Astrid Vollenbruch (10.03.2009)

 

Interview mit Astrid Vollenbruch 



Literatopia: Hallo Astrid, schön, dass Du dem Interview zugestimmt hast!
Erzähl doch einmal kurz von Dir. Wie würdest Du Dich in ein paar Worten beschreiben, was für ein Mensch bist Du?

Astrid Vollenbruch: Äh ... können wir die Frage weglassen? Ich hasse es, mich selbst zu beschreiben ... ok, das ist auch schon eine Beschreibung. :) Also schön, ich versuche es mit ein paar Stichworten. Zurückhaltend, einzelgängerisch, introvertiert. In einer Gruppe, die ich kenne, kann ich allerdings auch zum Pausenclown mutieren, weil ich Leute gern zum Lachen bringe. Pragmatisch und voller verrückter und unrealistischer Ideen. Ungeduldig, reizbar, undiszipliniert (ich hätte heute soooo viel tun müssen ...) und unordentlich. Friedfertig und streitscheu. Entschiedene Emanze, allerdings nicht politisch aktiv. Atheistin. Reicht das?

(Anm. d. Redaktion: (lacht) Ja, das reicht ...)



Literatopia: Ein Wunschtraum vieler Autoren, doch immer wieder wird davon abgeraten: Anfang des Jahres bist Du das Wagnis eingegangen, Deinen Job zu kündigen und ganz von der Schriftstellerei zu leben. Wie läuft es damit? Ist das noch ein bisschen Sprung ins kalte Wasser oder schwimmst Du schon recht sicher?

Astrid Vollenbruch: Ich versuche noch, an die Oberfläche zu kommen. Den Job habe ich schon im letzten Juli gekündigt, und bis zum Jahresende lief alles ganz gut. Jetzt ist aber die „Einhornzauber“-Serie beendet, Neues ist noch nicht spruchreif, und ich habe keine Ahnung, ob mich die Tantiemen der ???-Hörspiele und Lizenzen tragen können. Für jemanden, der unterhalb der Armutsgrenze nicht existieren kann, ist dieser Zustand definitiv nichts, aber ich komme – seit vielen Jahren – ganz gut damit zurecht.

Literatopia: Apropos „von Veröffentlichungen leben“ – wird demnächst wieder ein Buch von Dir erscheinen? Kannst Du uns schon etwas darüber verraten?

Astrid Vollenbruch: Ich arbeite gerade an einem „drei ???“-Buch, aber dazu möchte ich noch nichts sagen.

Literatopia: Wie bist Du eigentlich zum Schreiben gekommen? Und was waren für Dich die Höhe- bzw. Tiefpunkte Deiner schriftstellerischen Karriere?

Astrid Vollenbruch: Mit dem Schreiben habe ich angefangen, weil ich als Jugendliche niemanden zum Reden hatte. Ich war ziemlich verkorkst und verängstigt und bin in die Bücherwelt geflohen. Nach einigen Fantasygeschichten wie dem Herrn der Ringe, der Erdzauber-Trilogie von Patricia A. McKillip und der großartigen Version des Mabinogi-Zyklus von Evangeline Walton hatte ich Blut geleckt und wollte auch. Ich wollte diese Art von Sprache beherrschen. Ich wollte Geschichten erzählen. Und da ich von meinen „Gesprächspartnern“ normalerweise nach anderthalb Sätzen abgewürgt wurde oder vor lauter Panik sowieso kein Wort herausbekam, blieb nur der Weg aufs Papier.

Die Höhepunkte der „Karriere“ waren sicher die Veröffentlichungen. Aber die Höhepunkte des Schreibens sind die Gefühle, wenn sich Ideen plötzlich zusammenfügen, wenn die Sätze mich so mitreißen, dass ich die einzelnen Wörter nicht mehr sehe, oder wenn ein Satz exakt das aussagt, was er soll.

