Chew - Bulle mit Biss Bd. 1 - Leichenschmaus (Layman/Guillory)

chew 1

Cross Cult (Dezember 209)
Hardcover, Seiten: 140
Preis 16,80€
ISBN: 978-3942649186

Genre: Humor/Thriller


Klappentext

Tony Chu ist ein Gesetzeshüter mit vielen Talenten, eines davon reichlich absonderlich: Tony Chu ist ein ein Geschmacksknospen-Telepath, auch als Cibopath bekannt. Will heißen, was immer sich auch in den Mund des Beamten Chu verirrt, sei es ein drei Tage altes Käsebrötchen, ein Royal TS oder Blut von einem Mordtatort, löst bei dem Crime-Gourmet eine geistige Vision aus, die ihm alles über seine Speise verrät - der Teig, aus dem seine Backwaren geknetet wurden, das Schlachthaus, in dem das Getier für seinen Burger sein Ende fand, und ... die letzten Stunden im Leben des Mordopfers. Diese Fähigkeit hat aus Tony einen strikten Vegetarier und einen bissigen Polizeiermittler gemacht, der sich seine Fälle auf der Zunge zergehen lässt. Es ist eine dreckige Welt da draußen, und ein cibopathischer Detektiv muss im Dienst von Recht und Ordnung viele Geschmacklosigkeiten erdulden und viele widerliche Sachen in den Mund nehmen ...

Chew ist ein Ereignis und eine mittelschwere Geschmackssensation! Gefeiert als eine der besten amerikanischen Newcomer-Comicreihen seit langem hat John Laymans und Rob Guillorys stilsicherer Mix aus Krimi-Satire, überbordendem Genre-Spaß und Gourmet-Action sämtliche Bestseller- und Pull-Listen der letzten zwei Jahre durcheinandergewirbelt und die wichtigsten Auszeichnungen der Comic-Industrie eingeheimst, darunter den EISNER und den HARVEY Award als "Beste Neue Comic-Serie 2010".


Rezension

Wenn sich jemand freiwillig auf eine Rote-Beete-aus-der-Dose-Diät setzt und anderes Essen scheut wie ein Vampir das Weihwasser, dann muss es dafür einen triftigen Grund geben. Im Falle von Tony Chu ist es die Tatsache, dass er ein Cibopath ist.

"Das bedeutet :Er kann in einen Apfel beißen und bekommt in seinem Kopf ein Gefühl dafür, von welchem Baum der Apfel ist, welches Pestizid verwendet und wann er geerntet wurde. Oder er kann einen Hamburger und ganz andere Empfindungen bekommen."

Um möglichst von blutigen Schlachtbildern verschont zu werden, isst Tony kaum etwas und hat ständig Hunger. Als Ablenkung dient ihm sein Job. Er ist Polizist und observiert nachts illegale Geflügeldeals. Ein großes Verbrechen, denn seit einer Vogelgrippeepidemie wird der Verkauf und Verzehr von Hähnchen und Co. strafrechtlich verfolgt. An diesem Abend verläuft es jedoch anders als geplant: Anstatt einen Geflügeljunkie zu schnappen, mischt sich die FDA, die Arznei- und Nahrungsmittelbehörde, ein, die einflussreichste Verbrechensermittlungsstelle der Welt, und verhindern eine Festnahme. Als Wiedergutmachung dürfen sich Tony und sein Partner den Bauch in einem illegalen Geflügelrestaurant vollschlagen und das ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Selbst Tony kann da nicht verzichten und bestellt sich etwas zu essen. Schon der erste Bissen offenbart ihm den Koch als einen mehrfachen Mörder. Ein kulinarisches Abenteuer beginnt.

