Bernhard Hennen (10.03.2009)

 Interview mit Bernhard Hennen

Literatopia: Hallo Bernhard! Den meisten bist Du wohl als „Elfen-Autor“ bekannt. Doch was schreibst Du eigentlich noch? Und was für eine Person verbirgt sich hinter dem Namen auf den Buchcovern?

Bernhard Hennen: In den letzten fünf Jahren hatten tatsächlich die Elfenromane Vorrang vor allem anderen. Davor habe ich auch eine ganze Reihe von historischen Romanen geschrieben. Meine ersten größeren, veröffentlichten Werke waren Fantasy-Rollenspielabenteuer in der DSA-Welt. Daraus entwickelte ich später auch meine ersten Fantasyromane.
Ich fürchte, dass ich nur wenige der üblichen Künstlerklischees erfülle. Abgesehen von gelegentlich etwas abenteuerlichen Reisen weit abseits üblicher Touristenrouten führe ich ein ganz normales Leben mit Familie, Freunden und Hobbies. Selbst meine Arbeitszeiten erinnern mehr an einen Bürojob. Ich bemühe mich in der Regel um 10:00 Uhr am Schreibtisch zu sitzen und verbringe dort mit gelegentlichen Pausen den Rest des Tages bis etwa 22:00 Uhr. Ärgerlicherweise sitze ich dort auch zu oft am Wochenende.

Literatopia: Auch 2009 geht es weiter mit den Elfen. Was erwartet Deine Fans in „Elfenlied“? Und wie bist Du eigentlich damals zu den Elfen gekommen? Wurdest Du vom Verlag angesprochen á la „Möchtest Du nicht etwas zum Thema Elfen schreiben“?

Bernhard Hennen: „Elfenlied“ ist eine Zwischenstation, bevor mit „Elfenkönigin“ im November der nächste große Roman erscheinen wird. Bei „Elfenlied“ habe ich mich an für Fantasy-Autoren sehr unüblichen Genres versucht. Die Novelle über Ganda Silberhand ist eine Autobiographie. Es ist eine Erzählung über die bisher unbekannte Jugend der Lutin und ihren späteren Lebensweg nach ihren Abenteuern mit Ollowain. Die Novelle stellt ein Bindeglied zum geplanten Roman „Elfenkönigin“ und zu etwaigen späteren Werken über den Schattenkrieg dar. Ganda fungiert daneben als fiktive Herausgeberin eines Gedichtzyklus ihrer Freundin Mondblüte. Von den Blattgedichten der Blütenfeen war in den bisherigen Elfen-Romanen schon oft die Rede, hier werden erstmalig welche vorgestellt. Die 99 Gedichte sind kurz, sie müssen ja auf ein Eichenblatt passen. Sie erzählen in ihrer Folge aber dennoch manches Neue aus dem Leben von Blütenfeen. Die eigenartige Überlieferung bringt es mit sich, dass man kaum genau weiß, in welcher Reihenfolge die Wörter oder Wortgruppen zu lesen sind. Ganda entscheidet sich immer für eine favorisierte Lesung und zwei Varianten. Hier dürfen sich Leserinnen und Leser einbezogen fühlen und weitere Varianten ausprobieren. Einem vielfachen Leserwunsch entsprechend ist als weiterer Teil eine Chronologie der drei ersten Elfenromane zusammengestellt worden. Dazu gibt es noch eine Karte von Albenmark und für den Interessierten einen Vorausblick auf den Bildband „Elfenwelten“.
Es fing vor sechs Jahren alles damit an, dass ich beim Heyne Verlag ein Exposé für meinen Roman „Die Elfen“ einreichte. Ich war nicht der Einzige, der diese Idee hatte, aber ich hatte letztendlich das Glück, dass Heyne entschied es mit mir zu versuchen. Damit begann die Arbeit an einem Romanzyklus, der inzwischen rund 5.000 Seiten umfasst. Und in gewisser Weise schloss sich ein Kreis, denn schon bei meinen allerersten Publikationen, den Rollenspielabenteuern für DSA, stand die Geschichte des Elfenvolkes im Mittelpunkt.