Tiefpunkte gab es auch. Zum Beispiel den Moment, als ich nach achtzehn zum Teil mehrhundertseitigen Anfängen einsehen musste, dass mein cooler Protagonist einfach keine Geschichte hatte. Oder die Zeit als Ghostwriter, als ich einen absolut undurchführbaren Auftrag bekam. Ich quälte mich wochenlang damit herum, schaffte zweihundert Seiten oder so, musste endlich doch aufgeben und bekam Prügel, weil ich nicht rechtzeitig Bescheid gesagt hatte, dass es mit diesen Vorgaben einfach nicht ging. Das Buch wurde dann auch nicht veröffentlicht, und ich bekam nie wieder einen Auftrag. Darüber war ich allerdings nicht sehr traurig.

Literatopia: Was schreibst Du eigentlich am liebsten, sowohl vom Genre her als auch im Bezug auf einzelne Szenen?

05Cover_kl.jpg (10156 Byte)Astrid Vollenbruch: Genre: Fantasy. Ich liebe Fantasy. Ich liebe die Möglichkeiten, unsere Grenzen und Vorstellungen zu sprengen, unsere sozialen Strukturen, historischen Gegebenheiten, unsere Klischees und einfach alles über Bord zu schmeißen und etwas Neues zu schaffen. Was ich NICHT liebe, ist die tausendste abgelutschte Heldenreise irgendeines pubertierenden Jungen zum Retter der Welt oder einer „starken, unabhängigen“ Frau zum abschließenden beseligenden Kuss in den Armen ihres edlen Recken. Orks, Elfen und Zwerge als einzige „sonstige“ Völker finde ich nur noch arm.

Szenen: Ich liebe Dialoge. Gespräche zwischen Menschen, die einander nicht trauen. Die ihre eigenen Ängste und Motive verstecken und gleichzeitig versuchen, die Ängste und Motive des Gesprächspartners herauszufinden. Die lieben, aber unsicher sind. Die hassen und verachten, aber es nicht offen zeigen dürfen. Die ihre Gier nach Macht hinter Heuchelei verstecken. So etwas zu schreiben, macht mir unendlichen Spaß.
Außerdem schreibe ich gerne Szenen, in denen ein Mensch über längere Zeit allein ist.

Literatopia: Nun schreibst Du ja schon eine ganze Weile für die „???“-Reihe – Du hast einiges Hin und Her in der Verlagswelt erlebt, auch die Umsetzung von „Der Geisterzug“ als Hörbuch, hast Feedback durch Fans und Rezensionen erhalten usw. Wie hat sich dadurch Dein Verhältnis zu den drei Fragezeichen bzw. zu Deinem Job in diesem Bereich verändert?

Astrid Vollenbruch: Der Rechtsstreit hat meiner Meinung nach eine Menge Unheil angerichtet und die Serie beschädigt. Und durch die Diskussionen in den Fanforen habe ich gelernt, dass ich es nie allen recht machen kann. Von „Astrid ist die neue Königin der drei ???“ bis zu „Das kommt davon, wenn ein Nichtfan an der Serie mitschreiben darf“ habe ich inzwischen alles gelesen. Am Anfang hat mich das sehr frustriert und verunsichert, aber mittlerweile habe ich mir ein dickeres Fell zugelegt. Es hat aber auch dazu geführt, dass ich mich aus fast allen Foren zurückgezogen habe und die Rezensionen nicht mehr lese.

Literatopia: Und eine vermutlich oft gestellte, aber irgendwie unvermeidliche Frage: Wie viel von Deinem Stil, von Deiner Art zu schreiben, steckt in Deinen Fragezeichen-Büchern? Und wie viel wird durch Vorgaben festgelegt?

Astrid Vollenbruch: Hm, eigentlich wird diese Frage so gut wie nie gestellt. Kurze Antwort: das einzige, was von mir in diesen Büchern steckt, ist der Humor (na gut, hier und da eine feministische Idee). Ich schreibe normalerweise langsame Geschichten mit vielen ineinander verwobenen Unterströmungen und Andeutungen, und ich schreibe lange, fließende Sätze. Bei den Fragezeichen schreibe ich – für meine Verhältnisse – eindimensionales Stakkato. Das ist keine Verlagsvorgabe, sondern das Ergebnis meiner Try-and-error-Versuche in meinen sechs Büchern.

