Bernhard Hennen (14.04.2012)

Interview mit Bernhard Hennen

Literatopia: Hallo, Bernhard! Im Oktober ist der erste Band Deines neuen Elfenepos erschienen. War es schwierig, sich wieder in diese Welt zu begeben oder sind Dir die Elfen mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen? Was reizt Dich daran und worauf dürfen sich Deine Leser freuen?

Bernhard Hennen: In den bisherigen Elfenromanen ist immer wieder von der Frühzeit Albenmarks die Rede, zum Beispiel von den Drachenkriegen. Der neue Zyklus bot mir die Gelegenheit, diese Stoffe aufzugreifen und daraus eine große Saga zu entwickeln. Dabei wird auch das Elfenbild um einige Facetten bereichert werden. Der Leser wird miterleben, wie es die Elfen als Letztgeborene der Albenkinder zu der späteren Dominanz gebracht haben. Nicht zuletzt werden in den Folgebänden auch einige der Geheimnisse um die Herkunft und den Aufstiegs der Elfenkönigin Emerelle gelüftet.

Literatopia: Laut Verlag sind für die neue Reihe drei Bücher geplant. Wann kam Dir Gedanke, die „Vorgeschichte“ der Elfen zu schreiben?

Bernhard Hennen: Wenn es im Genre der Fantasy um einen Zyklus geht, wird allzu leicht an eine Trilogie gedacht. Das ist aber bei weitem noch nicht sicher. Nach augenblicklichem Stand ist ein vierter Band recht wahrscheinlich, aber zu diesem frühen Zeitpunkt von Planung und Ausführung möchte ich mich da noch nicht gerne festlegen. Den Plan in die Frühzeit Albenmarks vorzustoßen habe ich schon während der Arbeit am Elfenritter-Zyklus gefasst. Es ist sozusagen das Pendant der Elfenritter am anderen Ende der Zeitschiene Albenmarks.

Literatopia: Gibt es schon einen Erscheinungstermin für den nächsten Band und kannst Du uns Näheres darüber verraten? In Drachenelfen konnten sich Fans der Elfen zum Beispiel über das Wiedersehen mit dem Ebermann freuen. Wird es noch weitere Überraschungen dieser Art geben?

Bernhard Hennen: Der Folgeband mit dem Titel „Drachenelfen – Die Windwanderin“ erscheint im Spätherbst 2012.

In Drachenelfen waren für kundige Leserinnen und Leser ja durchaus auch frühere Inkarnationen von späteren Protagonisten zu entdecken. In dieser Hinsicht wird es Fortsetzungen geben. Im neuen Band gibt es –unter anderem -einige Informationen über den schon lange eingeführten Eleborn, den Meerherrscher, in seinen jungen Jahren. Hier erfährt man auch, wie er als Elf zu einem Bart kam.

Literatopia: In Drachenelfen kommen mehrere, zum Teil sehr unterschiedliche Charaktere zu Wort. Wie schwer fällt Dir der Wechsel und wie schaffst Du es, die Übersicht über die Handlungsstränge zu behalten?

Bernhard Hennen: Die Unterschiedlichkeit der Charaktere ist für mich das Salz in der Suppe. Dadurch entstehen Spannungsmomente und überraschende Wendungen. Perspektivwechsel haben von Anfang an eine wichtige Rolle in meinen Romanen gespielt. Die Technik ist mir also sehr vertraut. Die unterschiedliche Sicht auf die Dinge und Ereignisse, das Denken von sehr verschiedenen Voraussetzungen her tragen nicht zuletzt dazu bei, die Charaktere vielschichtig werden zu lassen und Schwarz-Weiß-Schablonen zu vermeiden. Ein Buch nur aus einer einzigen Perspektive zu erzählen, würde mir vermutlich schwer fallen.

Literatopia: Insbesondere die Abenteuer der Zwerge waren amüsant zu lesen. Gibt es Charaktere, die sich einfacher schreiben lassen als andere? Hast Du einen Lieblingscharakter und wenn ja, warum gerade diesen?

