Julie Peters (16.03.2011)

Interview mit Julie Peters

Literatopia: Hallo Julie! Schön, Dir ein paar Fragen stellen zu dürfen. Stell Dich doch bitte allen Lesern kurz mit eigenen Worten vor. – Wer bist Du und was machst, bzw. schreibst Du?

Julie Peters: Geboren bin ich 1979. Ich lernte lesen, lernte Schreiben, lernte, Bücher zu verkaufen. Danach habe ich ein paar Jahre als Buchhändlerin gearbeitet, aber schon während dieser Zeit schlich sich immer wieder das Schreiben in mein Leben, weshalb ich dann nach sieben Jahren dem Buchhandel den Rücken kehrte, ein Studium begann und dieses dann geradezu nahtlos in die Vollzeitschriftstellerei überging. Und jetzt sitze ich mir jeden Tag von neun bis fünf den Popo rund und schreibe Romane.

Literatopia: Gerade ist Dein erster Roman „Das Lied der Sonnenfänger“ erschienen. Kannst Du uns einen kurzen Abriss zur Story geben? Was erwartet den geneigten Leser?

Julie Peters: „Das Lied der Sonnenfänger“ erzählt die Geschichte der Familie O’Brien, die 1894 von Irland nach Neuseeland auswandern und sich dort eine neue Existenz aufbauen wollen. Im Mittelpunkt stehen Emily O’Brien und Siobhan, ihre Schwägerin. Die beiden Frauen sind grundverschieden – während in Emily der undamenhafte Wunsch schlummert, zu schreiben, will Siobhan ihrem Mann Walter die perfekte Ehefrau sein. Beide Frauen müssen sich nicht nur dem neuen Leben stellen, sondern auch ihren Weg finden – der nie besonders einfach ist.

Literatopia: Walter ist ein sehr zwiespältiger Protagonist. Sein Charakter und seine Handlungen verhalten sich oft konträr. Seine Frau Siobhan ist ebenso einmalig und besonders wandelbar. Mit diesen Paar sind Dir sehr markante Protagonisten gelungen, möchtest Du noch zu den beiden etwas mehr erzählen? Wie sind sie zu dem geworden, was sie sind?

Julie Peters: Das ist nicht leicht zu beantworten. Meine Arbeitsweise ist ein bisschen unkonventionell. Bevor ich diesen Roman schrieb, wusste ich natürlich, wo diese Geschichte beginnt (wie die beiden zu Beginn sind) und wo sie endet (das heißt, welche Entwicklung sie durchmachen). Wie auch bei den anderen Figuren

Literatopia: Bist Du selber in Neuseeland gewesen, um zu recherchieren? Oder hast Du Dir Dein teils auch historisches Wissen aus diversen Büchern angeeignet?

Julie Peters: Das wäre schön gewesen, mal nach Neuseeland zu kommen … Aber leider war es zu dem Zeitpunkt nicht möglich. Und auch jetzt ist es nicht gerade leicht, ich scheue den langen Flug. Aber zum Glück hat jemand für Leute wie mich das Internet erfunden. Ich tauche bei meinen Recherchen sehr tief ab, ich wühle mich durch wahre Informationsberge, beziehe viel über die Fernleihe und lege mir natürlich auch viel Literatur zu, die dann immer griffbereit im Regal liegt.

Literatopia: Über einen Zeitraum von 10 Jahren können die Leser die Geschichte der Familie O’Brien verfolgen. Wie lange hast Du für die Vorbereitungen des Romans gebraucht und bis zur Erstellung des fertigen Werkes? Gab es etwas Entscheidendes, was dich dazu bewog, genau diese Story zu schreiben?

Julie Peters: Mich reizt an einer bestimmten Geschichte nicht bloß das Setting. Ich bin ja nicht nur in Neuseeland schreibend zu Hause, sondern auch im 12. Jahrhundert, wo ich mich mit meinem Mädchennamen Juliane Korelski nebst historischen Romanen herumtreibe.

Was mich reizt, sind die Personen. In diesem Fall war es so, dass die Familie O’Brien ziemlich schnell sehr deutlich vor mir stand. Ich wusste, ich würde einen Neuseelandroman schreiben, und alles, was sich daraus entwickelt, lasse ich dann auf mich zukommen. Es ist ein bisschen (also, nur am Anfang), als würde ich meine Antennen auf Empfang stellen, und dann kommt schon was. In diesem Fall kam Familie O’Brien. Die Vorbereitungen für den Roman haben dann recht lang gedauert, von der ersten Idee bis zum Schreiben hat es wohl so fünf bis sechs Monate gedauert. Ähnlich lange habe ich dann auch fürs reine Schreiben gebraucht. Dabei habe ich mir immer wieder Feedback von meiner Lektorin geholt, die mich beim Schreiben immer wieder auf kleine Fragen und Probleme gestoßen hat, die
ich selbst so auf Anhieb gar nicht gesehen habe.