Literatopia: Wie bist Du eigentlich auf die Idee zu Deiner „Einhornzauber“-Reihe gekommen? Kannst Du für unsere Leser kurz umreißen, worum es darin geht und ob Du weitere Bände geplant hast?

06Cover_kl.jpg (8763 Byte)Astrid Vollenbruch: Einhornzauber war eine Idee des Verlags. Sie wollten etwas wie „Sternenschweif für ältere Mädchen“, und ich habe gesagt: Gut, mache ich, aber Einhornglitzerfantasy kann ich nicht, das Ganze spielt auf meiner eigenen Welt, und mein Einhorn ist schwarz. Ich bin sehr dankbar, dass sie mich das haben machen lassen, obwohl sie sicher nicht bekommen haben, was sie eigentlich wollten.

In der Serie geht es um zwei Mädchen, Sonja und Melanie, die mit einem schwarzen Einhorn namens Nachtfrost und ein paar Freunden Abenteuer in dem Land Parva auf meiner Welt Araun erleben. Das Land wird von Dämonen aus dem Nebelmeer bedroht, und Sonja muss einen verlorenen Gott retten, um ihn mit der Weltschöpferin zu vereinen und dadurch dem Land die Kraft zu geben, die Dämonen zurück ins Nebelmeer zu treiben.

Die Planung änderte sich, während ich an der Geschichte schrieb. Ich sagte von Anfang an, dass es keine Endlosserie wie Sternenschweif oder die drei ??? werden würde. Meine Geschichten haben einen Anfang und ein Ende, und ich weiß immer, wie sie enden. Also einigten wir uns auf fünf Bände. Während der Arbeit am fünften Band merkte ich, dass ich zuviel Material hatte, und bekam, um die Serie anständig abzuschließen, noch einen Band dazu. Weitere Bände sind nicht geplant, allerdings lässt mir das Ende von Band 6 doch keine rechte Ruhe ... und Sonja, Nachtfrost, Melanie und alle anderen sind mir doch ans Herz gewachsen. Mal sehen.

Literatopia: In Deinen Bekanntenkreisen wird Deine Einhornzauber-Reihe aufgrund der glitzernden Cover schmunzelnd mit „Glitzi“ betitelt. Was sagst Du ganz allgemein zur Umschlaggestaltung Deiner Bücher? Hast Du da ein Mitspracherecht?

Astrid Vollenbruch: „Glitzi“ war meine eigene Bezeichnung, sobald ich gesagt hatte, dass ich keine Einhornglitzerfantasy schreiben würde. Anm. d. Redaktion: Hoppla, Recherchefehler meinerseits ;) Das hat sich dann hartnäckig gehalten, und ich nenne die Reihe überhaupt nur noch so. :)

Mitspracherecht bei der Covergestaltung hatte ich nicht, und am Anfang fand ich den Glitzerlook grauenhaft. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, und die Bücher fallen in Buchhandlungen durchaus auf. Ich habe häufiger gehört, dass Leute sich die Bücher trotz des Einbands gekauft haben und gnadenlosen Kitsch erwarteten – den ich ihnen dann nicht geliefert habe. Manche haben sie aber auch wegen des Einbands gekauft und mögen sowohl den Glitzerkram als auch die etwas düstere Geschichte.

Literatopia: Du hast in einem Interview mit drei-fragezeichen.com erzählt, dass Du tatsächlich alle „???“-Bücher in einem Monat gelesen hast. Ganz prinzipiell – wie sieht es mit Recherche für Deine Bücher aus? Musst Du dafür überhaupt recherchieren, und wenn ja, welche Medien und Methoden verwendest Du am ehesten?

Geisterzug_kl.jpg (7549 Byte)Astrid Vollenbruch: Ich recherchiere sehr viel, und zwar hauptsächlich im Internet. Ich hab's überhaupt nicht mit Technik – es hat Tage gedauert, bis ich das Prinzip der Dampfmaschine verstanden hatte -, und generell interessiert mich der „Jungskram“ auch nicht so sehr. Allerdings habe ich dank der Recherche mittlerweile einen Haufen Dinge gelernt.

