~ Liebhaberei trifft Kapitalismus ~
~ Deutsche sprechen Englisch ~
~ Amateuse übt Sarkasmus ~
~ Deutsche sprechen Englisch ~
~ Amateuse übt Sarkasmus ~
Letzte Woche besuchte ich einen Nerd-Kongress. Um dem Vorurteil vorzubeugen, dort wären bloß Fachidioten, gab es ein kulturelles Begleitprogramm. Darin ordne ich auch die "Fiction Writer's Session" ein. Eingeladen hatte eine junge Science-Fiction-Autorin, die letztens ihren ersten Roman an einen Verlag verkauft hat. Sie hatte ihre braven Kinder mitgebracht und war überrascht, dass der Raum überhaupt voll wurde. Stolz wurde ihr Buch herumgezeigt. Dann ging es an die Vorstellungsrunde.
Da zwei Weitgereiste kein Deutsch verstanden, gaben wir alle unser Bestes, uns auf Englisch verständlich zu machen. Gast für Gast öffnete sich ein Spektrum von Ideenfragmenten über Fan Fiction und Kurzgeschichten bis zu Romanen auf dem freien eBook-Markt. Die meisten waren - der Ort legt es nahe - in der Science Fiction unterwegs.
Eine Autorin pflegte gleich mehrere Romane parallel, seit vielen Jahren, keiner mit Aussicht auf Vollendung. Was für ein bunter Mensch, dachte ich. Sie führt drei Leben im Kopf und eines draußen; von so viel Abwechslung können andere nur träumen. Natürlich bekam sie trotzdem Tipps zur Strukturierung. Wir waren schließlich eine nette Underground-Runde mit verschiedensten Erfahrungen.
Unsympathisch war mir nur der Tipp, gar kein Buch zu Ende zu schreiben, bevor es verkauft sei.
Huch? Wer hat denn vom Verkaufen geredet?
Ich drehte mich um und entdeckte neben der Tür eine minimal ältere Frau, die keinen Sitzplatz mehr abbekommen hatte. Deren Ratschlagsalve ging weiter. Nun wurde vom Wesen der klassischen Verlage berichtet. Klar, sie verlangen viele Änderungen, lassen mitunter den ganzen Schauplatz auswechseln. Höchstes Ziel ist, einen großen Mainstream-Markt zu erschließen. Deshalb sollte man am Besten nur das Exposee verkaufen und erst wirklich schreiben, wenn der Vertrag steht.
Huch? Sind hier nicht fast alles Amateure, also Liebhaber?
Dass man liebt, heißt doch nicht, dass man Liebe verkaufen will.
Also, nun, ich habe nichts gegen Mädels die das tun. Ich höre auch respektvoll zu.
Doch mit der Zeit wird mir der quasi Monolog langweilig. Will eine Professionelle die ganze Session übernehmen?
Leider muss unsere Moderatorin mit ihrem Baby hinaus. Keiner weiß, nach wessen Regeln nun weiter geredet wird. Na, was passiert? Die Professionelle ist so gut in Fahrt, dass sie schneller neue Sätze anreißt, als andere ihr Englisch sortieren können. Damit ist das Thema festgefahren.
Wie viel man pro verkauftem Buch bekommt - tja, sie bekommt weniger als bei "Books on Demand". Aber weil sie am Massenmarkt verramscht wird, hat sie nennenswerte Verkaufszahlen. Wäre ja nett, hätte sie nicht kurz zuvor erklärt, dass sie gar nicht "ihre" Geschichten schreibt, sondern eher das vom Verlag vorgegebene Story-Gerüst ausfüllt.
Ich überlege, ob ich anmerken soll, dass ich genau deshalb keine Unterhaltung mehr im Papierbuchladen kaufe. Wenn ich denn mal zum Lesen komme, dann wähle ich Werke aus Self-Publishing-Stores. Von authentischen Autoren. Ohne überbordenden Kommerz. (Wenn ich nicht sowieso das Literatopia-Forum lese.) Aber mein Englisch reagiert nicht schnell genug, um jetzt ins Gespräch einzusteigen.
Fast fühle ich mich wie in einer Kontaktbörse ... in der eine Escort-Dame auftaucht, um allen beizubringen, wie man mit Dating genug Geld zum Leben verdient.
Nein, eigentlich fühle ich mich wie in einer Selbsterfahrungsgruppe über Liebe ... in der uns eine Erfahrene berichtet, wie es auf dem Strich so läuft.
Dabei will ich doch meinen Freund behalten, genauso wie meinen geliebten Job in der IT. Und meine Geschichten.
In einer Atempause spreche ich den Widersinn an. Ich lebe von guter Arbeit und plane nicht meine Seele zu verkaufen. Anders gesagt, ich kann mehr als nur Schreiben, darum muss ich gar nicht davon leben. Gibt es was Besseres, als frei schreiben zu können, weil das Geld woanders her kommt?
Mein Blick schweift in die Runde - hier haben alle einen guten Job in der IT oder als spezialisierte Fachautoren.
Doch für den Einwurf ernte ich ein Achselzucken. "Musste halt wissen, wo du arbeiten willst."
Ja, weiß ich. Vor allem will ich Geld und Liebe trennen. Ich behalte meinen Job und meinen Freun... also, meine Texte.
Also lasse ich die Leute reden. Kurz bevor uns der nächste Workshop aus dem Raum wirft, kommen wir aufs Thema Self-Publishing. Ganz zum Schluss erwähne ich kurz, dass es für reine eBook-Projekte schickere Plattformen gibt, ich als oller Papierfreund aber mit dem ISBN-Service meines Publishers sehr zufrieden bin. Die Leute fragen, was eine ISBN kostet, was das System an sich kostet.
Aus Versehen erkläre ich zuerst die Selbstkostenpreise, wenn man das eigene Buch zum Verschenken bestellt. Das mache ich nämlich am Häufigsten. Erst als ich Schnappatmung beobachte, komme ich auf das richtige Preismodell, also was man pro verkauftem Exemplar verdient. Ja, es ist mehr als bei einem klassischen Verlag. Etwa 30 Verkäufe refinanzieren die ISBN.
Aber das forciere ich doch gar nicht. Coco will nur ab und zu einen Traum - keinen monetären Ernst - an euch verschenken.