Liebe Leser*innen,
eigentlich könnte ich fast die gleiche Einleitung wie in meinem Rückblick im letzten Jahr schreiben, denn auch 2025 war kein besonders gutes Jahr ... die Dystopie wird eher dunkler und es fällt oft schwer, auch all die positiven Entwicklungen und die kleinen Utopien wahrzunehmen. Ein Bild, das mich in diesem Jahr sehr beeindruckt hat, war das eines Mannes auf einem kleinen Berg, der seinen krebskranken Hund in einer Schubkarre voller Decken auf ein letztes großes Abenteuer mitgenommen hat. Da draußen gibt es wahnsinnig viele Menschen, die empathisch und rücksichtsvoll miteinander und mit ihren Tieren umgehen. Und während Social-Media-Algorithmen Hass und Hetze pushen, will ich im nächsten Jahr versuchen, mich stärker auf die Menschen zu konzentrieren, die die Utopie im Kleinen schaffen.
Auch die Autor*innen, deren Bücher ich gleich als meine Highlights vorstellen werde, sind größtenteils die gleichen wie im letzten Jahr. Das liegt schlicht daran, dass sie für mich persönlich aktuell die besten deutschsprachigen Phantastikautor*innen sind, bei denen Inhalt und Stil gleichermaßen aus der Büchermasse herausragen. Wenn ich ein neues Buch von ihnen aufschlage, kann ich nahezu sicher sein, nicht enttäuscht zu werden, sondern im Gegenteil erneut mitgerissen und begeistert zu werden:
"Der Himmel wird zur See" von Sven Haupt
Diesen Roman von Sven Haupt habe ich gleich zwei Mal gelesen. Beim ersten Mal ganz langsam, weil das Buch so dünn war - was ich eigentlich mag, doch bei Büchern von Sven Haupt will ich nie, dass sie enden. Beim zweiten Mal habe ich den Roman in zwei Tagen gelesen und hätte es an einem geschafft, wenn ich nicht so spät abends angefangen hätte. "Der Himmel wird zur See" ist zuglech ein ganz typischer Haupt-Roman und etwas völlig Neues. In einer ferneren Zukunft hat die Menschheit die Erde verlassen und führt noch immer Krieg gegen die Künstliche Intelligenz und die Roboter, die die Erde bevölkern. Raumschiffpilotin Hannah soll das Unmögliche wagen und zur Erde reisen, um dringend benötigtes Wissen zu bergen. Sie erwartet die Hölle und findet ein Wunderland voll empathischer künstlicher Wesen. "Der Himmel wird zur See" ist wieder ein unheimlich kreativer, poetischer und bildgewaltiger SF-Roman geworden, bei dem die Grenzen zur Fantasy verschwimmen und der im Kern zutiefst menschlich und utopisch ist.
"Anarchie Déco 1930" von Judith und Christian Vogt
"Anarchie Déco" gehört zu meinen Lieblingsbüchern von Judith und Christian Vogt und ich war gespannt, ob der Nachfolger "Anarchie Déco 1930" mithalten kann. Tatsächlich sind es zwei nahezu gleichwertig großartige Romane, die sich perfekt ergänzen und zugleich einzeln lesen lassen (warum aber sollte man das wollen?). Der zweite Band ist brutaler als der erste, der Faschismus hat große Teile der Gesellschaft bereits mitgerissen und für die Protagonist*innen brechen bittere Zeiten an. Statt sich gemeinsam dem Feind zu stellen, bekriegen sich Anarchisten und Kommunisten, während die Nationalsozialisten mächtiger werden. Hoffnung bietet der Zusammenhalt unter den Protagonist*innen, die Widerstand leisten und sich gegenseitig beschützen. Gerade in unserer Zeit thematisch hochaktuell, auch wenn die Autor*innen sich hier den fatalen Entwicklungen im 20. Jahrhundert widmen. Besser kann man diese dunkle Zeit nicht mit Fantasyelementen vereinen.
"Denial of Service" von Aiki Mira
Dieses Mal wirft Aiki Mira einen Blick in eine recht nahe Zukunft, in der Frankfurt von einer Milliardärin gekauft und in die erste Privatstadt Deutschlands transformiert wurde. Eine supersmarte, KI-gesteuerte Stadt, die wie ein Mix aus Solar- und Cyberpunk daherkommt und auf den ersten Blick strahlend grün und sauber wirkt. Auf den zweiten Blick sieht man die tiefen Schatten und die sozialen Verwerfungen. Aiki Mira konzentriert sich auf ihre Protagonist*innen, die zusammen einem merkwürdigen Todesfall nachgehen, bei dem die Stadt untätig bleibt. Ein Fehler im System. Im supersmarten Frankfurt ist nicht alles so perfekt, wie es scheint, und hinter den Kulissen vollziehen sich große Veränderungen. Wie auch in anderen Romanen von Aiki Mira hat man beim Lesen das Gefühl, als würde they die Geschichte aus dieser Zukunft heraus erzählen, als wäre they längst Teil davon.