Literatopia: Wird es eine Fortsetzung geben, denn das Ende lädt ja praktisch dazu ein, das Leben der O’Briens weiter verfolgen zu wollen?

Julie Peters: Oh ja! Im Moment arbeite ich bereits an der Fortsetzung. Leider darf ich da noch gar nichts verraten, aber man wird natürlich vielen alten Bekannten begegnen – und so manche neue Persönlichkeiten kennenlernen, die das Zusammenleben der O’Briens gehörig durcheinander bringen. Aber ich darf natürlich noch nichts verraten …


Allgemeine Fragen

Literatopia: Eine allseits beliebte Frage, die in einem Interview nicht fehlen darf: Wann und warum hast Du mit dem Schreiben begonnen? Gab es eine Art „Auslöser“ oder hast Du "schon immer" zur Feder gegriffen?

Julie Peters: Ich bin vom Typ „schon immer“, glaube ich. In der Grundschule schrieb ich mal einen fünfeinhalbseitigen Aufsatz über einen kurzsichtigen Kraken und eine Schatzsuche. Die Fabulierlust habe ich übrigens von meinem Vater geerbt; meiner Mutter hingegen verdanke ich den Hang zum Durchbeißen.

So richtig Feuer fing ich dann später, und auch nicht so, dass ich irgendwann nichts anderes mehr machen konnte; es gab eben immer wieder Phasen, da schrieb ich erst auf der uralten Schreibmaschine meines Vaters, später bekam ich eine knallig orange, gebrauchte elektrische Schreibmaschine zum Geburtstag. Danach kannte ich natürlich kein Halten mehr. Es entstanden viele Experimente, später dann (bis 16 bis 18) viel Experimentelles, aber danach wusste ich irgendwie, dass ich auf jeden Fall veröffentlichen will. Und dass es Romane sein müssen.

Literatopia: Wo und wann schreibst Du am liebsten? Bist Du eher der Schreibtisch-Typ oder schreibst Du gerne unterwegs, z.B. im Zug oder in einem Straßencafé?

Julie Peters: Am allerliebsten schreibe ich in absoluter Stille. Was ich auch gerne mag: im Sommer auf dem Balkon, vorzugsweise im Schatten, aber da könnte ich dann stundenlang sitzen und die Finger über die Tastatur huschen lassen. Inzwischen bin ich nicht mehr so oft unterwegs, weshalb das Schreiben im Zug ausfällt; ich habe es früher auch nur gemacht, weil es sich ergab, weil ich die Zeit füllen wollte. Inzwischen genieße ich es, während langer Zugreisen einfach ein Buch zu lesen.

Straßencafés sind toll, wenn man beim Schreiben gerade überhaupt nicht weiterkommt. Dann schnappe ich mir mein Notebook (das auf den Namen Floyd Eliott II. hört) und setze mich in ein Café, beobachte Menschen, lasse mich von der Atmosphäre inspirieren … Ich kann tatsächlich an vielen Orten schreiben. Am häufigsten sitze ich allerdings in meinem Arbeitszimmer. Dafür ist es schließlich da, und ganz ehrlich: wenn ich erst bis über beide Ohren in der Geschichte drinstecke, ist es egal, wo ich mir den Hintern plattsitze, dann bin ich nämlich ganz und gar in dieser Welt abgetaucht.

Literatopia: Wie viele abgeschlossene Romane liegen eigentlich in Deiner Schublade? Besteht die Möglichkeit, dass Du einer dieser Geschichten noch mal eine Chance gibst und sie überarbeitest? Oder war „Das Lied der Sonnenfänger“ Dein erster vollständiger Roman?

Julie Peters: Ziemlich genau: einer. Das klingt, als hätte ich auf Anhieb genau dieses Buch geschrieben. Stimmt gar nicht. Ich habe bereits 2009 meinen ersten historischen Roman veröffentlicht („Die Bastardin“ bei Piper Taschenbuch), und vorher gab es schon viele Auftragsarbeiten und kleine Projekte, die sich für mich als große Chance erwiesen: zum einen wurde ich quasi schrittweise an die große Form herangeführt (auch heute ist alles über 500 Seiten für mich eher abschreckend, sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben), und zum zweiten konnte ich mich erst ausgiebig ausprobieren. Ich habe mit jedem Roman etwas dazugelernt, und das Schöne ist: das hört nicht auf, das geht so weiter.

