Nora Melling (29.03.2011)

Interview mit Nora Melling

Literatopia: Hallo Nora! Schön, dass Du Zeit findest und Dich unseren neugierigen Fragen stellen möchtest. Erzähl unseren Lesern doch bitte kurz, wer Du bist und was Du machst.

Nora Melling: Mein Name ist Nora Melling, ich lebe mit meinem Mann und meinen vier Kindern in Zehlendorf, einem der grünen Bezirke Berlins. Ich schreibe, was ich auch am liebsten lese, nämlich Fantasy. Mehr über mich und meine Geschichten findet man auf meiner Website http://www.noramelling.de.

Literatopia: Im November 2010 hast Du mit "Schattenblüte: Die Verborgenen" den ersten Band Deiner Jugend-Fantasy-Reihe um Thursen und Luisa auf den Markt gebracht. Ging damit für Dich ein langjähriger Traum in Erfüllung und wie lange musstest Du dafür arbeiten? Worum geht es in dem Buch?

Nora: In dem Buch „Schattenblüte. Die Verborgenen“ geht es um Luisa, die vor Schmerz um den Tod ihres Bruders in Trauer versinkt. Ein Junge, der sich Thursen nennt, rettet sie aus ihrem Seelentief und muss ihr dann gestehen, dass er kein Mensch, sondern ein Werwolf ist. Mit allen Überarbeitungen hat es ungefähr zwei Jahre gedauert, Luisas und Thursens Geschichte in den Computer zu tippen.

Und: Ja, natürlich ging mit der Veröffentlichung für mich ein Traum in Erfüllung! Ich habe schon als Schülerin davon geträumt, dass meine Geschichten einmal ihren Weg zwischen zwei Buchdeckel finden würden. Weil ich aber meine damaligen Fähigkeiten als Autorin ziemlich realistisch eingeschätzt habe, habe ich die Buchdeckel für meine handgeschriebenen Geschichten lieber selbst gebastelt.

Literatopia: Wann und mit welchem Ziel hast Du begonnen, "Schattenblüte" zu schreiben? Und hattest Du von Anfang an klare Vorstellungen, in welche Richtung der Roman führen soll, oder hast Du Dich einfach von der Geschichte und Deinen Charakteren leiten lassen?

Nora: Ich hatte mir zwar einen Anfang und ein Ende überlegt, mich ansonsten aber ganz von den Figuren leiten lassen. Mein Ziel war es für mich, herauszufinden, wie nah man an eine fiktive Figur kommen kann. Film und Fernsehen können ein Geschehen nur von außen zeigen, in einem Roman kann man ganz in das Innenleben der Protagonisten hineinkriechen. Manchmal war das allerdings sehr anstrengend, da ich die Trauer und Verzweiflung meiner Luisa ja bis zu einem gewissen Grad selbst nacherleben musste, um sie realistisch schildern zu können.

Literatopia: Nun ist es ja nicht einfach, auf dem Literatur-Markt Fuß zu fassen. Wie schwierig gestaltete sich Deine Suche nach einem passenden Verlag? Musstest Du viele Absagen hinnehmen, bevor der Rowohlt-Verlag Dein Potential erkannte und Dich unter Vertrag nahm?

Nora: Glücklicherweise habe ich für „Schattenblüte“ keine Absagen bekommen. Ich hatte das große Glück, bei meiner Wunschagentin angenommen zu werden, die dann für mich die Vertragsverhandlungen geführt und für Schattenblüte den besten Verlag – Rowohlt Polaris - gefunden hat.

Literatopia: Das Hintergrundwissen, dass du - wie Luisa - von Hamburg nach Berlin gezogen bist, legt natürlich die Frage nahe, wie viel Nora Melling in der Protagonistin steckt. Wie weit identifizierst Du Dich mit Luisa, welche Charakterzüge könnten glatt Deine eigenen sein und wie viel Einfluss haben andere Menschen aus Deinem Umfeld auf die Gestaltung der Charaktere genommen?