Bernhard Hennen: Es ist ein verbreitetes Fehlurteil zu meinen, amüsante Charaktere und komische Szenen seien leichter zu schreiben als ernste. Das Gegenteil ist meistens richtig. Die Zwerge eignen sich dafür ebenso gut wie etwa die Lutin in meinen anderen Elfen-Romanen. Das liegt daran, dass diese Völker von vornherein so konzipiert sind, dass die fremde Betrachtung ihre Eigenarten als merkwürdig erscheinen lässt. Manchmal zeigt sich aber, wie bei der Lutin Ganda, dass sie trotzdem auch zur Tragik hin angelegt werden können.

Gerne vermeide ich es, mich zu sehr auf Lieblingscharaktere einzulassen. Mir ist es viel lieber, wenn es mir gelingt, bei einem anscheinend durch und durch bösen Charakter wie einem Devanthar gelegentlich sympathische Züge aufblitzen zu lassen. Dennoch kann ich nicht bestreiten, dass mir an Ollowain sehr viel liegt. In seinen früheren Inkarnationen Gonvalon und Falrach besitzt er beispielsweise noch magische Fähigkeiten, als Ollowain ist das Fehlen einer Begabung zum Zauberweben sein größter Makel, selbst in den Augen seines Vaters.

Auch zeigt sich bereits in der Figur des Gonvalon, dass bestimmte Verhaltensweisen des späteren Ollowain große Kontinuität haben. Er ist immer schon der herausragende Schwertkämpfer. Auch zeigt sich, warum er später eher als der Beschützer Emerelles auftritt, denn als ihr Liebhaber.

Literatopia: Es fällt auf, dass alle Elfen-Bücher ein Schwert ziert. War das Deine Idee? Wie viel Mitspracherecht hast Du bei den Verlagen, wenn es um die Gestaltung der Cover oder auch Inhalte wie Karten oder Ähnliches geht?

Bernhard Hennen: Das Schwert auf dem Cover wird als Wiedererkennungsmerkmal sehr gepflegt. Gerade für Drachenelfen hatte ich eigentlich ein anderes Cover von einem namhaften Künstler favorisiert, das nun erst auf den zweiten Band der Reihe kommen wird. Bei allem, was sich zwischen den beiden Buchdeckeln befindet, liegt die Oberhoheit bei mir. So sind alle Karten zum Beispiel nach Skizzen von mir gefertigt. Die Karte in Drachenelfen ist übrigens etwas Besonderes. Es handelt sich hier um eine historische Karte aus dem Volk der Ischkuzai. Sie wird im zweiten Band in einer Szene sogar eine Rolle spielen.

Literatopia: „Die Elfen“ sind inzwischen als Hardcover zu haben. Wie gefällt Dir die neue Ausgabe? Und wie wichtig ist Dir eigentlich die Aufmachung eines Buches?

Bernhard Hennen: Sehr wichtig. Ähnlich schöne Ausgaben hätte ich mir gerne für alle Romane gewünscht, aber in dieser Hinsicht gibt die Marktstrategie des Verlags den Ausschlag. Dass es auch anders geht, zeigen die insgesamt sehr schönen Ausgaben in der niederländischen Übersetzung. Dort ist es offenbar marktgerecht, neben einer soliden Hardcover-Ausgabe gleichzeitig eine preiswertere Paperback-Ausgabe anzubieten.

Literatopia: Mit „Die Könige der ersten Nacht“ hast Du Dich in historische Gefilde gewagt. Wie wichtig war Dir die historische Genauigkeit? Und gehst Du an Historik grundsätzlich anders heran als an Deine Fantasyromane?

Bernhard Hennen: Eigentlich habe ich von Anfang an nebeneinander historische und Fantasy-Romane geschrieben. So entstand auch die Erstausgabe von „Die Könige der ersten Nacht“ einige Jahre vor dem ersten Elfenroman. Es wird viele überraschen, wenn ich jetzt sage, dass der Aufwand für Recherchen gar nicht so verschieden ist. In vielerlei Hinsicht sind selbstverständlich auch historische Romane fiktiv. Dennoch lege ich größten Wert auf die historische Stimmigkeit im Detail. Die Elfenromane sind alle so angelegt, das bestimmte historische Epochen unserer Welt als Arbeitsgrundlage dienten. Aus dieser Basis resultiert dann eine Fülle von Möglichkeiten für Recherchen über Waffen, Kriegstaktiken, Mode, Architektur, den Stand der Medizin, den Einsatz von Heilkräutern… etc.