Literatopia: Lässt Du auch eigene Erfahrungen, z.B. aus Deinem früheren Berufsalltag, in Deine Bücher einfließen?

Astrid Vollenbruch: Nein. Manche Personentypen aus meiner Vergangenheit tauchen in meinen Büchern auf, aber meine berufliche Vergangenheit klammere ich aus.

Literatopia: Mit den „???“-Büchern und der „Einhornzauber“-Reihe wendest Du Dich vornehmlich an Kinder und Jugendliche. Was ist der Grund dafür? Hast Du schon einmal überlegt (oder ausprobiert), für Erwachsene zu schreiben?

Astrid Vollenbruch: Das ist eine ziemlich lustige Frage - ich bin nämlich keine Kinderbuchautorin. Im Gegenteil. Die drei ??? und Einhornzauber sind das einzige, was ich jemals für Kinder geschrieben habe, und wirklich geplant war das alles nicht, ich bin ja mehr durch Zufall überhaupt zu den drei ??? gekommen. Die letzten 25 Jahre habe ich beim Schreiben keine Sekunde an Kinder und Jugendliche gedacht.

Ich habe aber festgestellt, dass ich – vor allem durch Einhornzauber – Mädchen tatsächlich erreichen kann. Und ich habe bewusst versucht, ein bisschen gegen die Verdummungswelle anzuschreiben, die sich über diese armen Kinder ergießt. Ich habe ein bisschen Toleranz und Mut gepredigt, den Liebeskitsch rausgeschmissen, dem einen oder anderen Klischee einen Tritt verpasst, ein paar neue, fremdartige Wesen und Gedanken eingeführt und den Mädchen nicht nur etwas zum Träumen gegeben, sondern hoffentlich auch zum Denken: Man wird nicht dadurch stark, dass die anderen einem sagen, wie cool man ist. Sondern dadurch, dass man seinen Träumen folgt und seinen Freunden beisteht.

Literatopia: Du hast vor vier Jahren eine Schreibplattform eröffnet, das „Federfeuer“ – dort besteht die Möglichkeit, sich anzumelden und Texte anderer zu „rösten“, also kritische Rückmeldungen zu verfassen, sowie die eigenen rösten zu lassen. Was hat Dich dazu bewogen? Was hältst Du ganz allgemein von solchen Schreibforen?

Astrid Vollenbruch: Ich habe das Federfeuer gegründet, weil in vielen Schreibforen Autoren, die wirklich weiterkommen wollen, im Stich gelassen werden. „Hm, ja, ganz gut“ oder „Boah toll ey, wann küssen sie sich endlich? Schreib weiter!!!!“ sind keine Hilfen, wenn man schreiben lernen möchte und nicht so recht weiß, wie man es machen soll.

An dieser Stelle kann ich ja mal einen Seitenhieb auf das Internet loswerden. Zuerst: ich liebe das Internet. Es ist mein gigantisches Nachschlagewerk, mein vollkommen chaotischer, anarchistischer Zugang zur Welt, eine lautlose Kakophonie unterschiedlichster Stimmen. Und es ist die gefährlichste Ablenkung für jeden, der versucht, einen klaren Gedanken zu fassen und ihn weiterzuentwickeln.

Ich habe ohne das Internet schreiben gelernt. Ich hatte mich, ein Zimmer und eine Schreibmaschine. Es war wie ein Gefängnis – ich war mit mir allein, hatte nur meine eigene Stimme, und wenn ich schreiben lernen wollte, dann ging das nur, indem ich schrieb. Und überarbeitete. Und das so oft, bis ich ansatzweise meine eigene Stimme erkennen konnte.