Literatopia: Im Laufe des Jahres soll noch ein weiterer Elfen-Roman erscheinen: „Elfenkönigin“. Worum wird es gehen? Stört es Dich, dass es von Holly Black ebenfalls ein Buch mit dem Titel „Elfenkönigin“ gibt? Solche Dopplungen sind gerade im Genre Fantasy wohl schwer zu vermeiden.

Bernhard Hennen: „Elfenlicht“ hat bekanntlich ein offenes Ende. Man fragt sich ja, wie es in Albenmark unter der Herrschaft der Trolle und Kobolde weitergehen könnte. Dieser Handlungsstrang wird in „Elfenkönigin“ aufgenommen, und es werden ausführlich die Ereignisse in den kommenden zwölf Jahren bis zur nächsten Königswahl geschildert.
Über Dopplungen bin ich nicht gerade glücklich, sie sind aber wohl kaum zu vermeiden. In diesem Fall war es so, dass ich schon vor mehreren Jahren den Titel „Elfenkönigin“ schützen ließ und ich, obwohl mein Buch später erscheint als das meiner Kollegin, nachweislich als erster die Idee zu diesem Romantitel hatte. Da es sich aber um völlig verschiedene Bücher handeln wird, ist diese Titelüberschneidung zwar ärgerlich, aber nicht dramatisch.

Literatopia: Die Elfen sind auch als Hörbuch zu erhalten. Warst Du an der Umsetzung beteiligt oder wurde das Hörbuch ohne Deine Beteiligung verwirklicht? Hast Du es Dir selbst schon einmal komplett angehört?

Bernhard Hennen: Alle sechs Elfenromane gibt es in Hörbuchfassungen. Dabei sind Kürzungen unvermeidlich. Daher lege ich aber großen Wert darauf, vor den Aufnahmen die gekürzten Texte noch einmal durchzusehen und zu bearbeiten. Selbstverständlich habe ich mir auch die Ergebnisse angehört, und ich bin vor allem von Hans Peter Hallwachs als Sprecher immer wieder aufs Neue begeistert.

Literatopia: Dein Roman „Das Gesicht am Fenster“ erscheint unter dem neuen Titel „Rabengott“ im April. Was darf sich der Leser von der von Dir bezeichneten „leichten Überarbeitung“ erwarten? Welche Änderungen gibt es konkret?

Bernhard Hennen: Die Geschichte selbst ist unverändert. Es gibt eine Anpassung an die neue Rechtschreibung und einige stilistische Glättungen.

Literatopia: Seit Beginn Deiner schriftstellerischen Karriere hast Du schon einige DSA-Romane geschrieben. Inwiefern musstest Du Dich bei diesen Romane an Vorgaben halten? Fiel es Dir manchmal schwer, diese einzuhalten? Was fasziniert Dich persönlich am schwarzen Auge?

Bernhard Hennen: Ich war bereits als Jugendlicher begeisterter DSA-Rollenspieler. Die damaligen Vorgaben erlaubten viel kreativen Spielraum und davon habe ich reichlich Gebrauch gemacht; u.a. diese Entwicklungsfähigkeit war damals faszinierend. Inzwischen ist die DSA-Welt so groß geworden, dass es schwer fällt noch eigene Nischen zu finden. Wahrscheinlich ist sie zurzeit die am detailliertesten entwickelte Fantasywelt, die es überhaupt gibt. Für die Rollenspieler ist das wunderbar, doch eine Arbeit als Autor wird dadurch anstrengend.

Literatopia: Auf Deiner Homepage gibt es ein Bild mit dem Untertitel „Recherche zum Schwertkampf“. Wie viel Recherchearbeit ist für Deine Bücher eigentlich notwendig? Und wie sieht Recherche bei Dir konkret aus?