Literatopia: Du bist ausgebildeter Germanist, Archäologe und Historiker. Ist Dein Fachwissen beim Schreiben eher hinderlich, sprich, stellst Du dadurch besonders hohe Ansprüche an Dich selbst? Oder siehst Du eher einen Vorteil in Deinem umfangreichen Vorwissen?

Bernhard Hennen: Mein Studium ist für mich eine solide Basis, auf der ich meine Arbeit aufbaue. Das heißt aber nicht, dass dies gleichermaßen eine Voraussetzung für andere Schriftsteller sein müsste. Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom.

Literatopia: Wenn Du ein Buch schreibst, wie viel Vorarbeit steckt abgesehen von der Recherche darin? Erstellst Du Profilblätter Deiner Charaktere, Skizzen der groben Handlung oder schreibst Du spontan mit nur einer vagen Idee und lässt sowohl der Kreativität als auch den Figuren freien Lauf?

Bernhard Hennen: Die einfache Antwort wäre: von allem etwas. Ganz so ist es aber nicht. Ich gehe von einem ausführlichen Plot aus, gestalte dann in Grundzügen die wichtigsten Handlungsstränge und skizziere beziehungsweise variiere die Hauptcharaktere. Bei der Ausarbeitung im Detail passiert es nicht selten, dass spontane Einfälle aufgenommen und ausgestaltet werden. Der Schreibprozess ist halt sehr komplex, und die „vagen Ideen“ spielen dabei die geringste Rolle. Ich liebe den Satz von Rilke: „Er war ein Dichter und hasste das Ungefähre.“ Ich bemühe mich immer, diesem Anspruch nahe zu kommen.

Literatopia: Werke wie „Das Wolkenvolk“ oder „Frostfeuer“ von Kai Meyer haben atemberaubende Comicadaptionen erfahren. Könntest Du Dir das auch für eine Deiner Romanreihen vorstellen? Wie stehst Du allgemein zum Medium Comic?

Bernhard Hennen: Comics waren schon in meiner Kindheit ständige Begleiter und sind es bis heute geblieben, wenn auch die Vorlieben für Genres sich geändert haben. So hätte ich selbstverständlich gegen gute Comic-Umsetzungen überhaupt nichts einzuwenden und habe in den letzten Monaten die ersten Schritte in diese Richtung unternommen. Da aber die Zeichenarbeit an einem Comic oft ein Jahr dauert wird vor 2013 nichts Konkretes zu sehen sein.

Literatopia: In unserem Forum gibt es viele Schreiber, die bereits nach dem ersten Kapitel um Rat und Anregungen fragen, andere warten damit, bis sie sehr weit fortgeschritten sind in der Geschichte oder sogar fertig. Wie hältst Du das? Suchst Du relativ früh das Feedback anderer oder schreibst Du lieber erst einmal so viel wie möglich, ehe Du etwas präsentierst?

Bernhard Hennen: Es gibt praktisch von meinen Anfängen als Schriftsteller an ein Team, das meine Arbeit kritisch begleitet und mich nicht selten vor dem einen oder anderen sprachlichen wie inhaltlichen Schnitzer bewahrt hat. Wenn dann das fertige Manuskript zum Lektorat geht, bin ich mir daher einer grundsätzlichen Qualität sicher.

Literatopia: Wenn es um Entwürfe geht, wer ist Dein wichtigster Kritiker und wie sehr lässt Du Dich in solchen Momenten beeinflussen?

Bernhard Hennen: In einem Interview darf man vieles preisgeben, aber nicht alles. So viel kann ich aber verraten: es wird nahezu immer noch etwas verändert, meistens nur Kleinigkeiten, manchmal aber auch wichtige Punkte.