Nora: Ich glaube nicht, dass so sehr viel Luisa in mir steckt. Luisa, die sich immer durchboxt, das bin ich nicht. Dass Luisa wie ich aus Hamburg komme sollte, hat einen einfachen Grund: Wenn Luisa kein Stadtmensch gewesen wäre, wäre sie sicher erst einmal von Berlins Größe überwältigt gewesen und hätte sich auch nicht so schnell mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurecht gefunden. Tja, und dann ist da noch die Sprache. Ich selber verwende in meiner Sprache, so versichert man mir jedenfalls, ein Mischmasch von Berliner und Hamburger Ausdrücken. Da ich das aber selbst nicht merke, kann ich das wohl auch kaum abstellen. Wenn Luisa also jetzt den gleichen Background mitbringt wie ich, darf sie einmal: „Lass das nach!“ rufen, wie man das in Hamburg sagt, und auf der anderen Seite ganz berlinerisch zum Schrippen holen laufen.

In ein paar meiner Figuren steckt etwas von Menschen, die ich mal irgendwo getroffen habe, oft nur ein Satz, der mir im Gedächtnis geblieben ist. Da das, was ich mir für meine Figuren ausgeborgt habe, ziemlich tragische und verzweifelte Momente im Leben der jeweiligen Personen waren, kann nicht natürlich hier nicht erzählen, was von wem stammt.

Literatopia: Sehr speziell, besonders für einen deutschen Roman, sind die Namen Deiner Protagonisten. Alle kann man recht eindeutig in den nordeuropäischen Bereich ordnen. Verbindet Dich etwas mit den skandinavischen Ländern oder faszinieren Dich einfach die fremdländischen Namen?

Nora: „Lars Lund“ ist natürlich nordisch, das ist richtig. Ich mochte den Namen einfach, vielleicht habe ich als Kind zu viel „Bullerbü“ gelesen, wo Lasse immer den Ton angab. Bei den Werwölfen verhält es sich anders. Die sollten so eine Art „Bezeichnung“ tragen, die eben kein Name ist. Somit schied alles aus, was zum Beispiel auf „a“, „o“ oder „us“ endet. Wenn sich das, was dann bei meinen Wortfindungsversuchen herauskam, für Dich nordisch anhört, ist das Zufall.

Literatopia: Werwölfe sind derzeit, neben Vampiren, ein sehr beliebtes Thema in der Literatur. Welchen Reiz üben diese Wesen auf Dich aus, sodass Du Dich entschieden hast, ihnen einen Platz in Deinem Roman zu bieten?

Nora: Ich war schon als kleines Kind von Wölfen fasziniert. Einerseits hatte ich nachts Albträume von bösen Wölfen, andererseits wollte ich im Zoo immer die Wölfe sehen. Als Schülerin durfte ich sogar mal einen Wolf anfassen. Die Ausrottung der Wölfe in der freien Wildbahn war für mich immer ein Sinnbild dafür, wie stark der Mensch die Natur unterworfen hatte, aus Angst vor ihren vermeintlichen Gefahren. Werwölfe vereinigen in sich beides, die zivilisierte Menschenseite und die ungezähmte, bedrohliche Natur, die jederzeit hervorbrechen kann – faszinierende Geschöpfe.

Literatopia: "Schattenblüte" ist dem Fantasy-Genre zuzuordnen. Würdest Du Dich gern auch an anderen Genres versuchen, zum Beispiel mal einen richtig blutigen und unter die Haut gehenden Thriller schreiben? Was befindet sich hauptsächlich in Deinem privaten Bücherregal? Und welche Autoren würdest Du immer wieder lesen?

Nora: Ich liebe Fantasy und mein Bücherregal biegt sich zum Leidwesen meiner Familie unter fast sämtlichen Fantasy-Neuerscheinungen. Daher weiß ich auch mittlerweile ziemlich gut, wie Fantasy funktioniert. Von zum Beispiel Thrillern weiß ich das nicht so gut, ich müsste sicher noch eine ganze Menge lernen, um einen richtig spannenden Thriller hinzubekommen, aber reizen würde es mich schon.

