich über den Schutt auf dem Boden, doch plötzlich krachte einer der lockeren Deckenbalken hinunter, genau auf sie! Der Länge nach fiel sie auf die kantigen Steine unter ihr und schrie dabei auf. Eine Schmerzwelle zuckte durch ihren Körper. Die Kinder mussten sie gehört haben, denn sie schrien sofort hysterisch auf: „Mama! Mama!“
„Beeilen Sie sich! Das ganze Haus wird einstürzen!“
Davon war sie mittlerweile überzeugt, doch sie konnte sich nicht mehr frei bewegen!
Ein Blick zurück bestätigte ihre Befürchtung. Der massive Holzbalken lag quer über ihre Beine und hatte sie eingeklemmt. Ihr schmutziges Kleid färbte sich durch ihr Blut immer mehr rot.
Mit der Kraft der Verzweiflung versuchte sie ihre Beine unter dem Balken hervorzuziehen. Dabei mobilisierte sie ungeahnte Kräfte. Und tatsächlich konnte sie ihre Beine irgendwie herausreißen. Sofort versuchte sie aufzustehen, doch sie knickte gleich wieder ein.
Nein, nein nein, kein Beinbruch jetzt! Mit den Händen zog sie sich in Richtung der Wandöffnung, die ihr nun fast unerreichbar hoch erschien. Da knackte es ober ihr. Und gleich noch einmal. Trotz der Schmerzen zwang sie sich, auf die Beine zu kommen. Taumelnd und wankend kam sie so zwei Schritte vorwärts. Wieso war der Raum plötzlich so groß?
Der Rest des Zwischenstockwerkes wölbte sich nach unten und gab schließlich nach. Zahllose Trümmer regneten auf die hilflose Frau herab. Ein großer Stein traf sie an der Schulter. Ein Weiterer verletzte sie an der Hüfte. Wieder fiel sie auf den Boden.
„Mama ...!“
„Das Haus stützt ein!“
Sie konnte nicht mehr weiter. Ein letzter Gedanke galt noch ihren Kindern. Waren sie sicher? Was würde aus ihnen werden...
„Ich hab Euch lieb!“, schrie sie in ihrer Verzweiflung hinaus. Dann kam eine wahre Steinlawine auf sie herab.
Sie spürte einen heftigen Schlag auf ihren Rücken. Das Atmen fiel ihr schwer. Der nächste Treffer auf den Kopf löschte ihr Bewusstsein aus. Der Rest des Hauses stürzte in sich zusammen, und die Frau wurde unter dem rauchendem Haufen begraben.
Starke Arme zogen die verzweifelten Kinder aus der Gefahrenzone. Ein Weinkrampf schüttelte die beiden kleinen Körper. Einige Erwachsene nahmen die zu ihrer verschütteten Mama drängenden kleinen Buben auf und schoben sie weiter fort von der einstürzenden Ruine.
Eine raue männliche Stimme erscholl: „Götter, wann hört dieser Wahnsinn endlich auf! Los, dort hinein mit Euch!“
Die Kinder wurden von starken Händen gepackt und in irgend eine Öffnung weitergeschoben, wo andere Erwachsene sie abnahmen. Willenlos ließen sie alles mit sich geschehen. Sie verstanden die Welt nicht mehr. Wo war bloß ihre Mama? Hatten die Götter sie jetzt zu sich geholt? Die beiden Buben hielten sich fest umklammert und schluchzten, während sie von Erwachsenen in irgendein unterirdisches Versteck gebracht wurden.
Die zufällig vorbei gekommenen Männer blickten nach oben und sahen wie eine weitere Wolke aus Staub und Rauch in den nächtlichen Himmel aufstieg, die den zunehmenden Mond über der Stadt weiter verdunkelte. Von der einst so stolzen Königsresidenz war nur mehr ein Skelett ihrer selbst übrig. Die verzweifelten Menschen in der Stadt hatten diesen ständigen Angriffen durch die vor der Stadtmauer aufgestellten Kriegsmaschinen nichts mehr entgegenzustellen. Aufgabe des Trupps war es die Straßen nach Überlebenden abzusuchen, doch meist fanden sie nur Leichen. Wenigstens waren die beiden Kinder nun in relativer Sicherheit.
Wenigstens ein kleiner Erfolg in diesen dunklen Stunden der Allianz.
Der Klang der feindlichen Signalhörner ersetzte das Geräusch der einstürzenden Wände des zuletzt getroffenen Gebäudes. In dieser Art organisierten sich die gnadenlosen Belagerer, welche die Stadt bereits vor einer Woche blitzartig eingeschlossen und sie seither bombardiert hatten.
Und trotz all des Leides schöpften die gepeinigten Menschen bei Ertönen dieses durchdringenden Signals wieder ein klein wenig Hoffnung, denn die Nachricht einer ausgehandelten Feuerpause um Mitternacht hatte vorhin die Runde gemacht. Nun schien es tatsächlich soweit zu sein.
Die Menschen richteten ihre Blicke in den bewölkten Nachthimmel, und suchten nach Anzeichen eines weiteren anfliegenden Brockens, der wieder in ihre Häuser krachen würde, doch es kam nichts mehr dergleichen.
Die übermächtige Belagerungsarmee vor den Toren schien damit Wort zu halten. Feuerpause für einen vollen Tag als Bedenkzeit zur verlangten Kapitulation für die Bewohner der Stadt, die nun eher einem großen Friedhof glich.
Ein einziger Rundblick reichte aus um festzustellen, dass der Konflikt bereits verloren war. Praktisch alle Straßen und Gassen waren von Trümmern und Leichen übersät. Der Friedhof vor den Stadtmauern war unerreichbar geworden. Und die wenigen noch einsatzbereiten Soldaten reichten kaum mehr dafür aus, die Stadtmauern zu bemannen.
Wenn jetzt der letzte Sturmangriff mit Leitern erfolgen würde, wäre das Ende der Stadt mit all ihren noch verbliebenen Bewohnern besiegelt, denn die wenigen aktiven Verteidiger würden dabei einfach überrannt werden.
Das Königreich von Aratta hatte dem Sturm der Herrscher von Uruk nichts mehr entgegenzusetzen.
Das wusste man auch im Beratungsraum der königlichen Residenz, die wegen ihrer zentralen Lage auf einem Hügel im Stadtzentrum außerhalb der Reichweite der feindlichen Katapulte war. Der gesamte Hügel war von den Flüchtlingen aus der Stadt besetzt, die sich hier in Sicherheit glaubten. Auch die unteren Räume der Residenz waren für die Stadtbewohner geöffnet worden.
Die geballte Faust der Königin krachte gerade mit voller Wucht auf den Beratungstisch.
„Nein, diese Bedingungen sind völlig inakzeptabel! Umsiedlung! Tributzahlungen? Darüber brauchen wir nicht weiter zu diskutieren, denn das wäre gleichbedeutend mit dem Ende unserer Eigenständigkeit! Die wollen uns zu Sklaven und Marionetten ihres verfluchten Reiches machen!“
Die Stimmung hinter den erleuchteten Rundbogenfenstern des Palastes hatte einen Tiefpunkt erreicht, und aufgrund von tagelangem Schlafmangel reagierten auch alle Anwesenden äußerst gereizt. Der Stadtrat tagte seit Tagen permanent, um die Verteidigung der Stadt zu koordinieren. Eben waren die neuesten Entwicklungen zur Sprache gekommen. Vor allem die deutlichen Kapitulationsbedingungen der durch einen Boten überbrachten Tontafel der Aggressoren hatte zu einer hitzigen Debatte geführt, während der alle versammelten Stadträte schließlich sogar aufgestanden waren.
Demnach würden die Urukiden den Beschuss um Mitternacht einstellen. Dafür verlangten sie bis zum Abend des nächsten Tages die Einwilligung zu folgenden Forderungen:
- Öffnen der Stadttore.
- Übergabe aller Waffen.
- bedingungslose Anerkennung des Himmelskönigs von Uruk.
- Eingliederung von allen Städten der arattidischen Allianz in das göttliche Reich von Uruk.
- Absetzung der arattidischen Herrscherkaste.
- Umsiedlung der Hälfte aller Männer im kampffähigen Alter.
- Tributzahlungen in noch festzulegender Höhe.
Amaara Dasheeta, die Königin der ersten Arattidenallianz, war außer sich. Ihrem Titel nach war sie eine Inkaara, und damit als legitime Thronfolgerin und oberste Sonnenpriesterin weltliches und geistiges Oberhaupt sowohl für ihr eigenes Volk, als auch für die angrenzenden Kleinreiche ihrer Völkerallianz.
Sie war trotz ihrer zierlichen Gestalt eine starke und eindrucksvolle Persönlichkeit, nicht nur weil sie von jungen Jahren an gründlich in Nahkampftechniken unterwiesen worden war. Ihr Vater hatte immer sehr viel wert darauf gelegt. Nie hatte er sie spüren lassen, dass er vielleicht lieber einen Sohn als Thronerben gehabt hätte. Stets war sie für Gerechtigkeit eingetreten, und auch dem weit verbreitetem Sklavenhandel hatte sie immer eine klare Absage erteilt. Selbst unterprivilegierte Angehörige von Minderheiten durften frei entscheiden was sie arbeiten wollten. Das war bei weitem nicht selbstverständlich in dieser Zeit. Ihr Beliebtheitsgrad beim Volk war dementsprechend hoch.
