Kai Meyer, Yann Krehl und Marie Sann (18.04.2014)

Interview mit Marie Sann, Yann Krehl und Kai Meyer

zum Abschluss von „Frostfeuer“

marie sann neuLiteratopia: Hallo Marie, hallo Yann, hallo Kai! Kürzlich ist der Abschlussband der Comicadaption zu „Frostfeuer“ erschienen – wie geht es euch damit? Seid ihr froh, das Werk beendet zu haben? Oder doch ein wenig wehmütig?

Marie Sann: Für mich ist es ein unbeschreiblich tolles Gefühl, den gedruckten Sammelband nun in den Händen halten zu können. Es ist viel Mühe, Fleiß und Liebe hineingeflossen und natürlich ist es auch ein bisschen schwierig, nach drei Jahren regelmäßiger Arbeit daran, nun plötzlich damit aufzuhören.

Aber ich freue mich auch schon wieder auf neue zeichnerische Abenteuer. "Frostfeuer" wird jedoch immer etwas sein, auf das ich stolz sein kann und auf das ich gerne zurückblicke.

Yann Krehl: Auf der einen Seite ist es ein gutes Gefühl, „Frostfeuer“ endlich komplett und gedruckt vor sich liegen zu haben. Andererseits ist es aber auch schade, dass das Projekt beendet ist, denn es hat Spaß gemacht, daran zu arbeiten. Für mich lautet also die Antwort auf beide Fragen „ja“ – was meiner Meinung nach ein gutes Zeichen ist.

kai meyer3Kai Meyer: Die Geschichte des „Frostfeuer“-Comics reicht ja noch einige Jahre weiter zurück. Ursprünglich wollte ein anderer Verlag auf meinen Vorschlag hin einen Manga daraus machen. Ich konnte mir das gut vorstellen, weil eines der Vorbilder ganz klar die Filme des Studios Ghibli waren – wenn man das Konzept des Romans auf wenige Worte herunterbrechen will, dann war er mein Versuch, eine Ghibli-Hauptfigur in einen russischen Märchenfilm zu versetzen. Von daher war Manga kein schlechter Zugang zu dem Stoff, aber die Sache zog sich ewig, alles in allem gut zwei Jahre. Und als dann noch immer kein Zeichner in Sicht war, kam Splitter ins Boot und wollte den Roman gern als klassischen Comic umsetzen. Interessanterweise ja mit einer Zeichnerin, die vorher Mangas gezeichnet hatte. Für mich war diese Lösung das Beste aus zwei Welten, und ich bin wahnsinnig froh, dass Marie diesen Spagat so wunderbar hinbekommen hat. Man sieht den Manga-Einfluss noch in der Mimik der Heldin, aber die Hintergründe und die ganze Atmosphäre haben fast etwas von alten osteuropäischen Animationsfilmen.

Von daher: Ich freue mich einfach, dass nach mehreren Jahren Arbeit so ein toller Comic entstanden ist, und ich könnte gar nicht zufriedener sein mit dem, was Yann und Marie da geleistet haben.

Literatopia: Was erwartet Maus im letzten Band der Trilogie?

Kai Meyer: Um die Zusammenfassung der eigenen Geschichten drücken sich immer alle gern, deshalb bleibt das offenbar an mir hängen ... Es kommt zum großen Showdown zwischen der Schneekönigin und Tamsin Spellwell, unserer englischen Magierin mit terroristischen Ambitionen. Sankt Petersburg versinkt in einem Winter, wie es ihn zuletzt am Anbeginn der Welt gab. Und Maus, die Heldin der Geschichte, verliert zeitweise ihre Haut und reitet auf einem Rentier – das manchmal auch ein Mensch ist – über eine Brücke aus Eis.

frostfeuer band3Literatopia: Welche Figur aus „Frostfeuer“ ist Euch besonders ans Herz gewachsen? Und, Marie, welche hast Du am liebsten gezeichnet?

Marie Sann: Hmm... Schwierig. Kai hat es wirklich geschafft, jedem Charakter etwas Einzigartiges und Liebenswürdiges zu verleihen ... Aber ich denke, am meisten mag ich tatsächlich Kukuschka und Tamsin Spellwell; und die sind es auch, die ich am liebsten gezeichnet habe.

Yann Krehl: Bei mir ist es Tamsin Spellwell. Die Szenen mit ihr gehören zu meinem Lieblingsstellen im Buch und zählen zu denen, an denen ich beim Schreiben des Scripts am liebsten gearbeitet habe.