Bernhard Hennen: Um zunächst einmal konkret beim Schwertkampf zu bleiben: bis vor einigen Jahren bin ich zuweilen selbst als Schwertkämpfer aufgetreten, beherrsche also komplette Choreographien. Das macht es mir möglich, bei der Schilderung von Kämpfen sehr realistisch sein zu können. Im Allgemeinen sollte auch ein Fantasyautor großen Wert auf Recherche legen; jedenfalls nehme ich das für mich in Anspruch. Als Beispiel mag die Schilderung des Luftröhrenschnitts bei Ollowain in „Elfenwinter“ dienen; dazu habe ich sehr präzise Fachliteratur konsultiert und einen Chirurgen über Heilungsverläufe und mögliche Komplikationen befragt. Das mag im ersten Augenblick etwas übertrieben für einen Fantasyroman klingen, aber umgekehrt bekomme ich von Lesern sehr häufig die Rückmeldung, dass sich meine Geschichten „so echt anfühlen, dass man völlig darin eintaucht“. Für mich ist das eines der schönsten Komplimente, die man als Autor bekommen kann.

Literatopia: Du bist relativ häufig auf Lesungen anzutreffen. Bereitet es Dir große Freude, aus Deinen Büchern vorzulesen? Warst Du bei Deinen ersten Lesungen sehr nervös? Und wie sieht es heute aus? Bist Du da vollkommen ruhig oder klopft auch heute noch manchmal das Herz bis unter die Schläfen?

Bernhard Hennen: Obwohl ich inzwischen rund 15 Jahre Übung habe bin ich immer noch etwas nervös vor Lesungen. Ich glaube aber auch, dass eine gewisse Anspannung vorteilhaft ist, damit Lesungen nicht zum Routinegeschäft werden. Schließlich ist jedes Publikum neu und so ist auch die Herausforderung, seine Hörer zu erobern, stets eine Neue. Nüchtern betrachtet mache ich viel mehr Lesungen, als angesichts knapper Termindispositionen für meine Romane vertretbar ist. Mir macht aber der unmittelbare Umgang mit dem Publikum viel Freude, und die fast immer gute Resonanz ist zugleich auch ein Ansporn.

Literatopia: Was hältst Du eigentlich von Leserunden in Internetforen? Hast Du schon einmal in eine Leserunde zu einem Deiner Bücher reingeschaut? Hast Du vielleicht als Autor daran teilgenommen?

Bernhard Hennen: Natürlich verfolge ich auch diese Szene, und ich finde den kreativen Umgang mit Literatur bereichernd. Selbst übe ich hier jedoch Zurückhaltung. Es ist inzwischen ein Jahr her, dass ich das letzte Mal als Autor an einer Leserunde zu einem meiner Bücher teilgenommen habe.

Literatopia: Es gibt auch ein Forum auf Deiner Homepage. Wie stark beteiligst Du Dich daran? Wie wichtig ist Dir der Kontakt zu Deinen Fans?

Bernhard Hennen: Der Kontakt zu Fans ist mir sehr wichtig. Es kommt zwar viel Lob und Anerkennung, aber hin und wieder finden kritische Leser auch Fehler oder unklare Stellen. Solche Hinweise nehme ich sehr ernst und bin bemüht, bei nächster Gelegenheit Überarbeitungen an den Romanen vorzunehmen. So haben Meldungen im Forum sich durchaus schon bei Neuauflagen meiner Elfenbücher niedergeschlagen. Ich bin zwar regelmäßig als Leser in meinem Forum unterwegs, allerdings trete ich nur selten persönlich in Erscheinung, da es dann meist nicht bei einer kurzen Notiz bleibt, sondern schnell viele Arbeitsstunden aufgefressen werden, die mir dann bei der Fertigstellung meiner Bücher fehlen. Ich stehe aber in ständigem Kontakt mit dem Staff des Forums und der Homepage.

Literatopia: Du hast schon mehrere Auszeichnungen erhalten. Bei welcher hast Du Dich persönlich am meisten geehrt gefühlt? Und wie sehr motivieren Auszeichnungen Dich, weiterzumachen? Oder sind sie Dir vielleicht gar nicht so wichtig?

Bernhard Hennen: Ich bemühe mich, nicht übermäßig eitel zu sein, das ändert aber nichts daran, dass ich mich über jede Auszeichnung als Anerkennung meiner Arbeit sehr freue. Die wichtigste Auszeichnung für mich war zweifellos die Gewährung eines Jahresstipendiums durch die Stiftung des rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes zur Förderung des rheinischen Kulturguts. Die dadurch gewonnene Unabhängigkeit von finanziellen Dingen kam mir in einer ganz entscheidenden Phase meines Schreibens sehr zugute.