Sie trug ihre blonden Haare nach Art des Volkes als rückwärtig geflochtenen Zopf. Viele Mitglieder ihres Volkes zeichneten sich durch eine helle Haarfarbe und einen helleren Hautton aus, und damit unterschieden sich schon rein äußerlich sowohl von den Völkern im Osten, als auch von den Bewohnern der westlichen Tiefebene der zwei Flüsse. Auf ihrem Kopf trug sie eine zierliche goldene Krone, und auch ihre grünlich schillernde Robe war reichlich mit Goldmustern bestickt. Außerdem trug sie einen aus wertvollen Goldfäden gesponnenen Umhang, unter dem sie stets zwei Nahkampfwaffen mit sich führte.
Betreten schwiegen all jene, die gerade noch wild durcheinander geredet hatten. Die heftige Debatte vorhin war ausgebrochen, als die Königin den Inhalt der letzten Tontafel erwähnt hatte, die ein Bote vorhin von der Stadtmauer gebracht hatte. Danach war nicht nur eine weitere Verstärkung der Urukiden eingetroffen, sondern sie hatten darin auch ihre Bedingungen für eine Kapitulation diktiert. Ihre Lage war zunehmend hoffnungslos. Sie waren den zahlenmäßig stark überlegenen Angreifern praktisch ausgeliefert.
Während die Belagerer vor den Toren der Stadt beständig weiter mit Männern und Material beliefert wurden, konnten sie selbst offensichtlich mit keinerlei Hilfe von außerhalb rechnen.
Einer der militärischen Berater der Königin versuchte die wesentlichen Punkte dieser Besprechung auf seinen weichen Tontafeln festzuhalten. Hektisch kritzelte er seine gekreuzten Linien in das weiche Material. Innerlich atmete er jetzt auf, denn dank der plötzlichen Gesprächspause konnte er in relativer Ruhe seinen Bericht weiter verfassen, ohne ständig auf alle möglichen Zwischenrufe hören zu müssen. Seine Tafeln waren stets eine wichtige Stütze für die Königin, die erst dadurch im Nachhinein die Möglichkeit erhielt bestimmte Punkte näher zu überdenken, die sonst während den Diskussionen einfach untergegangen wären.
Endlich ließ auch der Schreiber kurz seine Hand sinken und sah sich in der schweigsamen Runde um. Alle Personen starrten die Königin an, deren Faust immer noch wie eingefroren auf der Tischplatte lag.
Bei einem kurzen Blick durch die Fensteröffnung erkannte der Kenner der Gestirne einige der Sternkonstellationen, die zwischen den vorbeiziehenden Wolken immer wieder zu sehen waren. Unwillkürlich dachte er an Intikamaana, den hellsten Stern des Nachthimmels, der noch für weitere fünf Wochen unsichtbar bleiben würde.
Nach moderner Kalenderrechnung wäre jetzt der Frühsommer des Jahres 3123 vor Christus angebrochen. Doch hier in dieser Zeit hatte gerade die zweite Jahreszeit im elften Jahr der Regentschaft von Inkaara Amaara Dasheeta begonnen.
In fünf Wochen wäre das wichtige Neujahrsfest gefeiert worden, denn dann würde die kleine Schwester der Sonne als hellster Stern des Nachthimmels wieder erblühen, nachdem sie 70 Tage lang geschlafen hatte. Ihr Wiedererscheinen nach der Phase der Unsichtbarkeit wurde mit dem Beginn eines neuen Jahres der Herrschenden gleichgesetzt.
Doch höchstwahrscheinlich konnte dieses Fest, und damit auch der neue Jahresbeginn nicht mehr gefeiert werden, denn das selbstständige Weiterbestehen des arattidischen Königreiches der Berge schien plötzlich trotz aller Erfolge in Frage gestellt zu sein.
Der steinerne Sitz der Arattiden-Könige im Zentrum der Stadt war immer der große Stolz ihres Volkes gewesen, denn während selbst im hochmodernen Königreich von Uruk die meisten Gebäude und Paläste noch aus Lehmziegeln erbaut waren, besaßen die Handwerker von Aratta den Ruf wahre Meister der Steine zu sein. Sie hatten die gesamte Königsresidenz ausschließlich aus exakt geschnittenen und geschliffenen Steinen erbaut. Ein revolutionärer Einfall zu dieser Zeit, denn Stein machte die Gebäude weitaus stabiler. Und alles, was sie für ihre Arbeiten dazu brauchten, waren Seile und scharfkantiger Sand als Schleifmittel. In den Steinbrüchen der Umgebung lag der wahre Reichtum von Aratta. Dazu kamen die unerschöpflichen Kupfer-, Gold- und Silbervorkommen in den Bergen, und die zentrale Lage als Handelsknotenpunkt zwischen Ost und West.
Selbst ins weit entfernte Uruk waren bereits geschnittene und geschliffene Steine geliefert worden. Doch nun wollten sich die Urukiden offensichtlich alles holen.
Der Blick des Schreibers kehrte wieder in den Versammlungsraum der Könige zurück, und kreuzte sich kurz mit dem der Königin, die alle Anwesenden der Reihe nach ansah.
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Vergeblich hatte sie bisher auf Unterstützung durch ihre Allianzpartner gehofft. Doch es war nicht auszuschließen, dass sie aufgrund der massiven Bedrohung dazu einfach nicht in der Lage waren zu helfen. So versuchte sie nicht ihren doch eher schwachen Verbündeten die Schuld an der gegenwärtigen Lage zu geben, sondern machte sich selber Vorwürfe. Ihre eigene Unfähigkeit, stärker als ihre Feinde zu werden, hatte sie in diese Situation erst gebracht. Sie hatte es leider nicht geschafft, ihre Armee soweit aufzustocken, wie es nötig gewesen wäre. Vielleicht hätte doch die angebotene Unterstützung der Indushitenvölker des Ostens annehmen sollen, anstatt ausschließlich auf die Völker der engeren Umgebung zu bauen. Im Nachhinein war man immer klüger. Aufgrund der fehlenden militärischen Stärke waren sie ein viel zu leichtes Ziel für Eroberungsfeldzüge geworden.
Langsam zog die Königin ihre Faust wieder zurück, während sie ihren Blick auf die einzigen Gäste von außerhalb richtete, die hier in der Beratungsrunde anwesend waren. Es waren zwei Männer, welche die Bergstädte schon lange mit den begehrten Waren aus jenem Tiefland versorgten, aus dem auch die Belagerer kamen. Von diesen Männern hatte die Königin auch immer wieder wichtige Gerüchte und Erzählungen aus den Städten der Ebene gehört. Damit waren sie im Laufe der Zeit zu einer unverzichtbaren Informationsquelle geworden, auf die die Inkaara nicht mehr verzichten wollte, denn sie verfügten über ausgezeichnete Verbindungen zu sehr vielen mächtigen und einflussreichen Personen anderer Städte. Dazu zählte auch die mächtige Stadt Uruk selbst, die seit mehreren Jahren der gesamten Region ihren Stempel aufdrückte.
Der ältere von den beiden hörte auf den Namen Nuh-Ach. Er war ein einflussreicher und wohlhabender Händler aus der Stadt Akkad, der während des Überfalles gerade mit seinem Sohn Utna'a mitsamt Kamelkarawane in Aratta zu Besuch gewesen war. Er hatte vorhin zur hitzigen Diskussion massiv beigetragen, als er den Vorschlag gemacht hatte, sich doch den Urukiden einfach zu ergeben, wie es seine eigene Stadt bereits getan hatte um einen Vernichtungskrieg zu entgehen. Doch damit hatten sie natürlich ihre einstige Selbstständigkeit verloren. Auch Kämpfer aus Akkad standen vermutlich vor den Toren der Stadt, und hatten am tagelangen Bombardement mitgewirkt.
Gerade als die Königin den alten Händler zurechtweisen wollte, dass er als Gast nur der Höflichkeit wegen hier an diesem Tisch saß und eigentlich kein Mitspracherecht hatte, wurde sie von einem schabenden Geräusch neben sich abgelenkt, das nur wegen der plötzlichen Stille im Raum überhaupt zu hören war.
Sie wandte den Kopf und sah im Kerzenschein blitzende gewaltige Zähne in einem riesigen und weit aufgerissenem Maul.
Zu jener Zeit war es unter Königen und Herrschern üblich, sich von klein auf einen abgerichteten Kampflöwen zu halten, der immer bereit war seinen Herren oder auch seine Herrin zu verteidigen.
„Ruhig Kazeem! Gut, alles gut.“
Kazeem war der Löwe von Königin Dasheeta. Gemütlich lag er auf dem Holzboden, und hatte sich auch durch die heftige Debatte nicht aus der Ruhe bringen lassen. Die Königin hatte ihren Löwen stets unter Kontrolle. Das wussten auch die königlichen Wächter, die entlang der Wände verteilt standen, und mit ihren gefährlich aussehenden Doppelspitzenspeeren jederzeit ihre Königin verteidigen würden.
Auf den Zuruf der Königin hin ließ er sein Kiefer wieder zuklappen, und auch sein mächtiges Haupt zurück auf seine Vorderpranken sinken, um erneut seine scheinbar entspannte Position einzunehmen.
Doch seine zur Schau gestellte Trägheit konnte leicht darüber hinweg täuschen, dass die Großkatze so gut wie immer dazu bereit war, sich auf einen kurzen Zuruf seiner Herrin sofort auf jemanden zu stürzen, der ihr gefährlich werden konnte. Ein gut abgerichteter Kampflöwe durfte niemals unterschätzt werden.
