Dressler (Februar 2011)
Hardcover, 249 Seiten,
ISBN: 978-3-7915-1115-3
€ 13,95 [D]
Genre: Thriller / Jugendbuch ab 12
Klappentext
Der 14-jährige Hal wird dazu verurteilt, in Hellenweiler einzusitzen, einem gefährlichen Jungenheim, das einem knallharten Gefängnis gleicht. Über seinen Anwalt erfährt Hal, dass er in nur wenigen Wochen wieder entlassen wird – vorausgesetzt er macht keinen Ärger und gerät nicht in Schwierigkeiten. Doch je mehr er versucht, den beiden dominierenden Banden, den Hounds und den Ministers, aus dem Weg zu gehen, desto tiefer gerät er in einen Strudel aus Gewalt und Brutalität. Die Aufseher und alle anderen Jungen scheinen sich gegen ihn verschworen zu haben und so hat Hal nur ein einziges Ziel: überleben!
Rezension
Watt Key wurde 1970 als ältestes von sieben Kindern geboren, wuchs in Alabama auf und widmete sich schon während des Studiums dem Schreiben spannender Jugendliteratur. Im Jahr 2008 veröffentlichte er seinen Debütroman „Alabama Moon“. Ausgezeichnet als eine der besten Neuerscheinungen, und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, durfte sich Watt Key bereits über eine gelungene Verfilmung freuen und legt nun, drei Jahre später, mit „Niemandsland“ einen weiteren Roman vor. Dieses Mal im Focus: Henry Mitchell Junior, genannt Hal, der gemeinsam mit Moon schon einmal vor dem Staat geflohen war.
>> In der Nacht hallte ein einsames Heulen durch den Flur. Es schien vom anderen Ende des Gebäudes zu kommen. Aus der Richtung, wo sich die schwarze Eisentür befand. Niemand sagte etwas, als wären sie daran gewöhnt. Während der nächsten halben Stunde lag ich mit offenen Augen da, lauschte dem lauten Weinen und spürte eine wachsende Übelkeit. Wenn einer so schrie, dann musste Hellenweiler noch viel schlimmer sein, als ich gedacht hatte. <<
Hal dachte er hätte schon viel durchgemacht und überlebt. Seine Mutter hat ihn verlassen, sei Vater wurde zum Säufer und das Gesetzt schien eine Grenze zu sein, die nie Rücksicht auf ihn zu nehmen gedachte. Nach seiner Flucht mit Moon in die Wälder soll er nun in Hellenweiler einsitzen. Ein Heim, das einem Knast gleicht und in dem die Wärter ein schlimmes, gar tödliches Spiel spielen. Denn sie sind Hal wahres Problem. Während sich die Banden gegenseitig das Leben schwer machen reift ihn Hal, als alle Stricke reißen, schlussendlich ein Plan heran: Er muss die Heimleitung, ihre Gefängniswärter, bloßstellen um sich und seine Freunde so aus deren Fängen zu winden. Der Plan ist schnell gereift; die Umsetzung schwerer und bald wird klar, dass große Opfer verlangt werden, um kleine Erfolge verzeichnen zu dürfen ...Was passiert mit einem Jungen, der den falschen Weg gewählt hat? Betrachtet man ihn als verloren? Als falsches Produkt des Systems? Und in welches Muster darf man ihn pressen, wenn die Verführung doch so schmerzlich groß gewesen ist; sein Leben eine einzige Höllenfahrt? Das Geld hat gefehlt; die Chance, sich illegal etwas zu verdienen, gelockt. Darf man solch einen Jungen als Verbrecher bezeichnen? Vermutlich. Aber als Tier? Als Hund, den man von der Straße fernhalten muss? – Der sechzehnjährige Hal, der sich dem Gesetz und seiner Strafe schlussendlich gestellt hat, ist an einem Ort gelandet, an dem er als nichts anderes betrachtet wird. Denn der Leiter des Heimes wird von Beginn an deutlich und macht ihm seine Lage klar: Nichts soll hier besser werden, denn Hunde lernen nichts und hier ist schlicht ihr Zwinger; hier werden sie zusammengesperrt, um sie vom Rest der Welt fernzuhalten. Für Hal ist das alles ein Schock. Denn er will zurück zu seinem Vater; sich bessern und sauber bleiben. Und so ist er bemüht, jeden Ärger von sich fern zu halten. Ein Vorhaben das kaum zu gelingen scheint, denn Freunde sind in Hellenweiler schwer zu finden; Feinde aber umso leichter. Besonders wenn man nicht kämpfen möchte, um sich zu beweisen. Kämpfen bedeutet jedoch sich Probleme einzuhandeln. Und Probleme bedeuten eine lange Zeit, statt nur ein paar Wochen, einzusitzen. Solange, bis er achtzehn ist. Zwei ganze Jahre. Und so bleibt Hal nichts anderes übrig, als alles mit sich machen zu lassen und im Niemandsland zu verharren; den Ball flach zu halten, während sein Vater weiter hin für ihre Zukunft kämpft. Für das Trockenbleiben. Und auch wenn Hal ursprünglich befürchtet hatte, es niemals schaffen zu können, so scheint sein Verhalten zu fruchten. Die Hölle wird zum Alltag; die Bandenpolitik zum Verwirrspiel und er selbst zum sauber gebliebenen Prügelknaben. Watt Key zeigt schnell, wie Gewalt durch Druck entstehen kann. Dem Druck, dazugehören zu wollen und, in diesem Fall, auch zu müssen. Anstatt durch Einigkeit wird die Realität von Gehässigkeiten bestimmt; die Hoffnung genommen. Und so lernt auch Hal dazu, der bald einsehen muss, dass nicht die anderen seine Feinde sind. Nein, das glatte Gegenteil ist der Fall; die Korruption der Wärter unermesslich. Doch wer glaubt einem jungen Straftäter, der sich, wie jeder weiß, um Kopf und Kragen redet, wenn es brenzlig wird? Sein eigener, ihm inzwischen vertrauter Anwalt? Sein Vater? Die Öffentlichkeit?
