Unendliche Stadt (Alastair Reynolds)



Heyne Verlag (März 2011)
Taschenbuch, 816 Seiten, EUR 9,99
 
978-3453527676

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Willkommen in der größten Stadt, die je erbaut wurde!

Spearpoint: Die letzte Bastion der Menschheit in ferner Zukunft.

Spearpoint: Ein gigantischer Sporn, der weit in den Himmel reicht und an dessen Hülle sich die „Zonen“ befinden, autonome Staaten, die auf den unterschiedlichsten technischen Entwicklungsstufen stehen.

Spearpoint: Der Ort, an dem sich das Schicksal der menschlichen Zivilisation entscheidet …


Rezension

Wieder einmal hat Reynolds‘ Ideenreichtum einen umfassenden Roman hervorgebracht, dessen Grundgedanke so genial und aufregend wie einfach ist: In einer so fernen Zukunft, dass nichts mehr an die Erde, wie wir sie kennen, erinnert, beherrschen sogenannte „Zonen“ das Leben der Menschen. In den „hohen“ Zonen ist ein normales Leben möglich; Technologie funktioniert dort uneingeschränkt. Doch je niedriger die Zone, desto weniger Technologie funktioniert dort. Nun kann aber nicht einfach jeder in die Zone ziehen, nach der es ihm beliebt – denn die Menschen vertragen nur jene Zone, in der sie geboren worden sind und können nur mit Hilfe von Medikamenten in andere reisen.
Und so gibt es in Spearpoint – jener unfassbar hohen Stadt, in der die Zonen am kompaktesten beisammen liegen – Bereiche, in denen Nachts die Lichter hell brennen und in denen Computer und Ähnliches funktionieren – wie zum Beispiel „Neon Heights“, aber auch solche, in denen Gaslaternen und bestenfalls dampfgetriebene Wagen das Stadtbild prägen, wie etwa Steamtown oder gar – wo selbst letzere versagen – Horseville.
Diese Vielfalt an gegensätzlichen Schauplätzen macht einen enormen Reiz aus; nicht nur fängt Reynolds die Atmosphäre der jeweiligen „Zone“ gekonnt ein – vielmehr sind diese ein wichtiges Handlungselement, das immer wieder eine tragende Rolle spielt.

So auch bei Quillons Odyssee. Als sich nämlich das Leben dieses ungewöhnlichen Protagonisten durch die Warnung eines geheimnisvollen Fremden radikal ändert, sieht er sich gezwungen, aus Spearpoint zu fliehen – eine hervorragende Gelegenheit für den Leser, die verschiedenen Bereiche dieser Stadt kennen zu lernen und deren Kontrast eindrücklich auf sich wirken zu lassen. Und auch dieser Kontrast zwischen Hightech und Primitivem – zwischen Neonlicht und Gaslaterne - ist es, der dieses Buch so anders macht.
Doch das ist natürlich nicht alles. Denn Reynolds wäre nicht Reynolds, würde er seine spektakulären Ideen nicht auf ein solides Fundament aus schriftstellerischem Können stellen – seien es die Charaktere oder die Beschreibungen der Schauplätze oder einfach die Art, wie viele kleine Puzzleteile sich auf faszinierende Art immer weiter zusammensetzen und nach und nach ein schlüssiges und doch unerwartetes Gesamtbild ergeben. Hierbei kommt er allerdings erst ungewöhnlich spät zum eigentlichen Kern der Sache bzw. des Rätsels um diese geheimnisvolle Welt. Und hier liegt auch das Hauptproblem des Romans; die Handlung kommt nur langsam voran und oft hat man den Eindruck, dass es auch ein paar hundert Seiten weniger getan hätten. Besonders angesichts der Tatsache, dass der Leser keine „richtige“ Auflösung geboten bekommt, wie man bei all dem Hinarbeiten auf selbige eigentlich hätte erwarten können. Dazu ist der ganze Roman für Reynolds‘ Verhältnisse extrem linear und unkomplex, was für alteingesessene Fans schon eine Enttäuschung bedeuten kann. Ein einziger Point of View und absolute Chronologie wollen so gar nicht zur verschachtelten und vielschichtigen Erzählweise passen, die Reynolds normalerweise an den Tag legt.

So aber begleitet man ausschließlich Quillon dabei, wie er in dieser Welt voller Rätsel mitten hineinstolpert in eine Kette von Ereignissen, die diese grundlegend verändern sollen. Dabei ist Quillon als Charakter gut getroffen – authentisch aber bisweilen nervtötend gutherzig, ist man diesem Typ auch schon in anderen von Reynolds‘ Romanen über den Weg gelaufen.


Fazit

Mit faszinierenden Ideen, dichter Atmosphäre und handwerklich solider Umsetzung präsentiert Reynolds seinen neuen Roman, der allerdings durch langsame und auffallend unkomplexe, geradlinige Handlung hinter den Erwartungen zurück bleibt, die man nun einmal – gerechtfertigt durch viele großartige Romane - an seine Bücher stellt.


Pro & Kontra

+ großartige Ideen und gelungene Umsetzung
+ Atmosphäre
+ ungewöhnlich

- Handlung langsam, geradlinig und unkomplex – zu wenig für einen Reynolds

Wertung: sterne3.5.gif

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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