Alle warteten darauf, dass die Königin wieder das Wort ergriff. Schließlich setzte sich einer der jungen Gruppenführer der arattidischen Armee, und trank demonstrativ einen Schluck Wasser, um die anderen zu motivieren sich ebenfalls wieder zu setzen.
Und auch der ebenfalls anwesende Sohn des akkadischen Händlers schloss sich ihm an, während sein Vater noch zusammen mit anderen Anwesenden weiterhin stehen blieben.
Die Königin hatte keine Ahnung ob die Urukiden von den anwesenden Händlern in der Stadt wussten. Doch wenn sie es wussten, so nahmen sie keine Rücksicht darauf. Warum auch? Sie waren nicht die einzigen Händler mit guten Verbindungen. Sie hatte gelernt auf die Vorschläge Nuh-Ach's zu hören, aber sie hatte auch gelernt niemandem ohne Wenn und Aber voll zu vertrauen.
Königin Dasheeta blickte in die Runde. Es war nun knapp nach Mitternacht, und das Bombardement war so wie auf der Tontafel angekündigt eingestellt worden. Endlich einmal eine kurze Atempause. Lange und ereignisreiche Tage lagen hinter ihnen, und vermutlich hatten bereits alle mit Müdigkeit zu kämpfen.
Bis morgen Abend würden die Urukiden vor der Stadt auf ihre Kapitulation, oder andersartige Antwort warten. Eine große Wahl würde sie dabei nicht haben.
Ein wenig ausgeruhter würde sich leichter weiter diskutieren lassen über die nächsten Schritte.
Dennoch blieben ihre Augen noch an den Gästen aus Akkad hängen.
„Meine Herren, ich weiß, das sie ein Ende der Kämpfe herbeisehnen wie wir alle. Aber ich bin eine Inkaara, und eine Inkaara beugt sich niemals!“
Nuh-Ach nickte ihr zu: „Verzeiht mir, und wenn ich Euch mit unüberlegter Wortwahl erzürnt haben sollte, so tut mir das ausgesprochen leid, Eure Erhabenheit. Ich möchte Euch in keiner Weise zu etwas drängen.
Aber dennoch möchte ich Euch sagen, dass mir die Bedingungen der Urukiden angesichts der geforderten Kapitulation nicht neu sind, denn ich kenne sie bereits aus meiner eigenen Vergangenheit. Auch Akkad, meine Heimatstadt, wollte sich zunächst nicht beugen, aber seit wir die Waffen abgegeben und uns in das Urukidenreich eingefügt haben, erblüht unsere Stadt wieder wie früher. Und heute sieht die akkadische Bevölkerung die Urukiden nicht mehr als Besatzer, sondern als Freunde an, die uns in Notzeiten auch beistehen würden.
Es ist die Zeit, Eure Erhabenheit, die manches in anderes Licht rückt. Meiner Erfahrung nach geht die Welt niemals unter, sondern es gibt immer einen Weg der weiterführt.
Auch wenn man manchmal dafür einen Schritt zurück gehen muss.“
Die Königin hatte den Ausführungen Nuh-Achs ohne ihn zu unterbrechen zugehört. Sie hatte ihn als intelligenten und umsichtigen Mann kennen und schätzen gelernt, und jedes mal wenn sich ihre Wege kreuzten, tauschten sie auch Gedanken aus. Er erinnerte sie an ihren Vater, der leider schon so früh gegangen war und eine Leere hinterlassen hatte, die sie seither vergeblich zu füllen versuchte.
„Und was, ehrenwerter Nuh-Ach, geschah mit den Leuten der alten Führung von Akkad?“
Absichtlich hatte sie nicht nur nach dem Schicksal des alten akkadischen Königs gefragt, denn sie wusste bereits, dass er die Übernahme der Stadt durch die Urukiden seinerzeit nicht überlebt hatte.
Nuh-Achs Blick wurde finster, aber er wurde einer Antwort enthoben, denn in diesem Moment erklang das Geräusch sich nähernder Schritte draußen auf dem Gang. Es war das Geräusch vieler Männer in festem Schuhwerk. Eindeutig Soldaten. Kein Vergleich mit den leisen Geräuschen der sonst so verbreiteten weichen Ledersandalen. Die Wache vor der Türe sagte etwas, doch schon mitten im Satz wurde das mächtige Doppeltor aufgerissen und ein Mann in voller Rüstung stürzte in den Raum hinein, gefolgt von weiteren Männern in Kampfmontur.
Das Doppeltor schwang auf und die Elitekämpfer des Arattidenreiches betraten den Raum, angeführt von einem weißhaarigen Mann, der jedoch keineswegs alt wirkte. Der Anführer an der Spitze seines Trupps war besonders breitschultrig, und seine Erscheinung war einschüchternd.
Bronzene Helme und Rüstungen glitzerten im Kerzenschein. Jeder Kämpfer trug mehrere Nahkampfwaffen sowie einen Sonnenschild, welcher das Wappen von Aratta trug, das sofort jedem Gegner klar machte woher diese Männer kamen.
Die Königin war sofort erleichtert, diese Männer zu sehen, denn sie hatte bereits auf ihre Rückkehr gewartet.
Der Kämpfer mit dem weißen Haar stand bereits seit über 10 Jahren in den Diensten der Arattiden, zu denen er einst übergelaufen war. Schon unter Königin Dasheetas Vater hatte er hier gedient. Mittlerweile war er der oberste Heerführer der arattidischen Streitkräfte. Vor den Mauern der Stadt stand sein früheres Volk, denn zuvor war er dort ein urukidischer Heerführer gewesen, der sich geweigert hatte sinnlose Tötungen an Zivilisten durchzuführen, und daher in Ungnade gefallen war.
Vor zwei Tagen hatte ihn die Königin durch die versteckten Höhlen im Untergrund zur Allianzstadt Kashak geschickt, um endlich Unterstützung zu holen. Die Inkaara blickte ihm nun erwartungsvoll entgegen. Hatte er die erhoffte Unterstützung mitbringen können?
Utna'a, der junge akkadische Sohn des Händlers, hatte die eintretenden Männer keine Sekunde aus den Augen gelassen. Sie wirkten irgendwie bedrohlich. Und die Tatsache, dass sie so ohne Ankündigung einfach eintreten konnten sagte ihm auch, dass sie über eine gewisse von der Königin tolerierte Macht verfügen mussten, zumindest der Anführer der Gruppe.
Er hatte noch nie die arattidische Kernkampftruppe aus der Nähe gesehen. Und an den Weißhaarigen würde er sich auch bestimmt erinnern. Er beugte sich ein wenig zu seinem Vater, von dem er wusste, dass er fast so etwas wie ein Berater der Königin war, und fragte leise:
„Wer ist das? Kennst Du diesen Mann, Vater? “
Nuh-Ach antwortete genauso leise.
„Das ist Taarokot Akaatem, seit zwei Jahren oberster Heerführer der Arattiden. Man nennt ihn den Silberlöwen, weil er einmal nur mit einem Dolch bewaffnet einen dieser riesigen seltenen Berglöwen getötet hat. Der Name ist irgendwie an ihm hängen geblieben.
Und er ist kein Arattide sondern war früher bei der urukidischen Armee. Königin Dasheeta hält viel von ihm, sonst wäre er als Überläufer auch niemals soweit aufgestiegen.“
Die verantwortlichen Leute der Stadt schienen die Spannung zu spüren die plötzlich in der Luft lag, denn wortlos räumten sie ihre Plätze, wichen zur Seite hin aus und machten somit Platz für die Krieger der Königin.
Der Silberlöwe kam erst kurz vor dem Beratungstisch zum Stehen, knapp dahinter gruppierten sich seine Männer. Es war eine beeindruckende Phalanx aus rot und braun gekleideten Männern, die immer noch ihre Helme trugen, und sich somitan ihrem charismatischen Anführer orientierten.
Taarokot Akaatem hielt Blickkontakt zu seiner Königin, der er seine starke Position verdankte.
Er wusste, dass sie auf seinen Bericht wartete, doch zunächst musste er etwas klären.
Anstatt seine Königin über das Ergebnis seiner jüngsten Unternehmung zu informieren hob er seine rechte Hand und zeigte auf die beiden Händler.
„Was haben diese Akkadier hier zu suchen?“
Königin Dasheeta wusste wie empfindlich der Silberlöwe manchmal auf die falschen Worte reagieren konnte, deshalb versuchte sie eine Situation zu entspannen, bevor diese irgendwie eskalieren konnte. Die Kunst einer Königin lag immer im Finden der richtigen Worte, um möglichst viele verschiedene Leute auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören, auch wenn ihre Mentalitäten bisweilen eine gute Zusammenarbeit eher erschwerten.
Leider war sie darin nicht immer so erfolgreich wie sie sich das wünschen würde.
„Das ist Nuh-Ach mit seinem Sohn Utna'a-Tap...“
Respektlos unterbrach der Heerführer seine Königin. Das war etwas, dass sich nur sehr wenige Untertanen erlauben durften.
„Ich weiß wer diese Männer sind, Königin. Das ändert nichts daran das sie hier im engsten Beraterkreis als Fremde nichts zu suchen haben. Sollten sie mir nicht augenblicklich aus den Augen gehen, lasse ich sie hinaus werfen!“
Der Blick des alten akkadischen Händlers wurde noch finsterer als er ohnehin schon war, als er darauf erwiderte: „Wir sind auf Einladung Eurer Königin hier. Und wenn ich mich recht entsinne, seid Ihr ebenso ein Fremder. Noch dazu ein Urukide. Und trotzdem befindet Ihr Euch hier in diesem Raum auf Geheiß der Königin, genau wie wir.“
Bei diesen Worten stockte allen Anwesenden der Atem. Der Händler hatte zweifellos die Wahrheit gesprochen, aber waren das auch die richtigen Worte gewesen?