Literatopia: Wie hat sich die Verlagssuche bei Deinen Anfängen eigentlich gestaltet? Bist Du von Verlag zu Verlag gezogen und hast Dein Glück versucht oder hattest Du gleich beim ersten einen Volltreffer? Wie sieht das heute aus? Kommen die Verlage inzwischen zu Dir?

Bernhard Hennen: Was diese, für die meisten Schriftsteller höchste Hürde angeht, hatte ich großes Glück. Mir ist das Tingeln von Verlag zu Verlag von Anfang an erspart geblieben. Bei meinem ersten Buch hatte ich das große Glück, gemeinsam mit Wolfgang Hohlbein zu arbeiten, der diese Hürden einfach aus dem Weg geräumt hat. So hatte ich einen viel leichteren Einstieg, als dies sonst bei Autoren üblich ist. Durch meinen Erfolg ist es inzwischen so, dass regelmäßig Anfragen von Verlagen kommen. Allerdings fühle ich mich Heyne sehr verbunden, wo meine Arbeit sehr gefördert worden ist.

Literatopia: Zu einer Frage, die immer wieder interessiert: Warum schreibst Du eigentlich? Und wann hast Du damit angefangen? Hast Du Dir quasi schon immer Geschichten ausgedacht und aufgeschrieben oder hast Du diese Leidenschaft erst für Dich entdecken müssen?

Bernhard Hennen: Noch während meiner Schulzeit habe ich angefangen, als Journalist für den Regionalteil einer großen Tageszeitung zu arbeiten. Damals hatte ich den Traum, eines Tages Auslandskorrespondent zu werden. Glaube ich den Geschichten meiner Eltern, war mein Sinn für das Erzählen schon in meiner Kindheit sehr ausgeprägt. Was mir gelegentlich bei allzu tolldreisten Ausreden auch einigen Ärger einbrachte. Mein Weg zum Autor führte über das Rollenspiel und ergab sich eher zufällig, als aufgrund lange darauf ausgerichteter Lebensplanung. Da die finanzielle Zukunft als Schriftsteller – vor allem in den Anfangsjahren – sehr ungewiss ist, habe ich noch lange parallel als Journalist gearbeitet.

Literatopia: Bei welchem Deiner Romane ist Dir das Schreiben am schwersten gefallen? Hast Du vielleicht schon einmal ein Romanprojekt abgebrochen, weil Du nicht mehr weitergekommen bist? Oder sind Begriffe wie „Schreibblockade“ und „Ideenmangel“ Fremdwörter für Dich?

Bernhard Hennen: Für Außenstehende ist es kaum zu glauben, dass mir ausgerechnet mein witzigstes Buch, „Nebenan“, am schwersten gefallen ist. Das hatte aber nichts mit der Schwierigkeit des Stoffes, sondern mit einer schweren Erkrankung zu tun. Vielleicht lag es gerade an dieser Konstellation, dass dann ein Buch entstand, das eine Kombination aus ökologischem Engagement, Märchen- und Fantasyelementen, Campusroman und skurrilen bis absurden Übersteigerungen wurde. Im Übrigen ist wohl nichts so anstrengend, als fünfhundert Seiten lang witzig zu sein, denn die eigenen Witze erscheinen nach dem dritten Lesen stets fragwürdig und trocken. Allerdings sind sie letztlich wohl ganz gut gelungen und heute habe ich stets großen Spaß, wenn ich bei Lesungen noch einmal „Nebenan“ vorstellen kann.
Ein mir wichtiges zeitgeschichtliches Projekt habe ich einmal aufgeben müssen, weil es sich als zu schwer erwies, dafür einen Verlag zu finden.
Wie vermutlich jeder andere Schriftsteller auch kenne ich Schreibblockaden. Da ist es für mich oft eine gute Lösung, vorübergehend zu anderen notwendigen Dingen auszuweichen, etwa zu Recherchen in der Fachliteratur. Unter Ideenmangel leide ich gewöhnlich nicht, aber es kommt natürlich vor, dass sich nicht auf Anhieb die richtige erzählerische Lösung für etwas findet. Dann arbeite ich an anderen Stellen weiter, bis ich den geeigneten Einfall habe, um den Faden wieder aufzunehmen.