Literatopia: So vielseitig wie die Regale sind auch die Schreibgewohnheiten von Autoren. Wie sieht Dein Schreibtisch aus? Oder schreibst Du an völlig anderen Orten und sitzt nur selten an einem festen Arbeitsplatz? Wie gehst Du beim Schreiben vor - einfach fließen lassen oder kontinuierliches Abarbeiten von vorher festgelegten Punkten?

Nora: Zum Glück habe ich ein eigenes Arbeitszimmer, so dass ich die Tür hinter mir schließen kann, denn ich brauche Ruhe zum Arbeiten. Wenn das Haus leer ist, weil alle Kinder in der Schule sind, kann ich mich ganz in meine Geschichten hinein fallen lassen. Daher kann ich auch am besten an meinem Schreibtisch arbeiten. Wenn es um Ideenfindung geht, funktioniert bei mir allerdings auch ein Spaziergang oder eine ausgiebige Dusche ziemlich gut. Da fällt mir gerade doch eine Gemeinsamkeit zwischen mir und Luisa auf: Tee trinken und unter der Dusche nachdenken.
Ich versuche meine Geschichten zu planen, bin allerdings nicht besonders gut darin, so dass ich doch immer wieder auf das „fließen lassen“ zurückgeworfen werde. Manchmal habe ich beim Schreiben das Gefühl, mein Bauchgefühl bekommt das besser hin als mein Kopf.

Literatopia: Ursprünglich hast Du eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Wie bist Du generell zum Schreiben gekommen und was hat Dich letztendlich dazu bewegt, Deinen alten Job niederzulegen und Dich ausschließlich dem Schreiben zu widmen?

Nora: Nach der Geburt meines vierten Kindes kam für mich die Erkenntnis: Auf dem regulären Arbeitsmarkt würde ich es in meinem erlernten Beruf mit vier Kindern und ohne nennenswerte Berufserfahrung mehr als schwer haben. Im Umkehrschluss: Wenn ich das, wofür ich ausgebildet bin, nicht mehr tun kann, dann bin ich frei, alles zu machen - auch meinen Traum aus Kindertagen vom Bücherschreiben zu verwirklichen. Vor ungefähr acht Jahren habe ich also mit „konsequenter Traumverwirklichung“ begonnen und das Handwerk des Schreibens aus Büchern und in Internetgruppen gelernt und an längeren und kürzeren Texten geübt, bis am Ende „Schattenblüte“ entstand.

Literatopia: Mit Deinem Mann und Deinen vier Kindern lebst Du heute in Berlin. Wie bekommt man eine so große Familie und das Schreiben unter einen Hut, ohne dass ein Teil darunter leiden muss? Welche Auswirkungen hat Dein Beruf, speziell in Bezug auf mehrtägige Lesereisen, späte Lesungstermine und vielleicht sogar Fans, die Dich auf der Straße oder beim Einkaufen erkennen, auf das Familienleben?

Nora: Es gibt so viele Autoren, die es neben einer Vollzeittätigkeit schaffen, Bücher zu veröffentlichen, dass ich eigentlich die Anforderungen, die eine Familie mit Kindern stellt, als recht harmlos empfinde. Problematisch ist höchstens die weniger starke Planbarkeit, zum Beispiel kündigen Kinder fiebrige Erkrankungen ja nicht im Voraus an. Bisher waren auch alle Termine mit der Familie zu koordinieren, und falls ich demnächst wirklich mehrtägige Lesereisen machen sollte, können wir ja noch einmal sprechen…

Literatopia: Neben der direkten Familie gibt es sicher auch viele andere Menschen in Deinem Leben. Welche Reaktionen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis hast Du auf die Veröffentlichung von "Schattenblüte" erhalten? Gibt es spürbar andere Meinungen als zum Beispiel aus der Welt der "professionellen" Kritiken? Wie gehst Du generell mit Kritik um, ob positiver oder negativer Natur?