Die Zeit schien einzufrieren und sich dabei unendlich zu dehnen. Niemand wagte sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, während gleichzeitig alle gespannt auf die Antwort des Silberlöwen warteten. Der Akkadier hatte ihn mit diesen Worten herausgefordert. Das war allen klar.
Und plötzlich war das sonst kaum hörbare Knistern der brennenden Kerzen so deutlich wie Trommelschläge zu vernehmen, die einen gnadenlosen Höhepunkt ankündigten.
Der weißhaarige Heerführer ließ unter lautem Getöse seinen Schild auf den Boden fallen und griff langsam – viel zu langsam wie es schien – nach seinem mächtigen Schwert mit der geschwungenen und beidseitig geschärften Schlangenklinge, und zog es mit einem schabendem Geräusch aus seiner Schwertscheide heraus.
Währenddessen ließ er den Händler, der es gewagt hatte ihn vor allen Anwesenden derart anzugreifen, keinen Sekundenbruchteil aus den Augen.
Dann setzte sich der Silberlöwe langsam in Bewegung. Schritt um Schritt kam er auf Nuh-Ach zu. Dabei senkte er die Schwertklinge soweit, dass die Spitze gerade in Höhe des Gesichtes verharrte.
Während der Heerführer beständig näher kam und niemand Anstalten machte einzugreifen, sprang der Sohn des Händlers auf. Aber nicht um sich vor seinen Vater zu stellen, sondern um sich hinter ihm zu verstecken, wie es schien.
Der alte Händler hingegen bewegte sich nicht und starrte ihm ebenso direkt entgegen.
Kurz bevor die Schwertspitze das Gesicht des Händlers berührte blieb der Silberlöwe stehen.
Sein Blick war finster, grimmig und entschlossen, aber dennoch konnte er keine Spur von Angst im Gesicht seines Gegenübers erkennen.
Entweder war der Akkadier mutiger als er zuerst gedacht hatte, oder aber nur dümmer.
Schließlich sagte der Silberlöwe zu dem Händler im Flüsterton, aber dennoch gut für alle hörbar:
„Seid vorsichtig, alter Mann.
Meine Laune ist schlecht, und mein Schwert dürstet nach Blut.
Ihr habt hier keine Stimme, und die Tatsache Eurer bloßen Existenz habt Ihr nur mir zu verdanken, denn ich habe mich seinerzeit geweigert Euch Akkadier alle abzuschlachten wie Schafe, als Strafe für Eure Starrköpfigkeit.“
Beide Männer starrten sich an. Dann antwortete der Händler im gleichen Tonfall,
„Nur zu, wenn Ihr jetzt nachholen wollt was Ihr damals verabsäumt habt, Urukide.“
Im letzten Wort schwang Verachtung mit. Schließlich waren es vor zehn Jahren die Urukiden gewesen, die Akkad angegriffen, nach langem Kampf erobert und in ihr Reich eingegliedert hatten.
Genau wie es die Urukiden jetzt mit Aratta vorhatten zu tun.
Natürlich war Taarokot Akaatem längst kein echter Urukide mehr. Seit er sich damals dafür entschieden hatte zu den Arattiden überzulaufen. Und seit damals hatte er versucht die Armee der Arattiden zu stärken. Letztlich wie man jetzt sah, waren seine Anstrengungen genau wie die der Königin vergeblich gewesen.
Taarokot Akaatem sog scharf die Luft ein. Es war schwer vorherzusehen wie er auf die provozierende Antwort des akkadischen Händlers reagieren würde. Das Schwert jedenfalls blieb drohend auf Gesichtshöhe. Da platzte der Königin der Kragen.
„Sofort aufhören damit! Alle beide. Taarokot, steckt Euer Schwert weg. Ich dulde nicht, dass ein Gast an meinem Tisch mit einer Waffe bedroht wird!
Und Ihr, Nuh-Ach, redet ab jetzt nur mehr wenn ich Euch dazu auffordere. Ihr seid Gast hier und steht unter meinem Schutz. Und hier werden keine alten Wunden aufgerissen. Wir haben bei allen Göttern genug andere Sorgen!
Habt Ihr das verstanden? Antwortet!“
EDIT : 10.12.2015 Grund: Einarbeitung der neuen Vorschläge
EDIT : 14.12.2015 Grund: Einfügen der drei Anfangszeilen über Ort, Zeit, und Handlung zum Zweck der besseren Übersicht in der Fortsetzungsgeschichte
EDIT : 15.12.2015 Grund: neue Formulierungen im Text und Covervorschlag
EDIT : 27.12.2015 Grund: Korrektur und neues Titelbild
EDIT : 5.1.2016 Grund: Neuformulierung der Anfangsszene mit der Mutter und den kleinen Kindern
EDIT : 6.1.2016 Grund: Neuformulierung der Inhaltsangabe oder Einleitung
EDIT : 22.1.2016 Grund: Hinweis auf die aktuelle Version
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Ich zeige Euch hier einmal den ersten Ausschnitt eines Werkes, an dem ich seit drei Jahren arbeite, und das immer noch lange nicht fertig ist.
Es ist eine epische Geschichte über das Leben an sich. Und es geht dabei um unsere eigene Welt, die Erde. Die Story beginnt über 5000 Jahre in der Vergangenheit. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich die alten Götter gerade von der Erde zurückziehen wollen.
Doch dann passieren entscheidende Dinge, welche das Leben der Menschen bis auf den heutigen Tag formen.
Es geht um Magie, Zauberer, Götter, Dämonen, Drachen, fremde und bekannte Menschenvölker, sowie Existenzen, von denen wir nicht einmal ahnen, dass sie bis auf den heutigen Tag immer noch unter uns weilen!
Doch ich beginne mal einfach, und freue mich schon jetzt auf Reaktionen, welcher Art auch immer...
DIE BLUTKRISTALLKRIEGE
BUCH 1
Ein Volk auf der Flucht - und ein Mythos wird geboren
Über all Dein Wissen vergiss nicht die Phantasie -
denn Wissen ist begrenzt !
(Albert Einstein)
INHALTSANGABE :
Ein Sturm zieht auf.
5000 Jahre vor unserer Zeitrechnung ist die ganze Welt im Wandel.
Die alten Götter, welche die Menschen in die Zivilisation geführt haben, stehen vor neuen Herausforderungen, denn ein mächtiger alter Feind aus den Tiefen des Raumes taucht auf,
und der Kampf um die Vorherrschaft der Mächtigen in der Galaxis beginnt von Neuem!
Zum Brennpunkt der aktuellen Geschehnisse wird dabei ein kleiner unbedeutender Planet im galaktischen Randbereich, auf dem es zum entscheidenden Zusammentreffen der neuen Kontrahenten kommt.
Hier, auf dem Planeten der Menschen, ist gerade die Epoche der neuen Stadtstaaten angebrochen.
Aber es ist keine friedliche Zeit, denn zwischen den einzelnen Menschenvölkern toben ständige lokale Kriege um Macht, Einfluss und Land.
Doch während die Rasse der Götter versucht, die bisherige Ordnung aufrecht zu halten, ist die Saat der Zerstörung bereits gelegt. Und als ein Verräter aus den eigenen Reihen das Unheil in Gang setzt, müssen die Berater der Menschheit ohnmächtig zur Kenntnis nehmen, dass diesmal ihr endgültiger Untergang droht.
Die Rettung aus all dem Chaos könnte jedoch gerade in der Hand einer vertriebenen menschlichen Königin liegen, die zufällig ein beschädigtes göttliches Artefakt in ihren Besitz bringen kann, das niemals für die Hände der Menschen geschaffen wurde.
Sie beginnt inmitten des erbarmungslosen Kampfes der Mächtigen einen Exodus, der sie und ihr Volk weit über die Grenzen aller bekannten Länder hinaus bringen wird. Und entgegen aller Wahrscheinlichkeiten könnte sie dabei jenen Ort erreichen, zu dem selbst die alten Götter niemals Zutritt gehabt haben.
Damit beginnt ein beispielloses Abenteuer, dessen Auswirkungen durch alle Epochen hindurch bis in unsere Zeit hinein reichen – und sogar noch darüber hinaus!
Die Blutkristallerzählung zeigt den Aufbruch der Menschheit aus einer völlig neuen Perspektive, denn die Geschichte der Menschheit ist eine nähere Betrachtung wert.
PROLOG:
Ort: Bergland im heutigen Iran
Zeit: 3123 vor Christus
Handlung: Beginn der Waffenruhe während des Angriffes auf Aratta durch die vereinte Armee von Uruk
Unsere Welt vor über 5000 Jahren...
Gleich einem wütenden Gott der Unterwelt raste das flammende Geschoss über die Stadtmauer hinweg, und krachte in eine bereits beschädigte Steinwand eines der Häuser. Kinder schrien sofort erschreckt auf. Die ohnehin bereits gelockerten Holzbalken der Dachkonstruktion wurden durch den Einschlag endgültig aus ihrer Verankerung gerissen, und stürzten nun zusammen mit den ölgetränkten brennenden Teilen der Strohkugel ins Innere der Ruine. Für die Menschen in der Stadt wurde die Situation immer schlimmer, denn der einzige Bereich in der Stadtmitte, der nicht in Reichweite der rundum aufgestellten Katapulte der Feinde lag, war bereits nach dem tagelangen Bombardement völlig überfüllt. Selbst im zentralen Palast der Könige war beim besten Willen kein Platz mehr für zusätzliche Menschen.
