50 Jahre dtv

Der dtv feierte in München sein 50-jähriges Bestehen – mit Verleger-, Politiker- und Autorenreden. Mit Musik und großem Buffet. Da trifft es sich gut, dass der Verlag so erfolgreich ist wie nie.

„Jedes Girl und jede Frau hätten gern Stil und Sexappeal von dtv.“ So reimte das Autorenpaar Jan Melzer und Sören Sieg. Und es war sicher nicht die gewichtigste, aber in jedem Fall die lustigste, die unterhaltsamste Einlage beim Jubiläumsfest des Münchner Taschenbuchverlags.

Gefeiert wurde gestern eine zweistellige runde Zahl im Haus der Kunst in München: 50 Jahre dtv. Doch sie haben genauer nachgerechnet im Verlag, und so hatte der Chef des Hauses, Wolfgang Balk, noch ein paar andere Zahlen parat – aus diesen 50 Jahren: 16.000 Titel, 430 Millionen Exemplare, 140 Milliarden Buchseiten. Die Feierlaune des Verlegers hat aber neben diesen Erforschungen wohl vor allem mit der Bilanz des letzten Jahres zu tun: Ein Rekordumsatz von 54 Millionen Euro war zu verbuchen. Unter den Taschenbuchverlagen macht das Rang drei. Noch besser klingt: „Wir sind der größte konzernfreie Publikumsverlag.“ Weshalb der größte Konzernkritiker unter den deutschen Verlegern den Satz genussvoll auf der Zunge zergehen ließ. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude konnte das nachschmecken, als er die dtv-Verbundidee als „einen Aufstand der Mittelständler gegen die Konzernverlage“ feierte.

Eine „Sensation“ sei es gewesen, dass sich elf Konkurrenten zusammentaten, um 1961 den Verlag dtv zu gründen, befand Balk. Heute sind dem Unternehmen jedoch nur noch vier Gesellschafter verblieben und gar nur zwei, die schon zu Beginn dabei waren: Beck und Hanser. „Das Modell dtv ist nach 50 Jahren nur noch sehr partiell existent“, sagte Balk. Da klinge es paradox, dass der Verlag noch nie ein besseres Ergebnis erzielt habe. Für die vermeintliche Paradoxie hat Balk aber selbst gesorgt. Längst hat der Verlag auf den Gesellschafterschwund reagiert und sich mit Originalausgaben unabhängiger gemacht von den Programmen der Eigentümer. Populärer, breiter ist die Produktion geworden, mit einem Wort: marktorientiert.

Der Schriftsteller Uwe Timm, seit 1998 Autor des Verlags, nannte das Programm „ein wunderbares Chaos“ und einen „einmaligen kulturellen Speicher“. Das Taschenbuch ist zwar nicht schöner als das Hardcover, doch es hat einen höheren Gebrauchswert, glaubt Timm. Während das gebundene Buch häufiger daheim bleibe, gehe das Taschenbuch gern auf Reisen. „Es scheint den Strand zu lieben“. So führte denn auch sein Bericht eigener Lektüreerfahrungen nach London, wohin ihn Bölls „Irisches Tagebuch“ begleitet hat, der Gide-Erzählband „Der schlechtgefesselte Prometheus“, erfuhren die Zuhörer, war ein Geschenk von Benno Ohnesorg, Döblins „Berlin Alexanderplatz“ ist voller Anstreichungen und Ausrufezeichen am Rand von einem Leser, der selbst sich anschickte, Schriftsteller zu werden. Als „Urkunden unserer ästhetischen Selbsterfahrung“, definiert Timm das Verlagsprogramm, gemeint sind nicht alle der 140 Milliarden Buchseiten, aber doch einige davon. Und auch Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder sieht die Leistung des Verlags in einem „Aufbruch“ und „einer intellektuellen Erfrischung“.

Zwei Namen sind es, die am häufigsten genannt wurden während des dtv-Abends: der des Schweizer Grafikers Celestino Piatti, der lange das Gesicht der Taschenbücher bestimmt hat, und der des ersten und langjährigen dtv-Verlegers Heinz Friedrich. Von ihm stammt der Satz: „Erfunden haben wir das Taschenbuch nicht - aber wir haben etwas daraus gemacht.“ Balk versprach: „Wir werden auch weiterhin etwas daraus machen.“


Quelle: boersenblatt.net