Das Internet mit seinen zahllosen Schreibforen verleitet junge Autor/innen allerdings dazu, einen Text zu schreiben und sofort an die Öffentlichkeit zu zerren, bevor er dazu reif ist. Da ist keine Geduld mehr, die eigene Stimme zu finden und Probleme mit sich selbst auszumachen. Stattdessen hört man plötzlich dutzende von Stimmen, die den Keim totreden, bevor er auch nur das erste Blättchen entwickeln konnte. Das Ergebnis ist, dass viele junge Autoren nicht die leiseste Ahnung haben, was sie eigentlich schreiben wollen. Sie suchen nicht ihre eigene Geschichte, sondern schreiben eine Kopie eines Buches oder eines Kinofilms, der sie beeindruckt hat. Und wenn sie merken, dass das irgendwie nicht das Richtige war, schmeißen sie die Brocken hin. Oder schreiben bis in alle Ewigkeit weiter belangloses, flaches Zeug. Oder sie suchen sich einen Ort, an dem sie lernen können.

Das Federfeuer ist kein Ort für Anfänger. Wer zu uns kommt, muss über sechzehn Jahre alt sein. Nicht wegen irgendwelcher unzüchtiger Texte, sondern weil wir einen ganz speziellen Jugendschutz betreiben: den Schutz vor vernichtender Kritik. Mit zwölf oder dreizehn Jahren denkt man nicht über Satzbau, Originalität und Klischees nach. Man schreibt voller Begeisterung wild drauflos, und jede Art negativer Kritik kann diese Begeisterung zerstören. Natürlich gibt es auch sechzehnjährige, dreißigjährige oder sechzigjährige Schreibanfänger. Auch die haben bei uns nichts verloren. Sie sollen schreiben, schreiben, schreiben – und erst, wenn sie mehr wollen als einfach nur schreiben, sollen sie zu uns kommen. Aber dann muss ihnen klar sein, was sie erwartet. Wir liefern sachliche Kritik. Keine Lobhudelei. Kein „Boah, voll geil ey.“ Wir pieksen mit unseren Röstgabeln im Text herum, und das tut weh – ganz gleich, wie sehr man glaubt, gewappnet und vorbereitet zu sein. Deshalb warnen wir jeden, der zu uns kommt, dass er mit sich und seinen Texten behutsam umgehen und sehr genau überlegen soll, bevor er sich ins Feuer wagt. Wir sind kein Schreibforum. Wir sind ein Kritik- und Arbeitsforum. Das ist ein großer Unterschied.

Hilfe, kann mich mal jemand bremsen? Ich könnte hier einen kompletten Roman über das Federfeuer schreiben!
Anm. der Redaktion: Ist gut – wir rösten ihn dann! :D

 

Federfeuer


Literatopia: Wer Dich und Deine Art zu schreiben kennenlernt, stellt schnell fest, dass Du gerne Humor und Selbstironie einsetzt. Dabei variierst Du zwischen Augenzwinkern wie in Deinem Skizzencomic „Ophie“ und Humor mit Biss, den man auch im Federfeuer immer wieder erlebt. Die Kurzgeschichte „Die perfekte Frau“ ist dann nicht mehr lustig sondern, das sagst Du selbst, bitterböse.
Wie wichtig ist für Dich Humor? Wie bewusst setzt Du ihn ein? Und wo ziehst Du für Dich die Grenze zwischen schwarzem Humor und Zynismus?

Astrid Vollenbruch: Zynismus ist feindselig und versucht, andere zu verletzen. Das tue ich nie. Wie gesagt, ich bringe Leute gerne zum Lachen, aber nicht auf Kosten anderer. „Die perfekte Frau“ soll weder lustig noch zynisch sein, sie ist bitterböse, resigniert und verletzt, nicht verletzend. Sie spiegelt das, was ich als übergewichtige Frau in der Gesellschaft erlebe und beobachte. Ebenso mein „Bänkellied“ in der Gedichteabteilung meiner Homepage. Mit Humor hat das nicht mehr das Geringste zu tun.

Ophie ist kindgerechter Humor – wobei für den Geschmack meiner Neffen viel zu wenige Explosionen vorkommen. Ophie ist ein verwöhntes Balg, das sofort losbrüllt, wenn ihm etwas nicht passt, sie ist unheilbar neugierig, eigensinnig und unbezähmbar fröhlich, und ihre „Abenteuer“ sind schon recht harmlos. Es macht einfach Spaß, sie zu zeichnen.