Eine Mutter hatte sich mit ihren zwei kleinen Buben genau hier in dieser zwar bereits beschädigten, aber dennoch recht stabil aussehenden Gebäuderuine in Sicherheit gedacht, doch nun wurde das vermeintlich sichere Versteck plötzlich zur Todesfalle.
Die Frau reagierte schnell und geistesgegenwärtig, denn sie zog ihre beiden kleinen Buben sofort zur Türöffnung, doch die Dachbalken kamen schneller herab als gedacht. Geschickt schubste sie ihre Kinder durch die fallenden Bauteile nach draußen, weil die gesamte Dachkonstruktion nach Innen zu stürzen drohte. Sie selbst kam nicht mehr durch, weil immer mehr Schutt von oben herab kam.
„Lauft, Kinder!“
Die Kleinen stolperten verwirrt und panisch vor Angst nach draußen.
„Mama!“
Die Frau schrie noch kurz um Hilfe, bevor sie sich vor den fallenden Balken zurückziehen musste, denn sie wusste in vielen umliegenden Ruinen Menschen, die sich genau wie sie vor dem Bombardement versteckten. Ihre Kinder brauchten Schutz, während sie nach einem anderen Ausweg aus der nun einsturzgefährdeten Ruine suchen musste.
Ständig regneten Trümmerteile in den Raum hinein, und versperrten der Frau damit den Weg in die Freiheit. So schnell wie möglich stolperte sie in eine rückwärtige Wandnische, um nicht begraben zu werden. Gerade noch rechtzeitig, denn nun krachte das ganze Dach durch die bereits durch einen vorherigen Treffer beschädigte Zwischendecke nach unten.
Einige Balken und Bretter brannten noch dazu, und beißender Rauch vermischte sich sofort mit der aufsteigenden Staubwolke. Von irgendwo draußen hörte sie ihre Kinder verzweifelt rufen:
„Mama! Mama!“
Hoffentlich blieben die Kinder auf Abstand. Wo waren nur die Nachbarn? Durch all den Rauch und das Prasseln von auflodernden Flammen schrie sie hinaus:
„Bleibt draußen, Kinder! Ich komme schon!“ Sie hatte Angst davor, dass ihre Kinder auch auf der Straße durch einstürzende Wände begraben werden könnten. Gehetzt sah sie sich um. Die restlichen Wände schienen stehen zu bleiben. Zumindest für den Augenblick noch. Sie hatte den teilweisen Einsturz des Gebäudes wie durch ein Wunder überlebt. Jetzt musste sie aber irgendwie hinaus.
Da fiel ihr eine kleine Fensteröffnung im angrenzenden Raum ein, durch die sie sich eventuell zwängen könnte. Sofort stieg sie über den Schuttberg in Richtung der Durchgangsöffnung zum Nebenraum, der einmal eine Kochstelle mit stabilen Kamin gewesen war. In der Hektik rutschte sie auf schief liegenden Steinplatten aus und schabte sich die Haut des rechten Beines auf. Blut lief ihr hinunter bis zu den Zehen, doch sie konnte darauf jetzt keine Rücksicht nehmen.
„Mama!“
Ein Hustenanfall verhinderte eine erneute Antwort von ihr. Die Mischung aus Staub und Rauch reizte ihre Atemwege. Bei allen Göttern, wieso musste es jetzt auch noch brennen? Die brennbaren Stoffe des Geschosses hatten das trockene Holz des Gebäudes entzündet, und jetzt lag dieses Holz unten im Innenraum zwischen all den anderen Trümmern.
Die Türöffnung zum Nebenraum war dank der Schutzgötter immer noch passierbar. Dahinter war es merklich düsterer, denn es gab nur die kleine Öffnung in der Außenwand, vor der eine Decke hing.
Durch die Mischung aus Staub und Rauch zeichnete sich als verwaschener etwas hellerer Fleck die Öffnung ab. Ihre Augen begannen zu tränen. Auch hier lagen Steine und Holzstücke überall verstreut, doch dieser Raum war bereits durch einen vorhergehenden Einschlag verwüstet worden. Der gesamte erste Stock war durch die Decke gebrochen, doch der Weg zum Fenster müsste zu schaffen sein.
„Hallo, sind Sie noch dort drinnen?“
Eine männliche Stimme von draußen. Sie war nicht mehr alleine! Den Göttern sei Dank.
„Ja, ich komme!“
Über ihr rumorte es verdächtig.
„Mama! Schnell! Mama!“
Bloß kein weiterer Einsturz jetzt.
Die männliche Stimme versuchte vergeblich ihre Kinder zu beruhigen: „Zurück, Kinder. Eure Mama kommt schon. Nimm sie mir ab!“ Offensichtlich waren mehrere Erwachsene auf der Straße. Gut so!
Sie nahm all ihre Kräfte zusammen, ignorierte das schmerzende Bein, und kletterte so schnell wie möglich über den Schutt auf dem Boden, doch plötzlich krachte einer der lockeren Deckenbalken hinunter, genau auf sie! Der Länge nach fiel sie auf die kantigen Steine unter ihr und schrie dabei auf. Eine Schmerzwelle zuckte durch ihren Körper. Die Kinder mussten sie gehört haben, denn sie schrien sofort hysterisch auf: „Mama! Mama!“
„Beeilen Sie sich! Das ganze Haus wird einstürzen!“
Davon war sie mittlerweile überzeugt, doch sie konnte sich nicht mehr frei bewegen!
Ein Blick zurück bestätigte ihre Befürchtung. Der massive Holzbalken lag quer über ihre Beine und hatte sie eingeklemmt. Ihr schmutziges Kleid färbte sich durch ihr Blut immer mehr rot.
Mit der Kraft der Verzweiflung versuchte sie ihre Beine unter dem Balken hervorzuziehen. Dabei mobilisierte sie ungeahnte Kräfte. Und tatsächlich konnte sie ihre Beine irgendwie herausreißen. Sofort versuchte sie aufzustehen, doch sie knickte gleich wieder ein.
Nein, nein nein, kein Beinbruch jetzt! Mit den Händen zog sie sich in Richtung der Wandöffnung, die ihr nun fast unerreichbar hoch erschien. Da knackte es ober ihr. Und gleich noch einmal. Trotz der Schmerzen zwang sie sich, auf die Beine zu kommen. Taumelnd und wankend kam sie so zwei Schritte vorwärts. Wieso war der Raum plötzlich so groß?
Der Rest des Zwischenstockwerkes wölbte sich nach unten und gab schließlich nach. Zahllose Trümmer regneten auf die hilflose Frau herab. Ein großer Stein traf sie an der Schulter. Ein Weiterer verletzte sie an der Hüfte. Wieder fiel sie auf den Boden.
„Mama ...!“
„Das Haus stützt ein!“
Sie konnte nicht mehr weiter. Ein letzter Gedanke galt noch ihren Kindern. Waren sie sicher? Was würde aus ihnen werden...
„Ich hab Euch lieb!“, schrie sie in ihrer Verzweiflung hinaus. Dann kam eine wahre Steinlawine auf sie herab.
Sie spürte einen heftigen Schlag auf ihren Rücken. Das Atmen fiel ihr schwer. Der nächste Treffer auf den Kopf löschte ihr Bewusstsein aus. Der Rest des Hauses stürzte in sich zusammen, und die Frau wurde unter dem rauchendem Haufen begraben.
Starke Arme zogen die verzweifelten Kinder aus der Gefahrenzone. Ein Weinkrampf schüttelte die beiden kleinen Körper. Einige Erwachsene nahmen die zu ihrer verschütteten Mama drängenden kleinen Buben auf und schoben sie weiter fort von der einstürzenden Ruine.
Eine raue männliche Stimme erscholl: „Götter, wann hört dieser Wahnsinn endlich auf! Los, dort hinein mit Euch!“
Die Kinder wurden von starken Händen gepackt und in irgend eine Öffnung weitergeschoben, wo andere Erwachsene sie abnahmen. Willenlos ließen sie alles mit sich geschehen. Sie verstanden die Welt nicht mehr. Wo war bloß ihre Mama? Hatten die Götter sie jetzt zu sich geholt? Die beiden Buben hielten sich fest umklammert und schluchzten, während sie von Erwachsenen in irgendein unterirdisches Versteck gebracht wurden.
Die zufällig vorbei gekommenen Männer blickten nach oben und sahen wie eine weitere Wolke aus Staub und Rauch in den nächtlichen Himmel aufstieg, die den zunehmenden Mond über der Stadt weiter verdunkelte. Von der einst so stolzen Königsresidenz war nur mehr ein Skelett ihrer selbst übrig. Die verzweifelten Menschen in der Stadt hatten diesen ständigen Angriffen durch die vor der Stadtmauer aufgestellten Kriegsmaschinen nichts mehr entgegenzustellen. Aufgabe des Trupps war es die Straßen nach Überlebenden abzusuchen, doch meist fanden sie nur Leichen. Wenigstens waren die beiden Kinder nun in relativer Sicherheit.
Wenigstens ein kleiner Erfolg in diesen dunklen Stunden der Allianz.