Nora: Auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen enttäuschend ist: Für meine Familie und meinen Bekanntenkreis ist diese Veröffentlichung eigentlich keine so große Sache. Natürlich freuen sie sich für mich, aber mal ehrlich: Ich habe vor der Veröffentlichung am meinem Computer gesessen und geschrieben und jetzt schreibe ich auch, eigentlich ändert sich da ja nichts.
Zu den Kritiken: Zum Glück gibt es bisher deutlich mehr positive als negative Kritiken, das macht es etwas leichter, die negativen zu ertragen. Ich weiß nicht, ob das mit zunehmender Routine noch kommt, bis jetzt jedenfalls habe ich den Punkt, an dem negative Kritiken einfach an einem abperlen, noch nicht erreicht. Dafür kann ich mich über positive Kritiken umso mehr freuen.

Literatopia: Auf Deiner Webseite besteht neben der Kommentarfunktion auch die Möglichkeit, Dir eine Mail zu senden. Außerdem bist Du ebenfalls im SocialNetwork zu finden. Wie wichtig ist für Dich der direkte und indirekte Kontakt zu Deinen Lesern? Gab es bisher nur schöne oder auch schon unschöne Begegnungen mit Fans?

Nora: Über Leserkontakte freue ich mich sehr. Wenn jemand in einem großen Büro mit vielen Kollegen arbeitet, kann derjenige z.B. am Kopierer oder am Kaffeautomat Kollegen treffen und ein paar Sätze plaudern. Als Autorin, alleine am Schreibtisch, geht das nicht. Durch die sozialen Netzwerke habe ich diese Möglichkeit wenigstens virtuell: Meist finde ich, wenn ich eine kleine Pause machen möchte, irgendeine nette Nachricht auf meiner facebook-Pinnwand oder in meiner Mailbox. Hinzu kommt, dass ich selbst lese, und die Menschen, die mit mir Kontakt aufnehmen, sind ja Leser wie ich. Wirklich unschöne Begegnungen hatte ich noch nicht.

Literatopia: Auch in diesem Jahr stehen wieder einige Buchmessen ins Land. Wo wird man Dich treffen und live erleben können? Wird es neben den Messe-Terminen auch Lesungstermine in einigen Städten geben?

Nora: Ich denke, man wird nach „Schattenblüte. Die Verborgenen“ auch „Schattenblüte. Die Wächter“ wieder auf der Buchmesse sehen können. Lesungen sind in Planung, die aktuellen Termine stelle ich auf meine Website http://www.noramelling.de, wenn sie konkret werden.

Literatopia: Zum Abschluss natürlich die Frage, die vor allem Deinen Fans unter den Nägeln brennt: Wie wird es mit Luisa und Thursen weitergehen? Mit wie vielen weiteren Bänden darf gerechnet werden? Und muss bis zum nächsten Band "Schattenblüte: Die Wächter" tatsächlich noch bis November 2011 ausgeharrt werden?

Nora: Schattenblüte wird eine Trilogie werden, der zweite Band, „Schattenblüte. Die Wächter“ kommt im November heraus. Von Verlagsseite wird lange im Voraus geplant, wann welches Buch erscheint, daher wird man wohl wirklich bis November warten müssen. Dafür habe ich das Titelbild schon gesehen: Es ist wieder richtig toll geworden!
Wie es weitergeht, kann ich hier nicht verraten. Schließlich müssen Thursen und Luisa auch mit dem unbekannten Toten, der in der Silvesternacht plötzlich im Wald liegt, ganz allein fertig werden. Aber im Ernst: Es geht natürlich darum, wie Luisa und auch Thursen ihre Trauer verarbeiten und ins Alltagsleben zurück zu kehren versuchen.

Literatopia: Nora, ganz herzlichen Dank für Deine Zeit und die ausführlichen Antworten! Unsere Leser blicken dem zweiten Band um Luisa und Thursen mit Spannung entgegen. Und wir wünschen viel Erfolg beim Weiterschreiben.

Nora: Vielen Dank für die vielen interessanten Fragen!

Dieses Interview wurde von Jessica Idczak für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.


Zur Rezension von "Schattenblüte - Die Verborgenen"