"Die denkenden Wälder" von Alan Dean Foster
Neben "Das Wort für Welt ist Wald" von Ursula K. Le Guin dürfte vor allem "Die denkenden Wälder" von Alan Dean Foster Vorlage für James Camerons "Avatar" gewesen sein. Der SF-Klassiker kommt jedoch ohne Wild-West-Story und White Savior aus. Stattdessen beschreibt Alan Dean Foster Midworld als faszinierendes Ökosystem, in dem sich alles gegenseitig auffrisst und in dem Menschen, die vor Jahrhunderten auf dem Planeten abstürzten, Teil dieses Ökosystems geworden sind. Der Dschungel bedeckt nahezu die gesamte Oberfläche des Planeten, der vor Leben schier überquillt und auf dem die Menschen in symbiotischen Beziehungen mit intelligenten Tier-Pflanze-Hybriden, sogenannten Pelzigern, leben. Aus der Sicht neu ankommender Menschen sind sie "primitive" Indigene, da sie als Jäger und Sammler im Einklang mit der sie umgebenden Natur leben. Trotz ihrer weit überlebegenen Technologie sind die Menschen hilflos im Dschungel, während die vermeintlichen Indigenen perfekt an das Ökosystem angepasst sind. Alan Dean Foster erzählt zunächst vom Aufeinandertreffen der Menschen Midworlds mit den neuen Kolonisten und beschreibt eindrücklich die kulturellen Unterschiede und beidseitigen Vorurteile. Später kommt es zum Konflikt, da die Kolonisten eine seltene Ressource ausbeuten wollen und die Menschen Midworlds dies nicht zulassen. Die Faszination von "Die denkenden Wälder" liegt vor allem in der Darstellung der unterschiedlichen Lebensformen und ihrer (Ko-)Evolution - einer der besten SF-Romane, die ich bisher gelesen habe!
"Bury Our Bones in the Midnight Soil" von V. E. Schwab
Hin und wieder lese ich sehr gerne Vampir-Romane, wenn sie gut geschrieben sind - und wenn die Vampire nicht glitzern! "Bury Our Bones in the Midnight Soil" erinnert ein wenig an "Interview mit einem Vampir" und beschreibt über mehrere Jahrhunderte die Leben dreier Vampirinnen, die mehr oder weniger freiwillig den Weg in die Nacht gehen und darin Freiheit finden. Diese Freiheit bezahlen sie mit einem unstillbaren, quälenden Hunger. Sabine, die älteste der Vampirinnen, zieht eine Spur aus Blut und Tod durch Europa und erfährt, dass ihre Unsterblichkeit relativ ist und dass ihr Geist, auch wenn ihr Körper jung und schön bleibt, allmählich zerfällt. Über die Jahrhunderte verwandelt sie sich in ein Monstrum, das ihre einstige Liebe jagt. Historische Fantasy und moderne Urban Fantasy verschmelzen zu einem der besten Vampirromane der vergangenen Jahre. Besonders gefallen haben mir die unterschiedlichen weiblichen Perspektiven.
Es liegen noch einige tolle Bücher auf meinem SuB, die ich eigentlich in diesem Jahr noch lesen wollte ... vermutlich werde ich ein oder zwei davon im nächsten Jahresrückblick vorstellen, denn sie sind wirklich vielversprechend. Und wenn ich so in die Verlagsprogramme schaue, erwarten uns im nächsten Jahr einige tolle Veröffentlichungen. Auch wenn ich von 2026 nicht viel erwarte und eher vieles befürchte - es wird viel Gutes zu Lesen geben. Auch für Euch.
Ich wünsche Euch einen guten Rutsch und ein gutes neues Jahr. Wenn es nicht gut werden will, versucht, es gut zu machen - für Euch!
Viele Grüße
- Judith


Im März 2026 erscheint "The House Witch - Der Koch des Königs" von Delemhach:
Liebe Leser*innen,
Im Februar 2026 erscheint "The Housemaid - Wenn sie wüsste" von Freida McFadden: