Reich-Ranickis Ehefrau Teofila ist gestorben

Die Frau des Literatur-Kritikers Marcel Reich-Ranicki ist im Alter von 91 Jahren in Frankfurt am Main gestorben. Das Paar war fast 70 Jahre verheiratet.

Teofila Reich-Ranicki, die Frau des Literatur-Kritikers Marcel Reich-Ranicki, ist tot. Sie starb am Freitag im Alter von 91 Jahren, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet. Teofila war zusammen mit ihrem Mann aus dem Warschauer Getto geflüchtet. Das Paar überlebte den Holocaust und kam später in die Bundesrepublik.

Die letzten Zeilen seiner Autobiografie "Mein Leben" widmete Marcel Reich-Ranicki seiner Frau. Am 29. April 2011 ist sie in Frankfurt am Main gestorben. Man nannte sie Tosia: Teofila Reich-Ranicki geb. Langnas. Sie war die Frau an seiner Seite, er der Mann an ihrer. Gefährtin von Marcel Reich-Ranicki, dem Kritiker schlechthin, seit über 70 Jahren, fast ebenso lang mit ihm verheiratet. "Kümmer dich um das Mädchen", sagte Helene Reich zu ihrem jüngeren Sohn, als sich Tosias Vater im Warschauer Ghetto erhängt hatte. "Kümmer dich um Marcel", sagte seine Mutter, als sie ins Vernichtungslager deportiert wurde.

Befreiung aus dem Kellerversteck
Die Beiden haben den doppelten Auftrag getreulich erfüllt, bis zuletzt. Zu den großen Wundern der Schreckensgeschichte des 20. Jahrhundert zählt, dass Teofila und Marcel Reich-Ranicki gemeinsam die Shoah überlebten. Zu den kleinen, dass sie mehr als 65 Jahre nach der Befreiung aus dem Kellerversteck ein Paar blieben – sie nicht ohne ihn zu denken, er nicht ohne sie. Am Schluss seiner Autobiographie "Mein Leben" stehen Verse Hofmannsthals: "Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, / dass wir zwei beieinander sein."

Wie sehr Teofila Langnas Künstlerin war, beweisen ihre Skizzen und Aquarelle aus dem Warschauer Ghetto, beweisen ihre Illustrationen zu Erich Kästner. Dass sie ohne Musik nicht leben, dass sie trefflich Klavier spielen konnte, ist – wie es bei Shakespeare heißt – für Marcel und sie "der Liebe Nahrung" gewesen.

Sinn fürs Schöne und für Humor
Die Schatten des Vergangenen hatten sich tief in ihre Seele gesenkt, sie psychisch labil gemacht. Doch hielt sie durch, bewahrte sich ihren Sinn fürs Schöne, für Humor, ihre Herzlichkeit. Und wenn sie viel schwieg, war das nichts als ein Zeichen intensiven Zuhörens. Ganz knapp und trocken kamen ihre Kommentare, die von Witz und genauer, gleichwohl gütiger Menschenkenntnis zeugten. Zahlen, Daten, Fakten verlor sie nie aus dem Gedächtnis.

Die Beschwernisse des Alters ertrug sie, ohne sich Illusionen hinzugeben, mit unbeugsamem Optimismus. Zu ihrem 91. Geburtstag im März versammelten sich Familie und Freunde in der Frankfurter Wohnung. Kein Fest, eher ein spontanes Sich-Einfinden. Tosia, wie stets tadellos frisiert und elegant, saß im Rollstuhl. Noch zerbrechlicher als sonst wirkte sie, schwach und klein geworden, aber völlig präsent. Zum Abschied rauchten wir gemeinsam je eine ihrer geliebten Mentholzigaretten. Jetzt ist Teofila Reich-Ranicki gestorben. Wer das Glück hatte, sie zu kennen, wird sie nicht vergessen.


Quelle: welt.de