Literatopia: Findest Du neben dem Schreiben noch Zeit für Bücher anderer Autoren? Falls ja, gibt es Schriftsteller oder Bücher, die Dich in letzter Zeit überraschen/ faszinieren konnten? Was war Dein Lese-Höhepunkt des Jahres 2011?

Bernhard Hennen: Wenn es die Zeit erlaubt, bin ich ein bekennender Vielleser. Neben klassischer Literatur spielen auch moderne Klassiker wie Jack London, E.A. Poe, Hemingway bis hin zu Bernhard Cornwall, Preston Child und anderen, eine wichtige Rolle. Gerne lasse ich mich auch von Neuerscheinungen überraschen. Daneben ist Fachliteratur für mich gleichermaßen faszinierend, und ich verfolge bei Recherchen Zusammenhänge oft bis zum neuesten Stand der Forschung. Einen Lese-Höhepunkt 2011 gab es leider nicht. Die Arbeit an Drachenelfen, das Aufarbeiten von vielem, was liegen geblieben war und eine ausführliche Lesereise ließen mir zu wenig Zeit.

Literatopia: Wenn Du es Dir aussuchen könntest, gäbe es einen Autor, mit dem Du gerne einmal zusammenarbeiten würdest?

Bernhard Hennen: In meiner Anfangsphase habe ich ja mit Wolfgang Holbein zusammen eine Trilogie geschrieben. Daran erinnere ich mich sehr gerne. Zur Zeit stelle ich als Herausgeber eine Anthologie zusammen. Daraus ergibt sich die Arbeit mit einer ganzen Reihe prominenter Autoren und zugleich lerne ich, das Entstehen eines Buches aus dem Blickwinkel des Lektorats kennen. Leider darf ich zu Inhalt und Titel des Buches noch nicht konkret werden. Es wird aber ganz sicher zum Ende des Jahres in den Buchhandlungen ankommen.

Literatopia: Das Genre Fantasy erlebt seit einigen Jahren einen richtigen Boom. Neben der High Fantasy strömen dabei immer mehr Jungautoren mit so genannter Romantic Fantasy, zum Beispiel der Twilight-Reihe, auf den Markt. Hast Du Dich schon einmal mit diesem Genre beschäftigt und was denkst Du darüber? Wo siehst Du die Zukunft der Fantasy?

Bernhard Hennen: Dass in den letzten zehn Jahren das Genre Fantasy auf dem Markt gewonnen hat, und das auch mit deutschen Autoren, ist mir natürlich selbst zugutegekommen So kann ich das gewachsene Interesse nur begrüßen. Daraus resultiert in jüngster Zeit sogar etwas, was im anglo-amerikanischen Raum nie ein Problem war, nämlich die ersten Ansätze einer wissenschaftlichen Rezeption. Obwohl Liebesgeschichten in meinen Romanen immer eine herausragende Rolle spielen, ist die Romantasy als Spielart der Fantasy nicht mein Genre.

Literatopia: Konzentrierst Du Dich im Moment vollends auf die Elfen oder stehen noch weitere Projekte an? Gibt es für das Jahr 2012 vielleicht sogar Termine für Lesungen der Elfen?

Bernhard Hennen: Mit der Freiheit eines Schriftstellers hat es seine eigene Bewandtnis, sie ist in der Realität weitaus geringer, als sich die meisten Menschen vorstellen. Für die Folgebände von Drachenelfen bin ich vertraglich gebunden. Damit ist der Arbeitsschwerpunkt für die nächsten Jahre festgelegt. In meinem Kopf und in zahlreichen Notizen gibt es dennoch eine Reihe anderer Projekte. Weit vorangeschritten sind die Vorarbeiten für ein Jugendbuch, das die Grenzen zwischen historischen und Fantasy-Elementen auslotet und einen weiten Bogen vom Dritten Reich bis in die Gegenwart spannt. Selbstverständlich wird es auch 2012 wieder Lesungen geben, allerdings eher in der zweiten Jahreshälfte. Die Termine dazu werden auf meiner Homepage und meiner Facebook-Seite erscheinen.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview!


Autorenfoto: Copyright by Mark Mocnik

altes Interview von 2009 (mit vielen Leserfragen!)

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Dieses Interview wurde von Nicole Troelenberg und Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.