Diese und andere Fragen schwirren im Kopf des Lesers, auch wenn sie nicht im Fokus stehen. Stattdessen ruht der Schwerpunkt auf einer furiosen Handlung, die es kaum möglich werden lässt, das bestehende Potenzial an Tiefgründigkeit vollständig auszuschöpfen. Und so geht es im Eiltempo voran. Freunde, Feinde und immer wieder neue Probleme werden vorgestellt und halten den Leser bei Laune, da sie übersichtlich, gar nett gestaltet sind. Das Gefühl der Aussichtslosigkeit wird indes dominanter und scheucht die Spannung ihrem Höhepunkt entgegen, die diesem Roman ein rasendes Tempo verleiht. Kurzweiligkeit wird groß geschrieben; die Zeit vergeht nicht, nein, sie verfliegt und ehe der Leser es fassen kann, ist er am Ende angekommen. Ein Ende, das zu überzeugen weiß. Reflektiert man jedoch über den gesamten Inhalt, so bleibt man vorwiegend mit gemischten Gefühlen zurück. Niemandsland ist ein Jugendbuch; ein Roman ab zwölf Jahren und als solcher (außer für sehr zarte Gemüter) durchaus auch zu empfehlen, denn die Brutalität ist niemals plastisch und nicht auf das Schocken des Lesers angelegt. Nein, sie passt zur verfahrenen Situation und mündet schlussendlich in der Moral, dass sich vieles auch ganz anders regeln lässt und man niemals aufgeben darf. Die Hoffnung stirbt zuletzt; oder sollte es zumindest. Zukunft wartet nicht. Eine Aussage, die gefällt, dennoch aber bleibt der Eindruck zurück, dass alles hätte noch ein bisschen ausführlicher sein dürfen; ein bisschen nahegehender und eben nicht nur in einem Stück spannend und gut durch die Ich-Perspektive erzählt. Watt Key scheint mit seinem Charakter Moon im vorangegangen Roman einen Nerv getroffen zu haben; doch hier weiß er schlicht gut zu unterhalten. Man ist schlussendlich also durchaus zufrieden sowie neugierig auf mehr und besonders die jugendlichen Buchwürmer werden vermutlich weiteren Geschichten von Watt Key entgegenfiebern. Denn die Charaktere sind wunderbar (wenn auch ein bisschen einfach) gewählt und animiere zum zügigen Lesen; ganz so, wie man es sich für die Jugend wünscht, die ihre Freunde daran haben soll.
Ein Tag folgte auf den anderen ohne Nachricht von draußen und mit jeder weiteren Stunde vergeblichen Wartens wurde ich mutloser. Am Mittwoch gestand ich mir ein, dass ich ein Idiot gewesen sein musste, geglaubt zu haben, ich könnte mit einem einzigen Blatt Papier das ganze Heim auffliegen lassen. Und selbst wenn es reicht, konnte es Wochen dauern, bis Richter Mackin eine Entscheidung traf.(Seite 218)
Fazit
Niemandsland von Watt Key ist ein schnell zu lesender, sehr packender Jugendroman und erzählt aus dem Leben der härteren Jungs, über stupiden Stolz und den gefährlichen Rausch des Machtgefühls. Gespickt mit einer gut annehmbaren Portion Moral und dem Kampf gegen die Wärter ist dieses Buch all jenen Jugendlichen (oder auch Erwachsenen) zu empfehlen, die sich wirklich unterhalten lassen möchten, ohne jedes Detail pingeligst auf den Prüfstand zu schicken.
Pro und Kontra
+ einnehmende Idee gut verpackt+ lebendig und fließend erzählt
+ glaubwürdige Protagonisten
+ unvorhersehbar und temporeich
+ rasend schnell zu lesen
+ angenehmer Stil
+ positive Endmoral
o nichts für schwache (Jugend-)Nerven
o teilweise brutal, wenn auch nicht ausufernd
- schlussendlich ein bisschen zu wenig Details
- Logiklöcher im Hintergrund
- Antrieb der Wächter (zu) wenig überzeugend
Wertung:
Handlung: 3,5 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5