Literatopia: Was wird uns in Zukunft von Dir erwarten? Was planst Du neben den Elfen für das Jahr 2009? Und hast Du schon Pläne für danach?

Bernhard Hennen: Ende 2009 soll „Elfenkönigin“ erscheinen, ein Roman von rund 900 Seiten. Da ist kein Spielraum mehr für andere Projekte.
Danach wird es eine längere Pause geben, weil dann eine neue Trilogie geplant ist, deren drei Bände je etwa 900 Seiten haben werden. Die Bücher werden sehr eigenständig sein, also auch für Neueinsteiger geeignet. Sie handeln in der Frühzeit der Elfenwelt und haben die schon oft erwähnten Drachenkriege und die Neuordnung der Albenmark zum Inhalt. Da die Verhandlungen über die Erscheinungstermine der Bücher noch nicht abgeschlossen sind, kann hier noch keine verbindliche Auskunft gegeben werden.
Es gibt den vagen Plan, eventuell noch einen zeitgeschichtlichen Roman zu schreiben. Dazu möchte ich aber keine Einzelheiten nennen.


Leserfragen

Leserfrage: Wie lief/läuft eigentlich Deine Jurymitarbeit bei der Heyne Ausschreibung "Magische Bestseller" ab? Hat die vierköpfige Jury innerhalb von weniger als vier Wochen wirklich alle Texte gesichtet oder haben die Verlagslektoren vorsortiert? Wieviele Einreichungen gab es? Wie war die Qualität der Texte?

Bernhard Hennen: Die Resonanz auf die Ausschreibung war gigantisch: rund 1.400 Manuskripte wurden eingereicht. Nach Sichtung durch das Lektorat sind davon 31 Texte zur Bewertung durch die Jury ausgewählt worden. Zurzeit lese ich noch sehr intensiv und habe kaum Zeit für andere Dinge. Die macht allerdings wirklich Spaß, da etliche Romane von ausgezeichneter Qualität eingereicht wurden.

Leserfrage: Kann man, wenn man bei so einer Ausschreibung in der Jury aktiv war, danach überhaupt noch bedrucktes Papier sehen? Dein Jury Kollege Klaus N. Frick scheint ja so langsam eine Papier- und Fantasy-Allergie zu entwickeln (Unter Papieren). 

Bernhard Hennen: Anstrengend ist das schon zweifellos. Wenn man allerdings die Berufung in eine Jury annimmt, akzeptiert man auch die damit verbundene Belastung. Alle Bewerber haben viel Fleiß und Energie in ihre Arbeiten investiert. Da ist man es ihnen schuldig, zu sorgfältig abgewogenen Urteilen zu kommen.

Leserfrage: Was bedeutet Deine Heimat Krefeld für Dich? Hast Du einmal etwas aus Krefeld in Deinen Büchern verarbeitet (Erfahrungen, Locations, Gebäude, Menschen, …)?

Bernhard Hennen: Ich lebe gern in meiner Heimatstadt, in der ich seit über acht Jahren wieder wohne, nachdem es Zwischenstationen in Monheim am Rhein und in Köln gab. Von diesen beiden Städten gibt es literarische Verarbeitungen, z.B. in „Könige der ersten Nacht“ und „Nebenan“. In „Könige der ersten Nacht“ gibt es eine kurze Stippvisite in Linn. Allerdings denke ich seit geraumer Zeit über ein größeres Projekt nach, bei dem Krefeld im Mittelpunkt stehen würde und habe bereits begonnen, Material dazu zu sammeln. Wann es aber zur Veröffentlichung kommen könnte, steht noch in den Sternen.

Leserfrage: Warum hast Du bei „Die Elfen“ Deine interessanteste Figur (Nuramon), quasi DEN Sympathieträger, einfach fallengelassen? Bereust Du es? Würdest Du vielleicht noch einmal etwas über ihn schreiben?

