Der Übergang (Justin Cronin)

Goldmann (August 2010)
hardcover, 1024 Seiten
ISBN: 978-3-453-52665-5
€ 22,95 [D]

Genre: Horror


Klappentext

Bevor sie das Mädchen von Nirgendwo wurde – das Mädchen, das plötzlich auftauchte, die Erste und Letzte und Einzige, die tausend Jahre lebte – war sie nur ein kleines Mädchen aus Iowa und hieß Amy. Amy Harper Bellafonte.

Das Mädchen Amy ist gerade einmal sechs Jahre alt, als es von zwei FBI-Agenten entführt und auf ein geheimes medizinisches Versuchsgelände verschleppt wird. Man hat lange nach Amy gesucht: der optimalen Versuchsperson für ein mysteriöses Experiment, das nichts Geringeres zum Ziel hat, als Menschen unsterblich zu machen. Doch dann geht irgendetwas schief – völlig schief. Von einem Tag auf den anderen rast die Welt dem Untergang entgegen. Und nur eine kann die Menschheit vielleicht noch retten: Amy Harper Bellafonte.


Rezension

Ausgerechnet das unscheinbare, kaum sprechende Mädchen, Amy Harper Bellafonte, soll einmal die Menschheit retten. Seine Kindheit könnte kaum trauriger sein. Ihre liebende Mutter versucht alles, um ihre Tochter und sich über die Runden zu bringen, schließlich bleibt ihr aber nichts anderes übrig, als ihr Kind in die Obhut der Ordensschwester Lacey zu geben. Dass Amy etwas Besonderes ist, merkt die Frau sehr schnell. Gott hat sie zu ihr geführt. Ab diesem Tag weiß sie, dass die dem Mädchen alles geben wird, was es braucht, und sie mit ihrem Leben beschützen würde wenn nötig. Was sie nicht ahnt, ist, dass zwei FBI-Agenten auf dem Weg sind. Amy ist dazu auserkoren, ein Teil eines militärischen Experiments zu sein. Versuchsobjekt Nummer 13. Projekt NOAH schlägt fehl. Der Virus bricht aus und stürzt die Menschheit in den Abgrund. Eine neue Zeit bricht an für die Überlebenden und auch die neigt sich dem Ende zu. Ihre Einzige Hoffnung ist Amy.

"Der Übergang", ein Buch so schwer wie ein Ziegelstein. Mit über 1000 recht klein bedruckten Seiten ist es der Anfang einer Trilogie. Dem Ausmaß nach zu urteilen, fällt der Roman eher in die Kategorie Fantasy als Horror, zudem er aber zweifelsfrei zählt. Immerhin springt Justin Cronin mit "Der Übergang" auf den Vampirzug auf. Allerdings machte er viel anders und besser als andere Genrevertreter.
Ähnlich wie bei Guillermo del Toros "Die Saat" sind Cronins Vampire, im Buch Virals oder Smokes genannt, realitätsnaher. Doch Cronin macht sich sogar die Mühe weiterzudenken. Statt eines dämonischen - aber irgendwie süßen Fürsten des Bösen - gibt es eine neue Spezies als Gegner. Einen neuen Jäger an der Spitze der Nahrungskette. Wie jedes Tier hat auch der Viral den Wunsch, seine Art zu erhalten, was darin resultiert, dass nicht jedes Säugetier sofort getötet werden kann. Zusätzlich darf nicht jedes Opfer infiziert werden, denn eine Überpopulation würde ebenfalls zu eine Dezimierung der Nahrungsquelle bedeuten. Solche Details sind es, die den Lesespaß ungemein steigern.
Der Ursprung des Vampirismus ist ein exotischer Virus, den sich das Militär zu Nutze machen möchte. Zwar sterben die Infizierten innerhalb weniger Tage, doch zuvor erleben sie eine einzigartige Veränderung. Unheilbare Krankheiten wie Krebs im Endstadium werden kuriert und eine sichtbare Verjüngung findet statt. Das Potential bei einem abgewandelten Virus ist enorm. Besonders aus militärischer Sicht. In diesem Szenario ist also der Mensch der Böse, der die Finger nicht von der Natur lassen kann. Durch diese Manipulation unterschreibt er sein Todesurteil.
Nach über 300 Seiten wird der Leser 90 Jahre in die Zukunft katapultiert. Hier beginnt die eigentliche Geschichte: Eine von der Außenwelt abgeschottete Lebensgemeinde kämpft um ihre Existenz, doch deren Zeit scheint abzulaufen. Die Technik aus der "Zeit Davor", die sie beschützt, fällt dem allmählichen Verfall zum Opfer.

Justin Cronin hat mit "Der Übergang" ein echtes Mammutwerk abgeliefert. Auf den ersten Blick ist es eigentlich nichts Neues. Inspirationen von anderen Filmen und Büchern sind unverkennbar, aber er verzichtet glücklicherweise darauf, sich auf bewährten Schemata vom Reißbrett auszuruhen. Ebenso erfreulich ist, dass es sich hier nicht um einen effekthascherischen Schocker handelt, der über eine magere Story mit Logikschwächen hinweg zu täuschen versucht. Der Horror des Romans entsteht durch die vorstellbare Zukunftsvision. Auch wenn der Menschen vermutlich nie zu einem Zombie oder Vampir mutieren wird, ist diese Überzeichnung der Konsequenzen unserer selbstzerstörerischen Handlungen nicht von der Hand zu weisen. Das wahre Grauen liegt in dem Wahrheitsanteil und dem Unanfechtbaren.
Hier kommen die ausgezeichneten Charaktere von der "Der Übergang" ins Spiel. Selten wurden die Personen in einem Horrorroman so sehr mit Leben gefüllt. Cronin verzichtet auf jegliche Klischees und Schubladenaufteilung. Somit gibt es keinen typischen Helden, keinen Pausenclown, keinen Verlierer und auch keine Statisten, die man, wenn es gerade langweilig wird, den Vampiren zum fraß vorwerfen kann. Was nicht bedeutet, dass die Charaktere nicht ihre eigenen Macken, Stärken und Ängste haben. Jede Figur ist so wie sie sonst nur das Leben selbst schreibt. Dafür verwendet der Autor aber auch viel Zeit, was dem eingefleischten Horrorfan einige spannungsfreie Passagen aufzwingt, die er schlicht als langweilig und unnütz abtun wird. Das werden aber die wenigsten sein. In Wahrheit machen sie das Buch aber erst zu dem was es ist.

1000 Seiten wollen auch sprachlich überzeugen. Justin Cronin, aber auch der gern vergessene Übersetzer, hier Rainer Schmidt, machen einen grandiosen Job, die richtigen Worte zu finden, um den Leser in diese Welt eintauchen zu lassen. Neben der schönen und stimmungsvollen Sprache sorgen einige erzählerische Techniken für Abwechslung. Um lange Passagen zu kürzen, werden z.B. Tagebucheinträge und E-Mails genutzt, um den Leser mit Informationen zu versorgen. Und das Beste, keine Rechtschreibfehler weit und breit.


Fazit

Die Kombination aus Horror und der Ausführlichkeit eines Fantasyromans wirkt wahre Wunder. Vorausgesetzt, die Qualität der Folgebände lässt nicht nach, hat Justin Cronins "Der Übergang" das Zeug zu einem Klassiker.


Pro und Kontra

+ ausführlich ohne langweilig zu sein
+ sehr durchdachte „Vampire“
+ spannend
+ ausgezeichnete Charakter
+ Potential zum Klassiker
+ keine Klischees

Beurteilung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


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