Entsetzen (Karin Slaughter)

Verlag: Blanvalet, August 2010
Originaltitel: Fractured, Übersetzt von Klaus Berr
Hardcover, 509 Seiten, € 19,99
ISBN: 978-3764503444

Genre: Thriller


Klappentext

Eine falsche Tote – ein wahr gewordener Albtraum...

Noch auf der Schwelle zu ihrem Zuhause sieht Abigail Campano die Glasscherben. Den blutigen Fußabdruck auf dem Dielenboden. Und den Mann, der sich über den leblosen Körper eines Mädchens beugt. Ihre Tochter! Sie stürzt sich auf ihn, bringt ihn zu Fall, und in einem erbitterten Kampf um Leben und Tod erwürgt sie ihn. Das Mädchen, sieht sie, wurde erschlagen. Der Körper ist mit Bisswunden und Prellungen übersät. Doch es ist nicht ihre Tochter Emma, sondern deren beste Freundin Kayla. Emma ist wie vom Erdboden verschluckt.

Special Agent Will Trent weiß: Die Chance, das Mädchen lebend zu finden, wird von Stunde zu Stunde geringer. Doch noch entsetzlicher ist die Vorstellung, dass der sadistische Täter ungeschoren davonkommen könnte


Die Autorin

Karin Slaughter stammt aus Atlanta, Georgia, wo sie bis heute lebt. Mit ihren Grant-County Thrillern um Rechtsmedizinerin Sara Litton und Polizeichef Jeffrey Tolliver hat sie sich in den Olymp der Thrillerautoren geschrieben. 2003 erschien ihr Debütroman „Belladonna“, der Karin Slaughter sofort an die Spitze der internationalen Bestsellerlisten katapultierte. Ihre Bücher werden inzwischen in 30 Sprachen gelesen und haben eine Gesamtauflage von 17 Millionen Exemplaren längst überschritten.


Rezension

Als Abigail Campano nach ihrer Tennisstunde nach Hause kommt, findet sie ihre blutüberströmte Tochter im Flur, ein ihr unbekannter Mann beugt sich mit einem Messer in der Hand über sie. Um nicht auch von ihm ermordet zu werden, kämpft sie mit allen Mitteln gegen ihn und erwürgt ihn anschließend mit ihren bloßen Händen. Entsetzt stellt sie fest, dass es gar nicht ihre Tochter ist, die dort erschlagen im Flur liegt. Und anscheinend war der junge Mann, den sie grade umgebracht hat, gar nicht der Mörder, sondern ein Freund ihrer Tochter, der selbst verletzt wurde. Wo aber ist ihre Tochter? Wurde sie entführt? Wieso war sie überhaupt Zuhause und nicht in der Schule? Für Abby beginnt eine verzweifelte Zeit des Hoffen und Bangens und für Will Trent ein Wettlauf mit der Zeit, denn je mehr davon vergeht, desto unwahrscheinlicher wird es, Emma lebend wiederzufinden.

Will Trent hat hier seinen zweiten Fall nach „Verstummt“. Mittlerweile ist er mit seiner Freundin Angie verlobt, aber so richtig wohl fühlt er sich dabei nicht. Wirkte er im ersten Band noch ziemlich problembehaftet, so ist er hier schon wesentlich sympathischer. Trotz seiner Legasthenie hat er es zum Special Agent geschafft, ein steiler Aufstieg für ein Findelkind aus der Mülltonne. Paul Campano, Emmas Vater, ist mit Will zusammen im gleichen Waisenhaus aufgewachsen, früher hat er ihn immer unterdrückt. Mittlerweile lässt Will sich nichts mehr von ihm sagen, auch wenn es ihm schwer fällt und er in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Paul ist skeptisch, ob Will der Suche gewachsen ist, aber nach und nach ringt Will ihm den nötigen Respekt ab. Seine Chefin Amanda verdonnert ihn zur Zusammenarbeit mit Detective Faith Mitchell, eine ehemals alleinerziehende Teenagermutter mit mittlerweile erwachsenem Sohn. Ihr Sohn studiert am gleichen College wie Adam, Abbys Opfer. Sie hat ihre eigenen Probleme mit Will, zwang er doch ihre Mutter, auch eine Polizistin, zum frühzeitigen Ruhestand, da sie mit Unterschlagungen, die Will aufdeckte, in Verbindung stand. Faith grollt mit ihm, ist aber professionell genug, um mit ihm zusammenarbeiten zu können. Der Anfang gestaltet sich schwierig zwischen den beiden, denn auch Will ist es nicht gewohnt, einen Partner zu haben.