Das Federfeuer hat ein ernstes Thema – Kritik und harte Arbeit an Texten -, verpackt in ein fröhlich-absurdes Bild, das ich von Dantes Göttlicher Komödie abgeleitet habe. In unserem Fegefeuer rösten wir keine Seelen, sondern Worte, und wer sich mal über das Purgatorium informiert hat, weiß, dass dort immer die Hoffnung besteht, geläutert und besser wieder herauszukommen. Wir nennen uns Teufel und Dämonen, verteilen zur Begrüßung Röstgabeln und rösten Texte, bis nur noch Asche übrigbleibt. Diese Art von Humor zieht Leute an, mit denen ich gerne umgehe. Ich mag Ironie, ich mag jede Art von Humor, bei dem Menschen miteinander lachen und nicht über einander. Gelegentlich landet das auch in meinen Texten.

Und Selbstironie? Immer – bis zu dem Punkt, an dem jemand plötzlich glaubt, mich nicht mehr ernstnehmen zu müssen und sich über mich lustigmachen zu können. Dann knallt's. :)

Literatopia: Auf Deiner Homepage zeigst du unter anderem auch, dass Du Gedichte schreibst, was mir ganz neu war. Welche Bedeutung hat Lyrik für Dich? Schreibst Du öfter in dem Bereich oder liegt Dir Prosa doch eindeutig eher?

Astrid Vollenbruch: Mein letztes Gedicht stammt von 2002. Ich schreibe nur dann Gedichte, wenn mir welche einfallen, und in den letzten Jahren war da nichts.

Literatopia: Nachdem etwa die Hälfte Deiner Gedichte, die ich gefunden habe, auf Englisch verfasst ist, muss ich aus Neugier nachhaken: Warum hast Du auch englisch geschrieben? Wie sieht Dein Verhältnis zu dieser Sprache aus?

Astrid Vollenbruch: Ich liebe die englische Sprache. Sie ist wie eine Zip-Datei – in fünf Wörter mit je drei bis fünf Buchstaben kann man Aussagen hineinpacken, für die man im Deutschen zwei komplette Sätze braucht. Sie hat einen leichten, eleganten, schnellen Rhythmus, ist außerordentlich flexibel und gibt Texten eine ganz andere Melodie. Manche dieser Gedichte wollten ganz einfach auf Englisch geschrieben werden. „Didn't I tell you“ hatte genau den Klang, den ich brauchte und den „Hab ich es dir nicht gesagt“ einfach nicht hergab.

Literatopia: Du hast mittlerweile doch einige Bücher veröffentlicht – welche Verbindung hast Du zu ihnen? Gibt es einige, die Dir besonders am Herzen liegen?

Astrid Vollenbruch: Ich mag Einhornzauber. Die Serie hat mir die Gelegenheit gegeben, meine Welt Araun weiterzuentwickeln und ein bisschen bekanntzumachen. Es gibt jetzt Leserinnen da draußen, die wissen, was Birjaks, Wurzler und Nebeldämonen sind, warum es in unserer Welt so wenige Einhörner gibt, dass Trolle mehr sein können als dumme, brutale Monster, dass Gnome den Frühling bringen und Kobolde nachts auf Bergspitzen tanzen. Und außerdem haben sie die Höhen und Tiefen einer Mädchenfreundschaft miterlebt und gesehen, wie aus Feinden Freunde wurden, Vertrauen sich lohnte und selbst spießige Eltern begreifen mussten, dass Zauber nicht vergehen muss, bloß weil man allmählich erwachsen wird. Ich glaube, allein dafür hat sich die Serie gelohnt.

Literatopia: Welche Ansprüche stellst Du an das, was du schreibst? Gibt es da, je nach Thema usw., Unterschiede?

Astrid Vollenbruch: Ich möchte gute Geschichten erzählen, und ich möchte keinen oberflächlichen Mist abliefern. Das ist alles. Genauer gesagt: das ist alles, was ich dazu sagen möchte. :)

Literatopia: An welchem Projekt arbeitest Du derzeit, was dürfen wir als nächstes von Dir erwarten?

Astrid Vollenbruch: Ich schreibe an einem „Drei ???“-Buch, aber das wird frühestens 2010 erscheinen. Und meine Schubladenprojekte sind alle noch nicht spruchreif.