Bernhard Hennen: Ich denke, ein großer Teil der Lesernachfragen zu Nuramon beruht gerade auf dem offenen Ende. Man klappt das Buch nicht einfach zu und hat mit der Geschichte abgeschlossen. Das ungerechte Schicksal des Elfen beschäftigt einen weiter. Für mich ist es eines der Kriterien für ein gutes Buch, wenn die Figuren daraus im Kopf der Leser weiterleben. Dies ist bei Nuramon zweifellos gelungen und war vollkommen beabsichtigt. Seine Geschichte weiter zu führen, würde diese Absichten ad absurdum führen.

Leserfrage: Wie ist das, wenn das erste Buch einer Reihe ein so großer Erfolg ist - hat man dann nicht große Angst, dass die nächsten einfach nicht mehr so gut werden? Und dass das die Leser auch durchaus so mitbekommen? Wie geht man mit dieser Erwartungshaltung / diesem Erfolgsdruck um?

Bernhard Hennen: Die Abfolge ist etwas anders. Das erste Buch war natürlich ein Riesenerfolg, aber es war zunächst gar keine Reihe geplant. Als ich dann die Pläne für weitere Elfenromane entwickelt habe, war die Erwartungshaltung allseits sehr hoch. Natürlich bedeutet das Stress, und es war eine ganz neue Erfahrung. Für mich gibt es nur ein Mittel, damit fertig zu werden, nämlich die volle Konzentration auf die neuen Projekte mit nach vorn, nicht zurück gerichtetem Blick. Wichtig ist auch, mit jedem weiteren Roman auch neue Erzähltechniken und im Vergleich zu den Vorgängern andersartige Geschichten zu entwickeln, um nicht zum Epigonen der eigenen Werke zu werden.

Leserfrage: Machst Du Dir manchmal Sorgen, dass Du vielleicht unbewusst eine Geschichte noch mal sehr ähnlich schreibst, nur in anderer Verpackung? Ist Dir das schon einmal passiert, dass zu viele Ähnlichkeiten entstanden und hast Du betreffende Teile dann umgeschrieben?

Bernhard Hennen: Nein, darüber mache ich mir nicht besonders viele Sorgen. Mir kommt dabei entgegen, dass meine Fantasywelt sich mit dem Lauf der Zeit entwickelt und verändert. Wenn es also bei einer Schlacht eine ähnliche Ausgangssituation gibt, dann ergeben sich doch Variationen und Veränderungen, weil sich mit der Zeit auch die Waffen, die Taktiken usw. verändert haben.

Leserfrage: Mal ganz konkret: Gehen Dir Elfen nicht langsam auf die Nerven? Ich habe die ersten drei Elfenbände sehr gern gelesen, aber ich wünschte mir Neues, Innovatives. Ist es einfach Deine Welt oder „lukrativ“? Hattest Du jemals das Gefühl, auf „Die Elfen“ reduziert zu werden?

Bernhard Hennen: Jeder Autor, dem Vergleichbares passiert, befindet sich dann in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite erwarten Verlag und Fangemeinde Fortsetzungen, auf der anderen Seite möchte man sich einmal wieder anderen Genres zuwenden. Ich selbst versuche, eine Kompromisslinie zu finden und den Vorlauf zu den nächsten Romanen etwas zu erweitern, um eventuell dazwischen ein anderes Projekt anzugehen. Außerdem werde ich mit den Elfenromanen, die nach 2009 folgen, einen so grundverschiedenen Weg im Vergleich zu den bereits erschienen Werken beschreiten, dass ich dieselben Freiheiten wie bei einer neu entwickelten Welt haben werde.

Leserfrage: Ich kenne eigentlich nur Deine Beiträge zur Nibelungen-Reihe. Obwohl ich eigentlich keine Verfremdungen mag, hat mich „Das Nachtvolk“ sehr gut unterhalten! Besonders, weil ich merkte, dass Du die Geschichte des Dieners Golo mit einem Augenzwinkern erzählt hast.
Besonders gefiel mir die Veränderung, die der Knecht Golo durchlebt. Ewig mit seinem Los als Diener hadernd und unzufrieden, ergibt sich die Chance, ein Ritter und damit privilegiert zu werden. Welche Überraschung für Golo, dass auch das Ritterleben seine Schattenseiten hat: das Kettenhemd ist schwer und hinderlich, Turniere sind anstrengend, und im Kampf kann man leicht getötet werden.
Ist mein Eindruck richtig, dass Dir die Arbeit an dieser Reihe großen Spaß gemacht hat? Gibt es Pläne, andere alte Sagen in dieser liebevollen, sympathischen Art aufzuarbeiten?