Der Klang der feindlichen Signalhörner ersetzte das Geräusch der einstürzenden Wände des zuletzt getroffenen Gebäudes. In dieser Art organisierten sich die gnadenlosen Belagerer, welche die Stadt bereits vor einer Woche blitzartig eingeschlossen und sie seither bombardiert hatten.
Und trotz all des Leides schöpften die gepeinigten Menschen bei Ertönen dieses durchdringenden Signals wieder ein klein wenig Hoffnung, denn die Nachricht einer ausgehandelten Feuerpause um Mitternacht hatte vorhin die Runde gemacht. Nun schien es tatsächlich soweit zu sein.
Die Menschen richteten ihre Blicke in den bewölkten Nachthimmel, und suchten nach Anzeichen eines weiteren anfliegenden Brockens, der wieder in ihre Häuser krachen würde, doch es kam nichts mehr dergleichen.
Die übermächtige Belagerungsarmee vor den Toren schien damit Wort zu halten. Feuerpause für einen vollen Tag als Bedenkzeit zur verlangten Kapitulation für die Bewohner der Stadt, die nun eher einem großen Friedhof glich.
Ein einziger Rundblick reichte aus um festzustellen, dass der Konflikt bereits verloren war. Praktisch alle Straßen und Gassen waren von Trümmern und Leichen übersät. Der Friedhof vor den Stadtmauern war unerreichbar geworden. Und die wenigen noch einsatzbereiten Soldaten reichten kaum mehr dafür aus, die Stadtmauern zu bemannen.
Wenn jetzt der letzte Sturmangriff mit Leitern erfolgen würde, wäre das Ende der Stadt mit all ihren noch verbliebenen Bewohnern besiegelt, denn die wenigen aktiven Verteidiger würden dabei einfach überrannt werden.
Das Königreich von Aratta hatte dem Sturm der Herrscher von Uruk nichts mehr entgegenzusetzen.
Das wusste man auch im Beratungsraum der königlichen Residenz, die wegen ihrer zentralen Lage auf einem Hügel im Stadtzentrum außerhalb der Reichweite der feindlichen Katapulte war. Der gesamte Hügel war von den Flüchtlingen aus der Stadt besetzt, die sich hier in Sicherheit glaubten. Auch die unteren Räume der Residenz waren für die Stadtbewohner geöffnet worden.
Die geballte Faust der Königin krachte gerade mit voller Wucht auf den Beratungstisch.
„Nein, diese Bedingungen sind völlig inakzeptabel! Umsiedlung! Tributzahlungen? Darüber brauchen wir nicht weiter zu diskutieren, denn das wäre gleichbedeutend mit dem Ende unserer Eigenständigkeit! Die wollen uns zu Sklaven und Marionetten ihres verfluchten Reiches machen!“
Die Stimmung hinter den erleuchteten Rundbogenfenstern des Palastes hatte einen Tiefpunkt erreicht, und aufgrund von tagelangem Schlafmangel reagierten auch alle Anwesenden äußerst gereizt. Der Stadtrat tagte seit Tagen permanent, um die Verteidigung der Stadt zu koordinieren. Eben waren die neuesten Entwicklungen zur Sprache gekommen. Vor allem die deutlichen Kapitulationsbedingungen der durch einen Boten überbrachten Tontafel der Aggressoren hatte zu einer hitzigen Debatte geführt, während der alle versammelten Stadträte schließlich sogar aufgestanden waren.
Demnach würden die Urukiden den Beschuss um Mitternacht einstellen. Dafür verlangten sie bis zum Abend des nächsten Tages die Einwilligung zu folgenden Forderungen:
- Öffnen der Stadttore.
- Übergabe aller Waffen.
- bedingungslose Anerkennung des Himmelskönigs von Uruk.
- Eingliederung von allen Städten der arattidischen Allianz in das göttliche Reich von Uruk.
- Absetzung der arattidischen Herrscherkaste.
- Umsiedlung der Hälfte aller Männer im kampffähigen Alter.
- Tributzahlungen in noch festzulegender Höhe.
Amaara Dasheeta, die Königin der ersten Arattidenallianz, war außer sich. Ihrem Titel nach war sie eine Inkaara, und damit als legitime Thronfolgerin und oberste Sonnenpriesterin weltliches und geistiges Oberhaupt sowohl für ihr eigenes Volk, als auch für die angrenzenden Kleinreiche ihrer Völkerallianz.
Sie war trotz ihrer zierlichen Gestalt eine starke und eindrucksvolle Persönlichkeit, nicht nur weil sie von jungen Jahren an gründlich in Nahkampftechniken unterwiesen worden war. Ihr Vater hatte immer sehr viel wert darauf gelegt. Nie hatte er sie spüren lassen, dass er vielleicht lieber einen Sohn als Thronerben gehabt hätte. Stets war sie für Gerechtigkeit eingetreten, und auch dem weit verbreitetem Sklavenhandel hatte sie immer eine klare Absage erteilt. Selbst unterprivilegierte Angehörige von Minderheiten durften frei entscheiden was sie arbeiten wollten. Das war bei weitem nicht selbstverständlich in dieser Zeit. Ihr Beliebtheitsgrad beim Volk war dementsprechend hoch.
Sie trug ihre blonden Haare nach Art des Volkes als rückwärtig geflochtenen Zopf. Viele Mitglieder ihres Volkes zeichneten sich durch eine helle Haarfarbe und einen helleren Hautton aus, und damit unterschieden sich schon rein äußerlich sowohl von den Völkern im Osten, als auch von den Bewohnern der westlichen Tiefebene der zwei Flüsse. Auf ihrem Kopf trug sie eine zierliche goldene Krone, und auch ihre grünlich schillernde Robe war reichlich mit Goldmustern bestickt. Außerdem trug sie einen aus wertvollen Goldfäden gesponnenen Umhang, unter dem sie stets zwei Nahkampfwaffen mit sich führte.
Betreten schwiegen all jene, die gerade noch wild durcheinander geredet hatten. Die heftige Debatte vorhin war ausgebrochen, als die Königin den Inhalt der letzten Tontafel erwähnt hatte, die ein Bote vorhin von der Stadtmauer gebracht hatte. Danach war nicht nur eine weitere Verstärkung der Urukiden eingetroffen, sondern sie hatten darin auch ihre Bedingungen für eine Kapitulation diktiert. Ihre Lage war zunehmend hoffnungslos. Sie waren den zahlenmäßig stark überlegenen Angreifern praktisch ausgeliefert.
Während die Belagerer vor den Toren der Stadt beständig weiter mit Männern und Material beliefert wurden, konnten sie selbst offensichtlich mit keinerlei Hilfe von außerhalb rechnen.
Einer der militärischen Berater der Königin versuchte die wesentlichen Punkte dieser Besprechung auf seinen weichen Tontafeln festzuhalten. Hektisch kritzelte er seine gekreuzten Linien in das weiche Material. Innerlich atmete er jetzt auf, denn dank der plötzlichen Gesprächspause konnte er in relativer Ruhe seinen Bericht weiter verfassen, ohne ständig auf alle möglichen Zwischenrufe hören zu müssen. Seine Tafeln waren stets eine wichtige Stütze für die Königin, die erst dadurch im Nachhinein die Möglichkeit erhielt bestimmte Punkte näher zu überdenken, die sonst während den Diskussionen einfach untergegangen wären.
Endlich ließ auch der Schreiber kurz seine Hand sinken und sah sich in der schweigsamen Runde um. Alle Personen starrten die Königin an, deren Faust immer noch wie eingefroren auf der Tischplatte lag.
Bei einem kurzen Blick durch die Fensteröffnung erkannte der Kenner der Gestirne einige der Sternkonstellationen, die zwischen den vorbeiziehenden Wolken immer wieder zu sehen waren. Unwillkürlich dachte er an Intikamaana, den hellsten Stern des Nachthimmels, der noch für weitere fünf Wochen unsichtbar bleiben würde.
Nach moderner Kalenderrechnung wäre jetzt der Frühsommer des Jahres 3123 vor Christus angebrochen. Doch hier in dieser Zeit hatte gerade die zweite Jahreszeit im elften Jahr der Regentschaft von Inkaara Amaara Dasheeta begonnen.
In fünf Wochen wäre das wichtige Neujahrsfest gefeiert worden, denn dann würde die kleine Schwester der Sonne als hellster Stern des Nachthimmels wieder erblühen, nachdem sie 70 Tage lang geschlafen hatte. Ihr Wiedererscheinen nach der Phase der Unsichtbarkeit wurde mit dem Beginn eines neuen Jahres der Herrschenden gleichgesetzt.
Doch höchstwahrscheinlich konnte dieses Fest, und damit auch der neue Jahresbeginn nicht mehr gefeiert werden, denn das selbstständige Weiterbestehen des arattidischen Königreiches der Berge schien plötzlich trotz aller Erfolge in Frage gestellt zu sein.
Der steinerne Sitz der Arattiden-Könige im Zentrum der Stadt war immer der große Stolz ihres Volkes gewesen, denn während selbst im hochmodernen Königreich von Uruk die meisten Gebäude und Paläste noch aus Lehmziegeln erbaut waren, besaßen die Handwerker von Aratta den Ruf wahre Meister der Steine zu sein. Sie hatten die gesamte Königsresidenz ausschließlich aus exakt geschnittenen und geschliffenen Steinen erbaut. Ein revolutionärer Einfall zu dieser Zeit, denn Stein machte die Gebäude weitaus stabiler. Und alles, was sie für ihre Arbeiten dazu brauchten, waren Seile und scharfkantiger Sand als Schleifmittel. In den Steinbrüchen der Umgebung lag der wahre Reichtum von Aratta. Dazu kamen die unerschöpflichen Kupfer-, Gold- und Silbervorkommen in den Bergen, und die zentrale Lage als Handelsknotenpunkt zwischen Ost und West.