 

 


 

Leserfragen



Leserfrage: Was ist Deine Lieblingsfigur aus der „???“-Reihe oder überhaupt aus Deinen Büchern? Und warum?

Astrid Vollenbruch: Bei den drei ??? dürfte es Peter sein, der seit Jahren gegen den Angsthasenvorwurf kämpfen muss, obwohl er lediglich abergläubisch ist. Ich mag Peter, weil er immer für alles Unwahrscheinliche offen ist. Justus behauptet zwar, unvoreingenommen und objektiv zu sein, hat sich aber in Wirklichkeit zu einem Wissenschaftsdogmatiker entwickelt. Und Bob steht als ausgleichendes Element in der Mitte und hat kaum eine Chance auf eine eigene Meinung.

Bei Einhornzauber ist es Sonja. Eine Außenseiterin, die ihren eigenen Weg geht, ohne alle anderen deswegen zu hassen.

Leserfrage: Was inspiriert Dich zu Deinen Figuren? Verwendest Du manchmal Eigenschaften von Leuten, die Du kennst?

Diva_kl.jpg (10787 Byte)Astrid Vollenbruch: Bei den drei ??? gibt es leider sehr wenig Raum für Inspiration, da die Haupt- und die meisten Nebenfiguren fest vorgegeben sind. Natürlich probiere ich auch oft etwas aus. Sandy aus „Das Geheimnis der Diva“ sollte ganz bewusst kein typisches kalifornisches Supergirl werden. Smithy, der kleine Gauner aus „Pfad der Angst“, ist ein Gegenentwurf zu all den Superschurken und mysteriösen Gentlemen wie zum Beispiel Victor Hugenay. An Smithy ist gar nichts Großartiges oder Geheimnisvolles – außer, dass „Smithy“ nicht sein wirklicher Name ist.

Bei „Einhornzauber“ waren die Herren Frickel und Kochmann durchaus echten „Reitlehrern“ aus meiner Kindheit nachempfunden.

Mich inspiriert eigentlich nur der Gedanke, welche Figur in welche Rolle oder Umgebung passen könnte. Und manchmal baue ich Leute ein, die ich nicht leiden kann oder deren Charaktereigenschaften mich maßlos irritieren. Nicht unbedingt, weil ich mich rächen will, sondern weil es todlangweilig ist, wenn alle Figuren nur mit meiner Stimme reden, statt ihre eigene zu haben.

Leserfrage: Stimmt der Eindruck, dass Du in Deinen „???“-Büchern eher versuchst, realistisch zu bleiben?

Astrid Vollenbruch: Wenn du meinst, ob ich die drei Jungs selber realistisch halten möchte, dann ja. In den frühen Büchern sind sie so unerträgliche Musterknaben, dass ich sie am liebsten verprügelt hätte. So rein, heilig und selbstgerecht darf man einfach nicht sein. Also habe ich solche Unsinnsaktionen wie Justus' kriminellen Alleingang in „Die Schwarze Madonna“ oder Peters hirnrissige Hollywoodwette eingebaut.

Leserfrage: Kannst Du immer und überall schreiben? Hast Du manchmal Schreibblockaden?

Astrid Vollenbruch: Autsch, böses Thema. Ich habe immer wieder ganz massive Schreibblockaden, bei denen mich schon die grässliche Spiegelung der Lampe auf meiner schwarzen Tastatur davon abhält, auch nur ein intelligentes Wort zu schreiben. Lärm, laute Musik, Krach auf der Straße, ein nerviger Vogel vor dem Fenster, ein Anruf zur falschen Zeit, eine Beißerei zwischen meinen Meerschweinchen, und schon bin ich raus. Und dann geht es manchmal tagelang nicht weiter.

Ich habe versucht, am Rhein, am Meer oder in einem Café zu schreiben. Geht nicht. Ich brauche einen Tisch, leise Musik und viel, viel Zeit.

Literatopia: Teuflischen Dank für das Interview!

Astrid Vollenbruch: Gern geschehen, und danke zurück!

 


Dieses Interview wurde von Anna Lehner für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.