Hallo ihr Lieben!
Ich hoffe, ich darf mich der fröhlichen Spielerunde anschließen
Hab auch gleich eine Geschichte mitgebracht, zum Bild: Eine Frau kauft sich ein Paar neue Schuhe und muss noch am selben Abend dafür sterben. Hier meine Auflösung:
Wie lange hatte er nun auf diesen Tag gewartet? Monate? Jahre? Es erschien ihm wie eine halbe Ewigkeit. Er schloss die Augen und versenkte die Hand in seiner Manteltasche, tastete nach dem kleinen, satinbesetzten Kästchen, indem der Anfang eines neuen Lebens verborgen lag. Für diesen ganz besonderen Ring hatte er keine Kosten gescheut. Nichts war ihm zu teuer für seine Fiona. Sie war sein ein und alles.
Und nicht bloß, weil der Sex mit ihr gut war. Das war nur am Anfang gewesen. Zwischen ihnen war viel mehr, das hatten sie sehr bald begriffen.
Olivers Hand wanderte weiter, zu dem zweiten und nicht minder wichtigen Gegenstand in seiner Manteltasche, seine Finger schlossen sich um das eiskalte Metall, verkrampften sich regelrecht darum. Sein Atem beschleunigte sich unvermittelt, und eiskalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Beruhige dich, mahnte er sich selbst.
Es wird alles glatt laufen. Nichts wird schiefgehen. Du darfst nur nicht die Nerven verlieren.
Doch das war leichter gesagt als getan – welcher Mann konnte schon von sich behaupten, die beiden nervenaufreibendsten Taten, die man begehen konnte, an einem einzigen Abend zusammen zu fassen: seiner Liebsten einen Heiratsantrag zu machen und zum ersten Mal in seinem Leben einen Menschen zu töten?
Die Tür ging auf, und er schielte unter den regennassen Säumen der Mäntel und Jacken hindurch, die ihm den direkten Blick auf die Eingangstür verwehrten. Ein Paar schwarze, auf Hochglanz polierte Herrenschuhe. Nicht sein Kandidat.
Oliver stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. Das war wieder einmal typisch. Ein Grund, weshalb er dies nun tun würde – die Sache mit dem Töten, nicht den Antrag – war die unglaubliche Unzuverlässlichkeit seiner Frau. Nie tat sie das, worum er sie bat. Zu ihren ganzen Frisörterminen kam sie schließlich auch pünktlich. Doch wenn er sie um halb sechs in ein Café bestellte, war das natürlich zu viel verlangt.
»Noch einen Espresso der Herr?«, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.
Die Kellnerin musterte Oliver mit einer Mischung aus Irritation und Misstrauen. Zugegeben, es war nicht gerade unauffällig, seinen regennassen Mantel anzubehalten, doch immer noch besser als die Handfeuerwaffe offen auf den Tisch zu legen, oder?
»Nein, danke. Ich warte noch auf meine Begleitung«, erwiderte er.
Die Kellnerin nickte knapp und entfernte sich wieder.
Ungeduldig warf Oliver einen Blick auf die Uhr. Fünf Minuten nach sechs. Wenn sie nicht bald kam, würden sie und Fiona sich noch in die Quere kommen, die er um viertel nach herbestellt hatte. Dann wäre natürlich schon die Polizei da.
Wieder öffnete sich die Tür. Diesmal erschien ein Paar hässlicher, blassrosa Pumps in der Türöffnung. Unvermittelt spannte Oliver sich. Die gehörten seiner Frau, das wusste er ebenso sicher, wie die Sonne heiß war. Schließlich hatte er sie von seinem eigenen sauer verdienten Geld bezahlt.
Rasch blickte er sich um. Außer ihm gab es nur zwei andere Gäste – einen älteren Herren, der Pfeife rauchte und vollkommen in seine Zeitung vertieft war, und der junge Mann, der zuvor eingetreten war und nun mit abwesendem Blick aus dem Fenster stierte. Die Kellnerin machte sich gerade an der Espressomaschine zu schaffen.
Jetzt oder nie!
Er riss die Pistole aus der Manteltasche und zog den Abzug durch. Die Kugel durchschlug die Mäntel und Jacken, die an der Gaderobe hingen, und bohrte sich zielsicher in die Brust der Frau, die dahinter stand. Rasch schob Oliver die Waffe in den nächstbesten Mantel, der an der Gaderobe hing, und stieß gleich darauf einen oskarreifen Schreckensschrei aus.
Gemeinsam mit den übrigen Gästen und der Kellnerin sprang er auf und eilte in Richtung Tür – um im nächsten Augenblick vor Schreck zu erstarren.
Denn dort lag nicht seine Frau.
Dort lag Fiona.
Fiona, die im Gegensatz zu seiner Frau immer überpünktlich kam und nie ein Treffen versäumte.
Mit einem Keuchen sank er auf die Knie. Tränen stiegen ihm in die Augen.
So fanden ihn die Beamten, die Minuten später am Tatort eintrafen. Oliver ließ sich widerstandslos festnehmen. Während man ihn, die Hände bereits mit Handschellen aneinandergefesselt, mit sanftem Nachdruck durch die Tür bugsierte, schnappte er einige Gesprächsfetzen der Beamten auf.
»Irgendwelche Personalien? Brieftasche, Führerschein?«
»Nein, nur das hier.«
»Eine Quittung?«
»Ja, für Schuhe. Rosa Pumps. Ich finde die Dinger ja widerlich, aber meine Frau ist ganz verrückt danach. Wenn ich genau darüber nachdenke, wollte sie sogar heute mit mir ein Paar kaufen gehen, darauf gibt es jetzt fünfzig Prozent Rabbatt. Tja, daraus wird jetzt wohl nichts.«
Oliver konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken – nicht nur, dass er seine Geliebte umgebracht hatte – er hatte auch noch einen Haufen Geld für ein Paar Schuhe ausgegeben, das nur eine Woche später reduziert gewesen wäre.