Literatopia: Gibt es Bücher, bei denen Du Dir denkst: „Mensch, hätte ich doch diese Idee gehabt!“? Oder hattest Du schon einmal eine Idee, die Du verworfen hast, weil Du in der Buchhandlung einen Roman mit einer sehr ähnlichen Idee entdeckt hast?

Julie Peters: Ich denke nicht so. Weder noch. Zum ersten: es gibt Ideen und Konzepte, die ich bewundere, Romane, die ich schlicht toll finde. Das kann ich neidlos anerkennen, da hat einfach jemand etwas Großartiges erschaffen, und wenn ich von diesem Roman unterhalten werde, dann ist mir das genug.

Zum zweiten: selbst wenn ich eine ähnliche Idee habe, ist es doch immer etwas Anderes als das, was ein anderer Autor daraus macht. Man kann sicher hingehen und zehn Autoren ein Thema vorlegen. Man bekommt zehn völlig unterschiedliche Romane, und jeder dieser Romane hat seinen Reiz. Natürlich schwirren mir immer viele Themen im Kopf herum, über die ich gerne schreiben möchte. Und wenn dann in der Buchhandlung auf dem Tisch ein Buch liegt, das etwas Ähnliches aufgreift, dann ist mir früher auch schon immer das Herz ein bisschen stehengeblieben, und ich hab dann geglaubt, das Thema sei für mich und alle Zeiten gestorben. Aber so ist es wirklich nicht. Und inzwischen habe ich so verrückte und abgedrehte Ideen, da kommt im Moment einfach gar niemand drauf, und das finde ich richtig toll!

Literatopia: Wie dürfen wir uns die Privatperson Julie Peters vorstellen, womit verdienst Du Deinen Lebensunterhalt und was beschäftigt Dich in deiner Freizeit?

Julie Peters: Die Privatperson Julie Peters ist eigentlich total normal. Ich arbeite inzwischen seit drei Jahren als Vollzeit-Autorin und Übersetzerin. Das heißt, auch ich muss mich morgens an meinen Schreibtisch quälen. Nur ist mein Arbeitsweg nicht so weit wie für viele andere.

Meist arbeite ich auch konsequent zu typischen Bürozeiten, also irgendwann zwischen neun und fünf, wobei das natürlich zu beiden Seiten offen ist. Schön ist, dass ich mir einfach mal einen halben Tag freinehmen kann, wenn ich dann dafür nachts arbeite, das genieße ich sehr. Ich lese viel; das gehört, finde ich, zu diesem Beruf einfach dazu. Aber mein Mann und ich sind auch kleine Serienjunkies; im Moment arbeiten wir uns kontinuierlich durch die erste Staffel „The Wire“, und vorher hat mich „Mad Men“ sehr begeistert und beeindruckt. Natürlich ist das nicht alles; aber ein bisschen privat möchte die Privatperson Julie Peters schon bleiben.

Literatopia: Das Internet bietet Fans ja viele Möglichkeiten, mit den Autoren persönlich in Kontakt zu treten. Ich habe auch das Vergnügen gehabt, Dich in einer Leserunde kennenzulernen. Wie intensiv nutzt Du solche Möglichkeiten? Suchst Du bewusst den Kontakt zu Deinen Fans?

Julie Peters: Ich nutze diese Möglichkeiten gerne, sei es über Leserunden, bei Lovelybooks, bei Twitter (mich findet man dort als @jules79) oder über mein Blog (http://jules.bloginsel.de), das ich bereits seit fünf Jahren führe. (bei Facebook bin ich übrigens nicht. Falls mich dort wer sucht.)

Ich mag es, mich mit Lesern auszutauschen. Damit meine ich nicht zwingend die Leser meiner Bücher, sondern ruhig auch Leser allgemein; da ich auch viel und gerne lese, finde ich das schön. Und da ich mein Blog bereits seit 2005 in dieser Form führe (damals habe ich nicht im Traum daran gedacht, mal ein so erfolgreiches Buch zu schreiben), ist es für mich auch ein kleiner Spiegel meines Werdegangs als Autorin, und manchmal blättere ich auch gerne zurück.

