"Leipzig liest" im 20. Jahr (17. bis 20. März 2011)

„Leipzig liest“ im 20. Jahr: Europas größtes Lesefest geht 2011 mit über 2000 Veranstaltungen und 1500 Autoren an 300 Leseorten an den Start. Für Buchmesse-Direktor Oliver Zille ist die schiere Größe des Mammut-Events dennoch nicht der entscheidende Maßstab.

Auf der Programm-Pressekonferenz im neuen, offiziell erst Anfang Mai öffnenden Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek sagte er: „Ich empfinde es als unseren größten Erfolg, dass wir ein Geschäftsmodell gefunden haben für Festival und Messe. Das Festival steht auf festen Beinen – heute und in der Zukunft. Wir sind von keinem Kulturetat, keinem Großsponsor abhängig. Die Basis sind mehr als 1000 Verlage, mit denen wir zusammenarbeiten.“ Leipzigs guten Ruf in der Branche bestätigte auch Christiane Munsberg, Kulturreferentin beim Club Bertelsmann: „Nirgendwohin kommen die Autoren so gern.“ Munsberg erinnerte daran, dass der Club das Erfolgsmodell „Leipzig liest“ 1992 finanziell mit 300.000 Mark angeschoben hatte, bis 2003 flossen jährlich Summen „im sechsstelligen Bereich“; seitdem präsentiert sich Bertelsmann mit eigenen Reihen wie dem „Blauen Sofa“ oder den „Jüdischen Lebenswelten“.
Viele andere Initiativen und Festivals, zuletzt die 2009 im Rahmen der Frankfurter Buchmesse aus der Taufe gehobenen „Open Books“ (2010: 160 Veranstaltungen mit 170 Autoren) sind von Leipzig inspiriert und nachhaltig beeinflusst worden. Dem Original hat das nicht geschadet. Im Jubiläumsjahr präsentiert sich der Lese-Marathon gewohnt opulent. Als Gäste werden unter anderem die Deutsche Buchpreisträgerin Melinda Nadj Abondji, Jacob Arjouni, Mary Jo Bang, Zsuza Bank, Arno Geiger, Petra Hammesfahr, Wolfgang Herrndorf, Rolf Hochhuth, Einar Kárason, Karl Ove Knausgård, Helmut Krausser, Andri Snaer Magnason, Sven Regener, Clemens Setz, Peter Stamm, Uwe Timm, Birgit Vanderbeke und Wolf Wondratschek erwartet.

Daneben steht in diesem Bücherfrühling das politische Buch im Mittelpunkt. Neben mitteilungsfreudigen Politikern wie Günther Beckstein, Kurt Biedenkopf, Petra Roth und Peer Steinbrück wird besonders der Auftritt des 93jährigen ehemaligen Résistance-Kämpfers und Buchwenwald-Überlebenden Stéphane Hessel („Empört euch!“) mit Spannung erwartet, der am Messefreitag in der Peterskirche lesen soll. Im Kampf um die knappe Ressource Aufmerksamkeit setzt die Messe wie gewohnt auf junge Literatur: Zu bewährten Veranstaltungsformaten wie der „Langen Leipziger Lesenacht“ oder „UV-Lesung“ der unabhängigen Verlage im Westflügel der Schaubühne Lindenfels tritt 2011 unter dem kulinarischen Motto „Teil der Bewegung. Lyriknacht an Musik“ erstmals ein Trendsetter-Treffen der jungen deutschsprachigen Dichter-Szene. Dazu boomende Krimi-Lesungen, 136mal Mord und Totschlag an vier Tagen, der 50. Geburtstag von dtv, der erste Auslandsauftritt der Swiss Independent Publishers (SWIPS) und sagenhafte Isländer, die schon mal den Frankfurter Herbst einläuten - „Leipzig liest“ ist so bunt und vielfältig wie die Welt der Bücher selbst.

Klar dominiert wird das Auslandsprogramm in diesem Jahr vom serbischen Gastland-Auftritt und dem flankierenden Balkanprogramm. Mit über 100 Autoren aus der Region ist es, so Zille „das größte Südosteuropa-Literaturprojekt nördlich der Alpen seit dem Zerfall Jugoslawiens“. Möglich wurde es durch die Zusammenarbeit vieler: Neben Partnern in den einzelnen Ländern waren es vor allem das Auswärtige Amt, die Robert Bosch Stiftung, das europäische Netzwerk Traduki und all jene Verlage, die jetzt mit mehr als 30 druckfrischen Übersetzungen auf den Markt kommen.

Allzu viel Aufhebens will Oliver Zille nicht um das runde „Leipzig liest“-Jubiläum machen: „Besser als das ständige Schneller-Höher-Weiter ist ein rundes, vielfältiges Programm, das möglichst jedem etwas bietet.“ Also keine Jubel-Gala, sondern – in Zeiten, wo alle über Digitalisierung reden, durchaus passend – ein unaufgeregter neuer Service für alle Messe-Gäste: Um die Orientierung im Veranstaltungs-Dschungel nachhaltig zu verbessern, kommt das „Leipzig liest“-Programm auf alle internetfähigen Mobilgeräte. Die 400seitige Druckausgabe gibt’s erst ab Anfang März.

http://www.leipzig-liest.de


Quelle: boersenblatt.net