Die Story plätschert endlos vor sich hin. Nach dem fulminanten Beginn flacht sie sehr schnell ab, die meiste Zeit fahren Will und Faith durch Atlanta und verhören Verdächtige und Zeugen. Wirklich Wichtiges erfahren sie erst einmal nicht, mit der einzigen Ausnahme, dass alle Kayla, das Mordopfer nicht mögen. Sie ist eine typische Rebellin und hat für viel Unruhe in der Schule gesorgt. Keiner konnte sie leiden, Emma war ihre einzige Freundin, sehr zum Entsetzen ihrer Eltern. Denn Kayla hatte keinen guten Einfluss auf sie, sie stiftet sie zum Schwänzen an. Ihre Noten sinken rapide und auch der Umgang ihren Eltern gegenüber verändert sich. Aus dem behüteten, wohlhabenden Töchterlein ist ein aufmüpfiger Teenager geworden, der zum Entsetzen der Eltern auch schon Drogenerfahrung hat.

Die Protagonisten sind alles Menschen, mit vielen Problemen – zu vielen für ein entspanntes Leben. Da ist Faith mit ihrer verlorenen Jugend und dem Hass auf Will, der gegen ihre Mutter ermittelt hat. Paul Campano, der auch wie Will und Angie in einem Waisenhaus groß geworden ist und nun nie genug Geld und schöne Frauen haben kann. Er braucht die unendliche Bestätigung seiner Umwelt, jemand zu sein. Abby ist hier noch die normalste von allen, dazu kommen noch die drei Jugendlichen Amanda, Kayla und Adam, die selber ihre eigenen Probleme hatten. Dann Angie, die nicht wirklich sympathisch wirkt und mit ihrer Unordnung Will zur Verzweiflung treibt. Außerdem ist er sich bei ihr nie sicher, ob sie morgen noch mit ihm zusammen sein wird. Seine eigenen Probleme überwältigen ihn ebenso regelmäßig, wobei man so einiges nicht wirklich nachvollziehen kann. Will ist ja nicht unintelligent, sonst hätte er es kaum zu einer Karriere bei der Polizei geschafft. Unwillkürlich fragt man sich allerdings, wie er so weit kommen konnte, wenn er nicht schreiben und lesen kann. Hat er sich durch schriftliche Prüfungen gemogelt? Warum gibt er seine Legasthenie nicht einfach zu, ist doch heutzutage eine anerkannte Lernstörung, was auch ihm bekannt sein dürfte. Aber sein Verhalten beim Professor zeigt, dass ihm das wohl nicht bewusst ist. Sein Verhältnis zu Angie wirkt ebenfalls unglaubwürdig, es macht ihn klein und unterwürfig, hier sollte er sich schleunigst befreien. Sein Charakter ist nicht einfach zu verstehen, einiges wirkt zu übertrieben und unglaubwürdig, ist aber schon wesentlich sympathischer als in Verstummt. Bei all den Ereignissen kommt das Buch relativ unblutig daher, da ist man von Karin Slaughter doch einiges anderes gewöhnt. Man hat ein bisschen den Eindruck, nach der Eingangsszene ist buchstäblich die Luft raus. Langwierige Ermittlungen und ausufernde private Probleme bestimmen die Story, das Thema Kinderpornographie wirkt aufgesetzt, als ob die Autorin nur auf dem aktuellen Zug aufspringen will.


Fazit

Langwierige und unergiebige Ermittlungen prägen dieses Buch, die Protagonisten sind immer noch very tortured. Der zweite Thriller nach Verstummt mit dem Ermittler Will Trent besticht durch seine leisen Töne. Legasthenie und Pädophilie sind die Hauptthemen, sie kommen geflüstert daher und entwickeln sich erst zum Schluß zu einem wahren Sturm – auch der Gefühle. Mit Faith Mitchell betritt eine wunderbare Ergänzung zu Will Trent die Bühne, hoffentlich bleibt sie ihm noch lange erhalten.


Pro und Contra

+ Faith
+ relativ unblutig
+ interessante Entwicklungen
+ Erläuterung des Problems der Legasthenie

- langwierige und unergiebige Ermittlungsarbeit
- langatmig und langweilig
- unsympathische Hauptcharaktere
- Handlungen teilweise sehr unglaubwürdig und übertrieben

Wertung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 2,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Karin Slaughter:

Rezension zu Zerstört
Rezension zu Letzte Worte
Rezension zu Schwarze Wut