Bernhard Hennen: Der Eindruck ist völlig richtig, mir haben diese Geschichten selbst viel Spaß gemacht. Hinter die Fassaden zu blicken, Eitelkeiten aufzudecken, Denkmäler vom Sockel zu holen, das sind Erzählansätze, die ich für wichtig halte und die die Leserschaft anregen können, Parallelen zu ziehen. Hinzu kam, dass ich viele Erfahrungen aus meiner Zeit als Schaukämpfer auf Mittelaltermärkten eingearbeitet habe. Das hat Spaß gemacht und ließ die Geschichte zugleich auch plastischer werden.

Die Nibelungen-Romane sind in einer Reihe erschienen, die mutmaßlich nicht mehr fortgesetzt wird. Allerdings würde ich sehr gerne in den nächsten Jahren noch einmal einen historischen Roman schreiben. Ich sammele schon seit geraumer Zeit Material dazu. Auch gibt es Pläne zu einem Siegfried-Roman, aber dieses Buch liegt noch in weiter Ferne.

Leserfrage: Der Elfen-Reihe habe ich mich bisher verweigert, weil mich Abscheu erfüllt, wenn auf einem Klappentext der Name Tolkien erwähnt und der Autor damit als Epigone und als Nachahmer, der nur auf einer Welle mitschwimmt, dargestellt wird.
Ist Dir das bewusst, dass mit solch zweifelhafter Werbung viele potentielle LeserInnen abgeschreckt werden? Inwiefern hast Du Einfluss auf die Klappentexte? Stört es Dich vielleicht selbst, dass solche Vergleiche gezogen werden? Ich meine, mich würde es einfach furchtbar ärgern, wenn ich als Tolkiens Abziehbild vermarktet werden würde!

Bernhard Hennen: Solche Empfindlichkeiten habe ich mir abgewöhnt; Werbung ist halt oft ein Geschäft der Vereinfachung. Zwar gehörte Tolkien selbst zu meinen frühen Lieblingsautoren, doch bin ich selbstbewusst genug, um zu meinen, dass ich keinesfalls sein Epigone bin. Mein Bild der Elfen und anderen Völker aus Albenmark ist vollkommen anders als das Bild Tolkiens. Ich lasse mich ja auch auf aktuelle gesellschaftliche Diskurse ein, z.B. den religiösen Fanatismus und Terrorismus, die zu Tolkiens Zeiten längst nicht so im Vordergrund standen. Auf den neueren Büchern sind die Tolkienvergleiche übrigens nicht zu finden. Wenn du die Zeit hast, leih dir eines meiner Bücher aus und lies es. Du wirst mir zustimmen, dass sie sehr anders sind.

Leserfrage: Was hältst Du eigentlich von "Die Elfen sind voll geil"-Fans? Also mal vorsichtig ausgedrückt: Einfach gestrickte Erstleser, bei denen sich die Serie größter Beliebtheit zu erfreuen scheint. Die stürmen nämlich in regelmäßigen Abständen das Fantasy-Forum, müllen den Elfen Thread voll und verschwinden dann wieder. So extrem habe ich das sonst bei keinem anderen Autor gesehen. Freut man sich darüber? Oder blickt man als Autor da eher skeptisch drauf?

Bernhard Hennen: Dass es auch solche Extreme gibt, war mir bisher gar nicht so bewusst. Aus Rückmeldungen weiß ich aber, dass es mir offenbar häufig gelingt, junge Menschen überhaupt erst zum Lesen anzuregen. Das halte ich für wichtiger als schnell vorübergehenden Enthusiasmus. Wenn aber etwas von mir nicht erwartet werden kann, dann ist es Leserschelte. Ich bitte hier um dein Verständnis. Jeder neue Leser ist ein Stein, auf dem man in Zukunft bauen kann. Auch in Foren.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview, Bernhard!


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Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.