Kai Meyer: Ganz klar Tamsin. Ich habe sie angelegt als eine Mischung aus Mary Poppins und dem frühen Doctor Who in der Tom-Baker-Inkarnation. Von ihm hat sie den langen Schal. In erster Linie sollte sie eine sehr britische Figur sein, wie es sie oft in alten englischen Jugendbüchern gibt, durchaus auch in Comics von Neil Gaiman und Alan Moore.

Literatopia: Wie war die Resonanz auf „Frostfeuer“? Wie habt Ihr die vergangenen drei Jahre mit dem Comic und seinen Fans erlebt?

Marie Sann: Ich muss sagen, dass ich mich sehr über sooo viel positives Feedback gefreut habe. Eine Adaption von einem Roman ist ja immer eine etwas heikle Sache ... Man könnte viele Fans der Geschichte vor den Kopf stoßen; allein schon dann, wenn meine zeichnerische Interpretation von deren Vorstellung abweicht. Umso schöner ist es zu hören, dass viele Fans von Kais Roman sich sehr vieles tatsächlich genauso vorstellten oder gar fanden, dass meine gezeichnete Version noch ausdrucksstärker ist als die Bilder, die sie beim Lesen selbst vor Augen hatten.

Ansonsten freue ich mich sehr auf die folgenden Monate, in denen ich den Sammelband noch etwas promoten werde (z.B. Comicsalon in Erlangen). Der direkte Kontakt zu den Lesern ist einfach immer toll.

frostfeuer bookKai Meyer: Ich habe nur Gutes gehört. Nicht jeder Romanleser mag auch Comics, aber ich war erstaunt, wie viele sich bei mir gemeldet haben – vor allem über meine Facebook-Seiten, aber auch auf den Messen und bei Lesungen – und ganz begeistert vom „Frostfeuer“-Comic waren.

Literatopia: Könnt Ihr noch überschauen, wie viele Arbeitsstunden in den Comic geflossen sind? Habt Ihr während der Entstehung viel geändert oder seid Ihr bei den ersten Entwürfen geblieben?

Marie Sann: Hmm... Also ich habe an einer Seite ca. drei Tage gesessen. Da man vom Comiczeichnen hier in Deutschland aber leider immer noch nicht wirklich leben kann, musste ich parallel immer noch andere illustratorische Arbeiten machen, wodurch sich das ganze Projekt auf drei Jahre erstreckte.
Viel Hin und Her gab es in dem Arbeitsprozess allerdings nicht. Das war alles sehr angenehm.

Yann Krehl: Genau kann ich es nicht sagen, aber es werden jede Menge gewesen sein. Da ich die Alben allerdings nicht am Stück geschrieben sondern in Etappen von höchstens sieben Seiten abgeliefert habe – immer dann, wenn Marie mehr Script gebraucht hat -, haben sich diese ungezählten Arbeitsstunden recht angenehm verteilt.

Kai Meyer: Yann ist bei all meinen Comicadaptionen so etwas wie der ruhende Pol – das war schon bei „Das Wolkenvolk“ und „Die Wellenläufer“ so. Ich bin unglaublich froh, dass er mit so viel Enthusiasmus und Sachverstand an meinen Geschichten arbeitet. Zugleich wirkt er immer so, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Wenn ich schon längst Zeter und Mordio schreien würde wegen heranrückenden oder überzogenen Terminen, liefert Yann verlässlich in aller Seelenruhe Seite um Seite ab, in gleichbleibender Qualität. Ich kann nicht abschätzen, wie viele Stunden er in die Comics investiert hat, aber ich kann mir vorstellen, dass es eine Menge waren – ich würde ewig für so eine Adaption brauchen, viel länger als für ein Originalmanuskript.
Und an Marie bleibt natürlich die Aufgabe hängen, die Beschreibungen zu konkreten Bildern zu machen. Wer sich ihre Seiten ansieht, kann sich vielleicht ausmalen, wie lange so etwas dauert.

Literatopia: Sowohl das Cover vom dritten Album als auch das des Buches wurden nochmals geändert – warum?

Marie Sann: Das ist ganz normal und passiert nicht selten. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Bücher in der Ankündigung abgebildet werden, gibt es meist schon eine Illustration, die als Cover in Frage käme, es aber nicht zwingend sein muss (das ist ja meistens auch gekennzeichnet mit "Cover unverbindlich"). Als alle Comicseiten gezeichnet waren, haben wir uns noch einmal zusammengesetzt und überlegt, was den Inhalt des Sammelbandes am besten repräsentiert und was auch gut auf dem kleineren Format des Sammelbandes funktioniert.