Literatopia: Wie hältst Du es mit der Konkurrenz? Schaffst Du es überhaupt noch, selbst zu lesen? Ein bevorzugtes Genre? Oder ein Lieblingsautor? Welches Buch liegt gerade jetzt auf Deinem Nachttisch?

Julie Peters:: Oh, und wie ich selber lese! Ich fände es schrecklich, wenn mir das Schreiben die Zeit fürs Lesen stehlen würde oder wenn es mir das Lesen vergällen könnte. Das kann es zum Glück nicht; es gibt aber Phasen beim Schreiben, da kann ich etwas weniger lesen als in anderen Phasen. Wenn ich einen Roman überarbeite z.B. kann ich nicht gleichzeitig was anderes zur Entspannung lesen.

Und meistens lese ich wirklich nur zur Entspannung und rein zum Vergnügen. Ich lese gerne die Bücher deutscher Autoren, und mit vielen Kollegen bin ich privat inzwischen gut befreundet, und das nicht nur, weil ich ihre Bücher liebe (ich liebe sie auch, klar!) Ich habe kein bevorzugtes Genre; in mein Regal wandert, was mich in der Buchhandlung beim Stöbern anspringt, und wartet dann dort, bis es gelesen wird.

Einen Lieblingsautoren zu benennen, fällt mir schwer. Viele Autoren begeistern mich, aber dass einer so sehr hervorsticht, dass ich ihn über alle anderen heben muss – nein. Das nicht. Und auch bei den Genres liebe ich die Vielfalt: ich lese natürlich gerne die Genres, die ich selbst auch schreibend bereise; aber außerdem mag ich auch viele Jugendbücher, ich vertiefe mich gerne in viele Unterhaltungsromane, interessiere mich auch für die Klassiker. Okay, ein Favorit unter vielen sei hier genannt: alle paar Jahre muss ich einfach „Effi Briest“ von Theodor Fontane lesen, und ganz ehrlich, ich entdecke in diesem Buch bei jeder neuen Lektüre andere Aspekte, die mich in noch tiefere Vernarrtheit stürzen als beim letzten Mal.

Im Moment liegen einige Bücher auf meinem Nachttisch: da ist zum einen Bettina Belitz‘ Splitterherz, das mir die Abendstunden vorm Einschlafen versüßt. Außerdem haben wir da Thomas Asbridge mit seiner Abhandlung über „Die Kreuzzüge“, das ich vor allem deshalb lese, weil ich einfach das 12. Jahrhundert liebe (und alles drumherum). Zum Dritten liegt da Maya Rodale mit ihrer Romance „A Groom of One’s Own“.

Literatopia: Wie geht es jetzt weiter bei Dir, was ist in diesem Jahr noch geplant? Werden wir Dich auf den Buchmessen sehen oder ist vielleicht sogar eine Lesereise geplant?

Julie Peters: Die Leipziger Messe schaffe ich dieses Jahr leider nicht. Was ich schade finde, da Leipzig immer ein großes Lesefest ist. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr. Dafür bin ich aber auf jeden Fall wieder in Frankfurt, aber vermutlich „nur“ von Mittwoch bis Freitag, da ich am Wochenende drauf schon andere Verpflichtungen habe. Eine Lesereise ist bisher noch nicht geplant. Aber falls es soweit kommt, werde ich diese natürlich vorher in meinem Blog ankündigen.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview, Julie!

Julie Peters: Ich habe zu danken! Das waren ein paar spannende und interessante Fragen.


Über die Autorin

Julie Peters ist das Pseudonym der Schriftstellerin und Übersetzerin Juliane Korelski. Nach sieben Jahren im Buchhandel hängte sie den Job an den Nagel, zog vom Westfälischen ins Rheinland und begann ein Studium der Geschichte und Antiken Kulturen. Das Studium verschaffte ihr die Grundlagen der Recherche, die sie zuvor stets vermisste, wenn sie sich in ihrem liebsten Genre – dem historischen Roman – versuchte. Seit dem April 2008 arbeitet sie als Autorin und Übersetzerin. Als Juliane Korelski hat sie den historischen Roman Die Bastardin geschrieben, ihr neuestes Projekt ist eine CD mit Regensburger Sagen und Legenden.

Mehr Informationen unter julianekorelski.de


Rezension zu "Das Lied der Sonnenfänger"

Blog der Autorin: jules.bloginsel.de/


Dieses Interview wurde von Patricia Twellmann für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.