Was John Layman mit "Chew - Bulle mit Biss" auf Papier gebracht hat, ist an Irrsinn kaum zu überbieten und Cross-Cult beweist ein weiteres Mal, dass sie nicht davor zurückscheuen, solche bizarren Werke zu verlegen. Natürlich wurde das hier auch schon über "The Goon" gesagt, allerdings spielt "Chew" in keiner Karikatur unserer Welt. Es werden einige Themen implementiert, die aktuell sind oder es waren wie die Vogelgrippe und etwas weitergestrickt, als wäre die Welt im Comic lediglich irgendwo falsch abgebogen. Das Resultat ist eine übertriebene aber realitätsnähere Geschichte als bei "The Goon".
Der Erfolg des Comics hat sich allerdings schon in Amerika abgezeichnet und der erste Band "Leichenschmaus" wurde mit Preisen überhäuft. Kannibalische Ermittler kommen in der Zeit von "Monk", "Dexter" und "Pushing Daisies" eben gut an und "Chew" setzt diesem Genre noch die Krone auf.
In fünf Kapiteln erzählt Band 1 von Tonys erstem Mordfall, den es aufzuklären gilt. Jedes Kapitel ist für sich abgeschlossen und beinhaltet eine groteske Nebengeschichte. Alle zusammen folgen aber einem roten Faden und dienen dazu, die Hauptstory voranzubringen. In so kleine Häppchen verteilt, macht der Comic viel Spaß, weil man konstant mit witzigen Einfällen und Charakteren konfrontiert wird, aber nie das Gefühl hat, dass das Gesamtbild in den Hintergrund rücken würde.
Trotz der doppelten Portion Humor sollte man zunächst die Leseprobe nutzen, die auf der Homepage von Cross Cult zu finden gibt. Denn "Chew" ist mindestens so eklig, wie er witzig ist. Hunger bekommt man nach dem Lesen jedenfalls keinen. Während man die Augen vor der unappetitlichen industriellen Nahrungsherstellung verschließen oder das sprichwörtliche Haar in der Suppe vergessen kann, so brennen sich einige Zeichnungen mit all ihrer Geschmacklosigkeit in die Netzhaut ein. Schwache Gemüter wird das verschrecken und missfallen, die, die sich schon der Ölzeichnungen von Cartoons wie "Ren & Stimpy" erfreut haben, werden hier ihre helle Freude haben.

Rob Guillory, der Mann mit dem Zeichenstift, hat die Einfälle von Autor Layman in einer ungemein individuellen Art aus Papier gebracht. Erweitert hat er die Gags mit einer sehr gut dargestellten Situationskomik. Überzogene Gesichtsausdrücke und Körperproportionen geben den Figuren eine Einzigartigkeit. Insgesamt kann man den Zeichenstil als "amerikanisch cartoonig" zusammenfassen, was bedeutet, dass die meisten Figuren hässlich oder zumindest unattraktiv sind und die Zeichnungen nur so vor kleinen Details strotzen. Letzteres kommt bei den angesprochenen Ekelmomenten besonders zur Geltung, wenn z.B. die halbe Seite mit einem Schwall Erbrochenem überzogen ist.

Zieht man den Humor und die Gradwanderung zum schlechten Geschmack ab, ist "Leichenschmaus" inhaltlich recht simpel und eher unspektakulär. Die große Stärke und der schwerwiegendste Grund für den Erfolg sind sicher die Charaktere. In den Zeichnungen perfekt manifestiert, sind sie ohne Ausnahme schrullig und durchgeknallt. Neben Tony Chu, der mit seinen exzentrischen Ausrastern auf erheiternde Weise immer wieder mit seinen Vorgesetzten aneinandergerät, ist es Agent Mason Savoy, der heraussticht. Der neue Partner von Chu ist ebenfalls ein Cibopath und somit der dritte von weltweit drei bekannten Menschen mit dieser Fähigkeit. Er ist schon ein alter Hase und für seinen Job hat er sich schon längst abgewöhnt, den erforderlichen Kannibalismus zu verurteilen. Er ist Mentor und Actionheld und einer der Stars der Story. Es warten aber noch viele andere Figuren im Comic, die einfach nur Spaß machen.


Fazit

"Leichenschmaus" ist ein witziges und sehr eigenwilliges Debüt, das vor allem zeichnerisch hervorsticht und aufgrund der wahnwitzigen Charaktere im Gedächtnis bleibt. Ein toller Comic, der aber noch einigen Raum nach oben freilässt.


Pro und Kontra

+ die kuriose Vogelgrippe
+ die Idee vom Cibopathen
+ ungemein komisch
+ ausgezeichnetes Charakterdesign
+ schön lang

o hoher Ekelfaktor

- harmloser erster Fall

Beurteilung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 5/5


Leseprobe von Chew - Bulle mit Biss

Rezension zu Chew - Reif für die Insel (2)

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