Das Patienten-Dilemma (Heide Neukirchen)

Heyne (Februar 2009)
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-453-15637-1
€ 17,95 [D] | € 18,50 [A] | CHF 31,80

Thema: Medizin


Klappentext

Patienten und Ärzte im Würgegriff der Bürokratie

60 Milliarden Euro werden jährlich für die medizinische Forschung ausgegeben, dennoch finden neue Medikamente nur verzögert, überteuert oder gar nicht ihren Weg bis zu uns. Was läuft schief? Heide Neukirchen hinterfragt kritisch die Praxis der Medikamenten-Entwicklung und hat eine beunruhigende Botschaft: Bizarre Bürokratie und unsere risikoscheue Gesellschaft behindern den medizinischen Fortschritt. Die Leidtragenden sind die Patienten.

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Rezension

„Warum wir nicht die Medikamente bekommen, die wir brauchen“ lautet der Untertitel von Heide Neukirchens „Patienten-Dilemma“, was zunächst einmal etwas reißerisch klingt. Doch die Autorin liefert mit diesem Sachbuch gut recherchierte Antworten auf Fragen, die wohl vielen Patienten durch den Kopf geistern, wenn sie auf geeignete Therapien warten oder gar auf Lebensrettung hoffen.

Heide Neukirchen deckt mit dem „Patienten-Dilemma“ ein weites Themengebiet ab. Von Diskussionen zu Tierversuchen und klinischen Studien über den Placebo- und Noceboeffekt bishin zu eigenen Erfahrungen als Teilnehmerin an einer dieser kompliziert organisierten Studien ist alles dabei. Und je weiter man liest, desto mehr fällt der Fokus auf „Dilemma“. Zwar verschlingt die Bürokratie Unmengen von Zeit – Zeit, die den Kranken letztlich fehlt! – doch was kann man abschaffen? Wir wollen Sicherheit und ein hohes Maß an Aufklärung, doch genau das trägt zu den enormen Verzögerungen bei. Der freie Wille steht der freien Forschung im Weg und Ärzte und Forscher stehen im ständigen Spagat zwischen Ethik und Moral, dem Wohl des Patienten, den Vorschriften und Anforderungen und letztlich den finanziellen Nöten.

Wie läuft die Entwicklung eines neuen Medikaments eigentlich ab? Dass es sich dabei um einen hochkomplexen und auch komplizierten Prozess handelt, dürfte allen klar sein – doch dass Ärzte und Forscher mit einem derartigen Wust an bürokratischen Hürden zu kämpfen haben, klingt auf manchen Seiten nahezu unvorstellbar. Da verzögern sich Studien um Monate und teilweise Jahre, weil erst ellenlange Zustimmungserklärungen über die Patientennachttische wandern und Zustimmungen von Ethikkommisionen und diversen Behörden eingeholt werden müssen. Natürlich will man abgesichert sein – nur leider ist die Konsequenz eine unfassbare Verzögerung der Forschung.

Und Zeit ist Geld – wobei die Pharmaindustrie ohnehin ein Milliardengeschäft ist. Wer nun Heide Neukirchens Ausführungen liest, wird verstehen, warum alles so verdammt teuer ist:. Nur ein Teil des Geldes kommt tatsächlich der Forschung zu Gute, der Rest verschwindet im Schlund der Bürokratie. Hier und da fallen horrende Gebühren an, die Geräte und sonstige Ausstattung kosten ein Vermögen, es entstehen Unmengen an Transportkosten, es werden hohe Aufwandsentschädigungen an Probanden gezahlt, aber bitte nicht zu hoch, denn sonst wäre es ein unmoralisches Angebot.

Gleichzeitig nehmen zu wenige Menschen an Studien teil, wodurch wir gewissermaßen „selbst schuld“ sind, wenn viele Studien nicht durchgeführt werden können. Gleichzeitig legt Heide Neukirchen Extremfälle missglückter Studien dar, bei denen sogar Menschen starben. Und hier versteckt sich der einzige Schwachpunkt des Buchs: Die Autorin überschüttet den Leser mit Informationen, die allesamt zum Nachdenken anregen, aber am Ende bleibt gewissermaßen das Dilemma. Die Zustände müssen geändert werden, aber Vorschläge, was man tun könnte, kommen leider zu kurz. Nur ein kleines Kapitel am Ende namens „Mobilmachung“ hilft dem Leser, die Gedanken zu ordnen und eine Richtung zu finden.

Am Ende des Buches findet sich übrigens ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen, sowie eine ausführliche Auflistung der Quellen. Damit macht das Buch einen sauber recherchierten Eindruck und lädt zum Weiterinformieren ein.


Fazit

Heide Neukirchen fasst das „Patienten-Dilemma“ kompakt, interessant und gut verständlich zusammen. Zudem ist das Buch thematisch und mit diversen Beispielen aus den vergangenen Jahren hochaktuell, wobei vor allem die negativen Extrembeispiele für eine etwas zu pessimistische Stimmung sorgen. Dennoch für interessierte Patienten, Hobbypharmakologen und kritische Zeitgenossen ein Muss!



Pro & Contra

+ leicht verständlich
+ sehr gut recherchiert
+ enormer Informationsgehalt
+ hochaktuell

- teilweise etwas einseitig

Wertung:

Aktualität: 5/5
Verständlichkeit: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5