Selbst ins weit entfernte Uruk waren bereits geschnittene und geschliffene Steine geliefert worden. Doch nun wollten sich die Urukiden offensichtlich alles holen.
Der Blick des Schreibers kehrte wieder in den Versammlungsraum der Könige zurück, und kreuzte sich kurz mit dem der Königin, die alle Anwesenden der Reihe nach ansah.
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Vergeblich hatte sie bisher auf Unterstützung durch ihre Allianzpartner gehofft. Doch es war nicht auszuschließen, dass sie aufgrund der massiven Bedrohung dazu einfach nicht in der Lage waren zu helfen. So versuchte sie nicht ihren doch eher schwachen Verbündeten die Schuld an der gegenwärtigen Lage zu geben, sondern machte sich selber Vorwürfe. Ihre eigene Unfähigkeit, stärker als ihre Feinde zu werden, hatte sie in diese Situation erst gebracht. Sie hatte es leider nicht geschafft, ihre Armee soweit aufzustocken, wie es nötig gewesen wäre. Vielleicht hätte doch die angebotene Unterstützung der Indushitenvölker des Ostens annehmen sollen, anstatt ausschließlich auf die Völker der engeren Umgebung zu bauen. Im Nachhinein war man immer klüger. Aufgrund der fehlenden militärischen Stärke waren sie ein viel zu leichtes Ziel für Eroberungsfeldzüge geworden.
Langsam zog die Königin ihre Faust wieder zurück, während sie ihren Blick auf die einzigen Gäste von außerhalb richtete, die hier in der Beratungsrunde anwesend waren. Es waren zwei Männer, welche die Bergstädte schon lange mit den begehrten Waren aus jenem Tiefland versorgten, aus dem auch die Belagerer kamen. Von diesen Männern hatte die Königin auch immer wieder wichtige Gerüchte und Erzählungen aus den Städten der Ebene gehört. Damit waren sie im Laufe der Zeit zu einer unverzichtbaren Informationsquelle geworden, auf die die Inkaara nicht mehr verzichten wollte, denn sie verfügten über ausgezeichnete Verbindungen zu sehr vielen mächtigen und einflussreichen Personen anderer Städte. Dazu zählte auch die mächtige Stadt Uruk selbst, die seit mehreren Jahren der gesamten Region ihren Stempel aufdrückte.
Der ältere von den beiden hörte auf den Namen Nuh-Ach. Er war ein einflussreicher und wohlhabender Händler aus der Stadt Akkad, der während des Überfalles gerade mit seinem Sohn Utna'a mitsamt Kamelkarawane in Aratta zu Besuch gewesen war. Er hatte vorhin zur hitzigen Diskussion massiv beigetragen, als er den Vorschlag gemacht hatte, sich doch den Urukiden einfach zu ergeben, wie es seine eigene Stadt bereits getan hatte um einen Vernichtungskrieg zu entgehen. Doch damit hatten sie natürlich ihre einstige Selbstständigkeit verloren. Auch Kämpfer aus Akkad standen vermutlich vor den Toren der Stadt, und hatten am tagelangen Bombardement mitgewirkt.
Gerade als die Königin den alten Händler zurechtweisen wollte, dass er als Gast nur der Höflichkeit wegen hier an diesem Tisch saß und eigentlich kein Mitspracherecht hatte, wurde sie von einem schabenden Geräusch neben sich abgelenkt, das nur wegen der plötzlichen Stille im Raum überhaupt zu hören war.
Sie wandte den Kopf und sah im Kerzenschein blitzende gewaltige Zähne in einem riesigen und weit aufgerissenem Maul.
Zu jener Zeit war es unter Königen und Herrschern üblich, sich von klein auf einen abgerichteten Kampflöwen zu halten, der immer bereit war seinen Herren oder auch seine Herrin zu verteidigen.
„Ruhig Kazeem! Gut, alles gut.“
Kazeem war der Löwe von Königin Dasheeta. Gemütlich lag er auf dem Holzboden, und hatte sich auch durch die heftige Debatte nicht aus der Ruhe bringen lassen. Die Königin hatte ihren Löwen stets unter Kontrolle. Das wussten auch die königlichen Wächter, die entlang der Wände verteilt standen, und mit ihren gefährlich aussehenden Doppelspitzenspeeren jederzeit ihre Königin verteidigen würden.
Auf den Zuruf der Königin hin ließ er sein Kiefer wieder zuklappen, und auch sein mächtiges Haupt zurück auf seine Vorderpranken sinken, um erneut seine scheinbar entspannte Position einzunehmen.
Doch seine zur Schau gestellte Trägheit konnte leicht darüber hinweg täuschen, dass die Großkatze so gut wie immer dazu bereit war, sich auf einen kurzen Zuruf seiner Herrin sofort auf jemanden zu stürzen, der ihr gefährlich werden konnte. Ein gut abgerichteter Kampflöwe durfte niemals unterschätzt werden.
Alle warteten darauf, dass die Königin wieder das Wort ergriff. Schließlich setzte sich einer der jungen Gruppenführer der arattidischen Armee, und trank demonstrativ einen Schluck Wasser, um die anderen zu motivieren sich ebenfalls wieder zu setzen.
Und auch der ebenfalls anwesende Sohn des akkadischen Händlers schloss sich ihm an, während sein Vater noch zusammen mit anderen Anwesenden weiterhin stehen blieben.
Die Königin hatte keine Ahnung ob die Urukiden von den anwesenden Händlern in der Stadt wussten. Doch wenn sie es wussten, so nahmen sie keine Rücksicht darauf. Warum auch? Sie waren nicht die einzigen Händler mit guten Verbindungen. Sie hatte gelernt auf die Vorschläge Nuh-Ach's zu hören, aber sie hatte auch gelernt niemandem ohne Wenn und Aber voll zu vertrauen.
Königin Dasheeta blickte in die Runde. Es war nun knapp nach Mitternacht, und das Bombardement war so wie auf der Tontafel angekündigt eingestellt worden. Endlich einmal eine kurze Atempause. Lange und ereignisreiche Tage lagen hinter ihnen, und vermutlich hatten bereits alle mit Müdigkeit zu kämpfen.
Bis morgen Abend würden die Urukiden vor der Stadt auf ihre Kapitulation, oder andersartige Antwort warten. Eine große Wahl würde sie dabei nicht haben.
Ein wenig ausgeruhter würde sich leichter weiter diskutieren lassen über die nächsten Schritte.
Dennoch blieben ihre Augen noch an den Gästen aus Akkad hängen.
„Meine Herren, ich weiß, das sie ein Ende der Kämpfe herbeisehnen wie wir alle. Aber ich bin eine Inkaara, und eine Inkaara beugt sich niemals!“
Nuh-Ach nickte ihr zu: „Verzeiht mir, und wenn ich Euch mit unüberlegter Wortwahl erzürnt haben sollte, so tut mir das ausgesprochen leid, Eure Erhabenheit. Ich möchte Euch in keiner Weise zu etwas drängen.
Aber dennoch möchte ich Euch sagen, dass mir die Bedingungen der Urukiden angesichts der geforderten Kapitulation nicht neu sind, denn ich kenne sie bereits aus meiner eigenen Vergangenheit. Auch Akkad, meine Heimatstadt, wollte sich zunächst nicht beugen, aber seit wir die Waffen abgegeben und uns in das Urukidenreich eingefügt haben, erblüht unsere Stadt wieder wie früher. Und heute sieht die akkadische Bevölkerung die Urukiden nicht mehr als Besatzer, sondern als Freunde an, die uns in Notzeiten auch beistehen würden.
Es ist die Zeit, Eure Erhabenheit, die manches in anderes Licht rückt. Meiner Erfahrung nach geht die Welt niemals unter, sondern es gibt immer einen Weg der weiterführt.
Auch wenn man manchmal dafür einen Schritt zurück gehen muss.“
Die Königin hatte den Ausführungen Nuh-Achs ohne ihn zu unterbrechen zugehört. Sie hatte ihn als intelligenten und umsichtigen Mann kennen und schätzen gelernt, und jedes mal wenn sich ihre Wege kreuzten, tauschten sie auch Gedanken aus. Er erinnerte sie an ihren Vater, der leider schon so früh gegangen war und eine Leere hinterlassen hatte, die sie seither vergeblich zu füllen versuchte.
„Und was, ehrenwerter Nuh-Ach, geschah mit den Leuten der alten Führung von Akkad?“
Absichtlich hatte sie nicht nur nach dem Schicksal des alten akkadischen Königs gefragt, denn sie wusste bereits, dass er die Übernahme der Stadt durch die Urukiden seinerzeit nicht überlebt hatte.
Nuh-Achs Blick wurde finster, aber er wurde einer Antwort enthoben, denn in diesem Moment erklang das Geräusch sich nähernder Schritte draußen auf dem Gang. Es war das Geräusch vieler Männer in festem Schuhwerk. Eindeutig Soldaten. Kein Vergleich mit den leisen Geräuschen der sonst so verbreiteten weichen Ledersandalen. Die Wache vor der Türe sagte etwas, doch schon mitten im Satz wurde das mächtige Doppeltor aufgerissen und ein Mann in voller Rüstung stürzte in den Raum hinein, gefolgt von weiteren Männern in Kampfmontur.
