Die Bruderschaft der Krabbe - Erstes Buch (Gallié, Andreae)

Splitter-Verlag (August 2010)
Hardcover, Seiten: 55
Preis 13,80€
ISBN: 978-3868691696

Genre: Fantasy/Horror


Klappentext

Als der kleine Mael ins Krankenhaus eingeliefert wird, offenbaren ihm seine Zimmerkameraden ein furchtbares Geheimnis: Er ist, ebenso wie seine Bettnachbarn, von der Krankheit der Krabbe befallen. In ihren Körpern wächst ein Scherentier heran, das - sollte es sich mit den anderen »Geschwüren« vereinen - ein ultimatives Monstrum bilden wird. Um dieses Monstrum zu bekämpfen, haben die jungen Patienten eine Bruderschaft gegründet, die den grauenvollen und gespenstischen Vorgängen um sie herum die Stirn bieten soll. Gallié und Andreae nehmen uns mit in eine fantastische, von mythischen Figuren bevölkerte Welt.


Rezension

Die Bruderschafft der Krabbe besteht aus 4 Jungen, die sich ein Zimmer in einem Krankenhaus teilen. Sie haben alle eines gemeinsam: In ihren Körpern nistet eine Krabbe. Zwei von ihnen haben sie im Bauch, einer hat sogar viele winzige in seinen Blutbahnen und Bernadino, der Anführer, hat seine im Bein, das ihm zum Teil schon abgenommen werden musste und an dessen Stelle eine Prothese sitzt. Als Mael in das Krankenzimmer geschoben wird, erkennen sie schnell, dass seine Krabbe, die in seinem Gehirn heranwächst, schon großen Schaden angerichtet hat. Dennoch weihen sie ihn in das Geheimnis des Krankenhauses ein und nehmen ihn als fünftes Mitglieg auf. Mael wird operiert werden, was ihm mit etwas Glück das Leben retten wird, aber die herausoperierte Krabbe und alle anderen, die zuvor aus den Kinderkörpern entfernt wurden, werden zu einer neuen, gigantischen Krabbe zusammengesetzt. Ein Monstrum, dass die Welt zerstören wird.

Hinter dem Comic mit dem klangvollen Namen stecken Mathieu Gallié (Autor) und Jean-Baptiste Andreae (Illustrationen) und was die beiden Künstler da auf die Beine gestellt haben, ist kaum in Worte zu fassen. Von der ersten Minute wird der Leser in eine düstere Geschichte gezerrt und nicht mehr losgelassen. Dabei werden Realität, naiv kindliches Denken und Träume zu einer homogenen Mischung, die es nicht erlaubt sie auseinander zu halten.
Zu Beginn werden einem die interpretierbaren Informationen noch förmlich aufgezwängt. Die Bedeutung der Krabbe im Körper und die obskuren Luftballons, die den Kindern am Handgelenk angebracht werden vor einer Operationen, damit ihr Körper stark bleibt, sind noch leicht zu erklären. Hier vermischen sich die Fantasien der unaufgeklärten, ahnungslosen Jungs mit den tatsächlichen Diagnosen. Dennoch bleibt unklar, ob das Krankenhaus nicht doch irgendwelche Experimente mit den Krabben macht und an einer monströsen, großen bastelt.
Sobald Mael auf dem Operationstisch liegt und in Narkose versetzt wird, schwinden seine Sinne und das Verständnis des Lesers dahin. Vereint wachen die Jungs in einer leergefegten Variante des Krankenhauses auf. Ab hier beginnt eine Achterbahnfahrt der Gefühle, denn Gallié und Andreae heften ihnen Werwölfe und Vampire an die Fersen und erlauben ihnen bis zum Schluss keine Verschnaufpause.

"Die Bruderschafft der Krabbe" reiht sich irgendwo zwischen Fantasy und Horror ein und ist am ehesten mit "Pan's Labyrinth" vergleichbar. In beiden Geschichten flüchten sich junge Menschen in eine Fantasiewelt, aus der sie ihre realen Probleme zu bekämpfen versuchen. Den Autoren gelingt es ganz hervorragend - sowohl sprachlich über Dialoge als auch zeichnerisch - diese Thematik umzusetzen. Jedem der fünf Erkrankten wird dafür ein individueller Charakter verliehen. In nur wenigen Bildern werden sie als eigenständige Figuren definiert. Die Zeichnungen sind überaus detailreich und versprühen den unverwechselbaren französischen Flair. Für jugendhafte Züge sind die Gesichter zu kantig , sieht man vom kleinsten Bruder ab, passen aber, wenn man bedenkt, wie abgebrüht ein Junge sein muss, wenn ihm ein Bein abgenommen wurde. Freunde der klassischen Gruselgeschichten dürften sich an der Charakterzeichnung besonders erfreuen. Angesiedelt in den 30er oder 40er Jahren - urteilt man nach der Kulisse und dem chirurgischen Equipment - sind die Kreaturen, denen sich die Bruderschaft stellen muss, der damaligen Zeit nachempfunden. So hat der "Meister" seine vampirischen Reißzähne nicht im Bereich der Eck- sondern den oberen Scheidezähnen - eine nostalgische Hommage an Nosfertu.
Für weitere Gruselstimmung wird durch eine monoton kühle Kolorierung gesorgt. Das nächtliche Blau wird nur selten von einem gut eingesetzten Gelb der brennenden Fackeln und Kerzen durchbrochen, was fast spürbare Kälte verströmt.

Band 1 schafft es den ahnungslosen Leser in eine Geschichte voller Mystik und einer ominösen Verschwörung gegen die Welt mitzureißen, ohne nur eine brauchbare Antwort auf all die Fragen zu liefern. Im Gegenteil. Er serviert zum Abschluss einen gemeinen Cliffhanger, der einen noch verwirrter zurücklässt. Selten hat an der Nase herumgeführt zu werden so viel Spaß gemacht. Ist es nur ein Traum? Spielt sich das Ganze nach der Operationen ab? Oder womöglich nur im krebszerfressenen Hirn von Mael oder gar in der Hölle? Bleibt zu hoffen, dass die Autoren in den nächsten zwei Bänden alles erklären können.


Fazit

Gallié und Andreae liefern einen herausragenden Einstieg in eine undurchschaubare und spannende Geschichte ab. Mit sehr schönen Zeichnungen und einer wundervolle Kolorierung gehört "Die Bruderschafft der Krabbe" sicherlich zu einer der besten Veröffentlichungen beim Splitter-Verlag.


Pro und Kontra

+ ungewöhnliche, rasante Story
+ spannend und atmosphärisch
+ detailreiche, sehr gelungene Zeichnungen
+ macht sehr neugierig auf die Folgebände

Beurteilung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5