Daher haben wir uns schließlich für ein Closeup der Protagonistin Maus entschieden und die Gruppenillu (die zuerst angedacht war) dem  Buch als Extra beigefügt. Beim dritten Album erinnerte sich Kai noch an einen meiner ersten Sketche zur Königin, der spannend und dynamisch ist, und dem wollten wir den Platz auf dem Titel nicht verwehren.  ;)

Kai Meyer: Ich mochte diesen ganz frühen Entwurf der Schneekönigin so gern und habe Marie gefragt, ob sie mir das Original verkauft. Dummerweise war das eine digitale Illustration, aber dadurch kamen wir auf die Idee, das Bild als Cover zu verwenden.

Literatopia: Wie viel aus der Originalvorlage musste weggelassen werden, um die Geschichte in drei Comicbänden unterzubringen?  

Yann Krehl: Damit die Geschichte auch in Comicform funktioniert (und auf die vorgegebene Anzahl von Seiten passt), musste hier und da etwas weggelassen oder angepasst werden.

Mein Ziel war es aber, so viel wie möglich aus dem Buch ins Script zu übernehmen. Und so finden sich die meisten Szenen aus der Vorlage auch im Comic wieder, wenn auch mit leichten Kürzungen.

Kai Meyer: Mir ist so gut wie keine Kürzung aufgefallen, die einzelnen Szenen müssten beinahe alle vorhanden sein. Auch hier wieder ein Lob an Yann: Irgendwie bekommt er es fast immer hin, dass es am Ende wirkt, als sei nichts verloren gegangen. Das fand ich schon beim Comic zum „Wolkenvolk“ sehr beeindruckend.

Literatopia: Zum Abschluss von „Frostfeuer“ ist gleichzeitig eine Buchversion inklusive Making Of erschienen – was verpassen Leser, die die Alben gesammelt haben? Und warum konnte das Making Of nicht im dritten Album untergebracht werden?

Marie Sann: Ein Making of gehört in einen Sammelband finde ich.  :)
Und daneben findet man noch ein schönes, ausführliches Interview mit Yann, Kai und mir zu unserer Zusammenarbeit und ich habe noch einmal einige Seiten überarbeitet, die im ersten Druck nicht so schön herauskamen, wie ich mir das erhofft hatte.

Literatopia: Werdet Ihr noch einmal in dieser Form zusammenarbeiten? Und welche Projekte stehen bei Euch jeweils an?

Marie Sann: Momentan ist es zu früh um etwas Konkretes über neue Projekte zu sagen. Für mich ist aber klar, dass ich sowohl die Zusammenarbeit wie auch das Reslutat daraus ganz wunderbar finde und ich mir ein neues Projekt in genau dieser Konstellation sehr gut vorstellen könnte. Allerdings würde ich dann wohl eher analog arbeiten. Die rein digitale Arbeit an "Frostfeuer" hat zum Schluss doch ein bisschen geschlaucht.

Yann Krehl: Leider steht bei mir kein weiteres Projekt mit Marie und Kai an – ich wäre aber sofort wieder mit dabei, falls es sich ergeben sollte. Nachdem ich die Arbeit an der Comicadaption von Kais „Wolkenvolk“-Trilogie ebenfalls beendet haben (Splitter-Verlag, Zeichnungen von Ralf Schlüter), widme ich mich gerade dem zweiten Band der Adaption von „Die Zwerge“ (nach dem Roman von Markus Heitz, Zeichnungen von Che Rossié, Splitter-Verlag).

Nebenher schreibe ich noch Hörspiele (für die Serie „Lady Bedfort“) und arbeite daran, ein oder zwei deutlich kleinere Projekte ins Rollen zu bringen.

Kai Meyer: Yann verschwegt bescheiden, dass er Einzelseiten zu mindestens drei weiteren Adaptionen meiner Romane geschrieben hat. Verschiedene Zeichner haben sie umgesetzt, aber aus diversen Gründen gab es noch für keines dieser Projekte einen Startschuss. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass da bald etwas konkreter wird.
Mit Marie arbeite ich an einem Originalstoff, der zwar noch in den Geburtswehen liegt, aber hoffentlich auch in nächster Zeit offiziell angekündigt werden kann ...

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview!


Autorenfotos: Marie Sann (oben rechts), Copyright by David Pinzer / Kai Meyer (oben links), Copyright by Martin Steffen 

Rezension zu "Frostfeuer - Herzzapfen" (Band 1)

Rezension zu "Frostfeuer - Eisenstern" (Band 2)

Interview mit Marie Sann (2011)

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Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.