Das Doppeltor schwang auf und die Elitekämpfer des Arattidenreiches betraten den Raum, angeführt von einem weißhaarigen Mann, der jedoch keineswegs alt wirkte. Der Anführer an der Spitze seines Trupps war besonders breitschultrig, und seine Erscheinung war einschüchternd.
Bronzene Helme und Rüstungen glitzerten im Kerzenschein. Jeder Kämpfer trug mehrere Nahkampfwaffen sowie einen Sonnenschild, welcher das Wappen von Aratta trug, das sofort jedem Gegner klar machte woher diese Männer kamen.
Die Königin war sofort erleichtert, diese Männer zu sehen, denn sie hatte bereits auf ihre Rückkehr gewartet.
Der Kämpfer mit dem weißen Haar stand bereits seit über 10 Jahren in den Diensten der Arattiden, zu denen er einst übergelaufen war. Schon unter Königin Dasheetas Vater hatte er hier gedient. Mittlerweile war er der oberste Heerführer der arattidischen Streitkräfte. Vor den Mauern der Stadt stand sein früheres Volk, denn zuvor war er dort ein urukidischer Heerführer gewesen, der sich geweigert hatte sinnlose Tötungen an Zivilisten durchzuführen, und daher in Ungnade gefallen war.
Vor zwei Tagen hatte ihn die Königin durch die versteckten Höhlen im Untergrund zur Allianzstadt Kashak geschickt, um endlich Unterstützung zu holen. Die Inkaara blickte ihm nun erwartungsvoll entgegen. Hatte er die erhoffte Unterstützung mitbringen können?
Utna'a, der junge akkadische Sohn des Händlers, hatte die eintretenden Männer keine Sekunde aus den Augen gelassen. Sie wirkten irgendwie bedrohlich. Und die Tatsache, dass sie so ohne Ankündigung einfach eintreten konnten sagte ihm auch, dass sie über eine gewisse von der Königin tolerierte Macht verfügen mussten, zumindest der Anführer der Gruppe.
Er hatte noch nie die arattidische Kernkampftruppe aus der Nähe gesehen. Und an den Weißhaarigen würde er sich auch bestimmt erinnern. Er beugte sich ein wenig zu seinem Vater, von dem er wusste, dass er fast so etwas wie ein Berater der Königin war, und fragte leise:
„Wer ist das? Kennst Du diesen Mann, Vater? “
Nuh-Ach antwortete genauso leise.
„Das ist Taarokot Akaatem, seit zwei Jahren oberster Heerführer der Arattiden. Man nennt ihn den Silberlöwen, weil er einmal nur mit einem Dolch bewaffnet einen dieser riesigen seltenen Berglöwen getötet hat. Der Name ist irgendwie an ihm hängen geblieben.
Und er ist kein Arattide sondern war früher bei der urukidischen Armee. Königin Dasheeta hält viel von ihm, sonst wäre er als Überläufer auch niemals soweit aufgestiegen.“
Die verantwortlichen Leute der Stadt schienen die Spannung zu spüren die plötzlich in der Luft lag, denn wortlos räumten sie ihre Plätze, wichen zur Seite hin aus und machten somit Platz für die Krieger der Königin.
Der Silberlöwe kam erst kurz vor dem Beratungstisch zum Stehen, knapp dahinter gruppierten sich seine Männer. Es war eine beeindruckende Phalanx aus rot und braun gekleideten Männern, die immer noch ihre Helme trugen, und sich somitan ihrem charismatischen Anführer orientierten.
Taarokot Akaatem hielt Blickkontakt zu seiner Königin, der er seine starke Position verdankte.
Er wusste, dass sie auf seinen Bericht wartete, doch zunächst musste er etwas klären.
Anstatt seine Königin über das Ergebnis seiner jüngsten Unternehmung zu informieren hob er seine rechte Hand und zeigte auf die beiden Händler.
„Was haben diese Akkadier hier zu suchen?“
Königin Dasheeta wusste wie empfindlich der Silberlöwe manchmal auf die falschen Worte reagieren konnte, deshalb versuchte sie eine Situation zu entspannen, bevor diese irgendwie eskalieren konnte. Die Kunst einer Königin lag immer im Finden der richtigen Worte, um möglichst viele verschiedene Leute auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören, auch wenn ihre Mentalitäten bisweilen eine gute Zusammenarbeit eher erschwerten.
Leider war sie darin nicht immer so erfolgreich wie sie sich das wünschen würde.
„Das ist Nuh-Ach mit seinem Sohn Utna'a-Tap...“
Respektlos unterbrach der Heerführer seine Königin. Das war etwas, dass sich nur sehr wenige Untertanen erlauben durften.
„Ich weiß wer diese Männer sind, Königin. Das ändert nichts daran das sie hier im engsten Beraterkreis als Fremde nichts zu suchen haben. Sollten sie mir nicht augenblicklich aus den Augen gehen, lasse ich sie hinaus werfen!“
Der Blick des alten akkadischen Händlers wurde noch finsterer als er ohnehin schon war, als er darauf erwiderte: „Wir sind auf Einladung Eurer Königin hier. Und wenn ich mich recht entsinne, seid Ihr ebenso ein Fremder. Noch dazu ein Urukide. Und trotzdem befindet Ihr Euch hier in diesem Raum auf Geheiß der Königin, genau wie wir.“
Bei diesen Worten stockte allen Anwesenden der Atem. Der Händler hatte zweifellos die Wahrheit gesprochen, aber waren das auch die richtigen Worte gewesen?
Die Zeit schien einzufrieren und sich dabei unendlich zu dehnen. Niemand wagte sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, während gleichzeitig alle gespannt auf die Antwort des Silberlöwen warteten. Der Akkadier hatte ihn mit diesen Worten herausgefordert. Das war allen klar.
Und plötzlich war das sonst kaum hörbare Knistern der brennenden Kerzen so deutlich wie Trommelschläge zu vernehmen, die einen gnadenlosen Höhepunkt ankündigten.
Der weißhaarige Heerführer ließ unter lautem Getöse seinen Schild auf den Boden fallen und griff langsam – viel zu langsam wie es schien – nach seinem mächtigen Schwert mit der geschwungenen und beidseitig geschärften Schlangenklinge, und zog es mit einem schabendem Geräusch aus seiner Schwertscheide heraus.
Währenddessen ließ er den Händler, der es gewagt hatte ihn vor allen Anwesenden derart anzugreifen, keinen Sekundenbruchteil aus den Augen.
Dann setzte sich der Silberlöwe langsam in Bewegung. Schritt um Schritt kam er auf Nuh-Ach zu. Dabei senkte er die Schwertklinge soweit, dass die Spitze gerade in Höhe des Gesichtes verharrte.
Während der Heerführer beständig näher kam und niemand Anstalten machte einzugreifen, sprang der Sohn des Händlers auf. Aber nicht um sich vor seinen Vater zu stellen, sondern um sich hinter ihm zu verstecken, wie es schien.
Der alte Händler hingegen bewegte sich nicht und starrte ihm ebenso direkt entgegen.
Kurz bevor die Schwertspitze das Gesicht des Händlers berührte blieb der Silberlöwe stehen.
Sein Blick war finster, grimmig und entschlossen, aber dennoch konnte er keine Spur von Angst im Gesicht seines Gegenübers erkennen.
Entweder war der Akkadier mutiger als er zuerst gedacht hatte, oder aber nur dümmer.
Schließlich sagte der Silberlöwe zu dem Händler im Flüsterton, aber dennoch gut für alle hörbar:
„Seid vorsichtig, alter Mann.
Meine Laune ist schlecht, und mein Schwert dürstet nach Blut.
Ihr habt hier keine Stimme, und die Tatsache Eurer bloßen Existenz habt Ihr nur mir zu verdanken, denn ich habe mich seinerzeit geweigert Euch Akkadier alle abzuschlachten wie Schafe, als Strafe für Eure Starrköpfigkeit.“
Beide Männer starrten sich an. Dann antwortete der Händler im gleichen Tonfall,
„Nur zu, wenn Ihr jetzt nachholen wollt was Ihr damals verabsäumt habt, Urukide.“
Im letzten Wort schwang Verachtung mit. Schließlich waren es vor zehn Jahren die Urukiden gewesen, die Akkad angegriffen, nach langem Kampf erobert und in ihr Reich eingegliedert hatten.
Genau wie es die Urukiden jetzt mit Aratta vorhatten zu tun.
Natürlich war Taarokot Akaatem längst kein echter Urukide mehr. Seit er sich damals dafür entschieden hatte zu den Arattiden überzulaufen. Und seit damals hatte er versucht die Armee der Arattiden zu stärken. Letztlich wie man jetzt sah, waren seine Anstrengungen genau wie die der Königin vergeblich gewesen.
Taarokot Akaatem sog scharf die Luft ein. Es war schwer vorherzusehen wie er auf die provozierende Antwort des akkadischen Händlers reagieren würde. Das Schwert jedenfalls blieb drohend auf Gesichtshöhe. Da platzte der Königin der Kragen.
„Sofort aufhören damit! Alle beide. Taarokot, steckt Euer Schwert weg. Ich dulde nicht, dass ein Gast an meinem Tisch mit einer Waffe bedroht wird!
Und Ihr, Nuh-Ach, redet ab jetzt nur mehr wenn ich Euch dazu auffordere. Ihr seid Gast hier und steht unter meinem Schutz. Und hier werden keine alten Wunden aufgerissen. Wir haben bei allen Göttern genug andere Sorgen!
Habt Ihr das verstanden? Antwortet!“