Amygdala (Daniel Kohlhaas)

Verlag AAVAA, Februar 2011
TB, 267 Seiten, € 9,95
ISBN 978-3862545377

Genre: Krimi / Psychothriller


Klappentext

Die Region unseres Gehirns, in der Angst entsteht, wird Amygdala genannt. Ein Anruf reißt Jan König aus dem Schlaf. Eine rätselhafte Unbekannte erklärt, dass er sie suchen muss. Sollte er sie nicht finden, werde seine Freundin Lena sterben. Als Lena spurlos verschwindet, macht sich Jan auf die Suche nach ihr. Dabei gerät er in einen gefährlichen Sog aus alten Erinnerungen. Erinnerungen, die lieber für immer verschlossen geblieben wären.


Der Autor

Daniel Kohlhaas wurde am 15. September 1979 in Hachenburg im Westerwald geboren und lebt mit seiner Familie in Nürnbrecht-Benroth im Oberbergischen Kreis. Nach Abitur und Ausbildung zum Industriekaufmann entschied er sich im Jahre 2004, in einem zweiten Ausbildungsweg zum Gymnasiallehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften, ein Studium an der Allgemeinen Hochschule in Siegen anzufangen, welches er 2009 abschloss. Seit September 2009 arbeitet er als Referendar an einem Gymnasium.

Veröffentlicht wurden bisher Kurzgeschichten und Gedichte in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2009 wurde die Kurzgeschichte „Wormser Gift“ im Rahmen des „Killerclubs“ des Droemer Knaur Verlages vertont und als Podcast im Internet zum Download bereitgestellt. Weitere Romane sind in Arbeit.


Rezension

Finde Elisa Stein, ansonsten muss Lena sterben – mit diesen Worten wird Jan König aus dem Schlaf gerissen. Wer ist bloß Elisa Stein? Und hat Lena nicht schon genug gelitten? Seit einem Autounfall, bei dem er am Steuer gesessen hat, ist sie gelähmt. Es soll wohl nicht für immer sein, aber bisher hat sie noch keine nennenswerten Fortschritte gemacht und verliert gerade den Mut und die Hoffnung. Zumindest ist Lena derzeit sicher in der Klinik in Lübeck untergebracht, zumindest glaubt Jan das. Aber Lena bekommt ein unschlagbares Angebot für einen Platz in einer Reha Klinik auf Fehmarn und wird abgeholt, wo sie dann aber landet, das entzieht sich Jans Kenntnis. Also macht er sich auf die Suche nach Elisa und seinem Vater, da er keinen Führerschein mehr besitzt, ist er auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen.

Ob das Video, was der Jugendliche Stephan auf Aufforderung um Mitternacht auf einem Friedhof gedreht hat, etwas mit der ganzen Sache zu tun hat? Es zeigt eine weinende Madonna, die nur an ganz bestimmten Tagen ihre Tränen verliert. Nachts auf einem Friedhof. Den Tipp dazu bekam der Jugendliche über das Internet und löst mit seiner Einstellung ins Netz eine Kettenreaktion aus. Marc Kerzmann, ein Polizist und Freund von Jan, wird auf das Video aufmerksam, als er auf Jans Wunsch hin nach Elisa Stein sucht. Die beiden lernten sich einst bei einem Fall des Kinderschänders und Mörders Georg Apel kennen, zusammen haben sie den Täter vor Gericht gebracht.

Die Schmetterlinge begutachteten ihren Bauch, zogen kurzerhand ein und blieben ungefragt.

Daniel Kohlhaas nimmt uns mit auf eine atemberaubende Achterbahn. Ständig ändert er die Perspektiven, beileibe ist nicht nur Jan die Hauptperson, sondern auch Mark und Lena räumt er gleich viel Raum ein. Immer wieder bringt er durch Rückblenden Licht ins Dunkle, er wirft aber genauso viele Fragen auf, wie er enthüllt. Noch hat Jan überhaupt keine Ahnung, wo ihn die Reise hinführen wird, denn sein Vater ist nur sein Adoptivvater, als sechsjähriger wurde er endlich aus einem Kinderheim geholt. Über seine richtigen Eltern weiß er gar nichts, noch nicht einmal einen Namen haben sie ihm gegeben. An die Zeit im Kinderheim hat er überhaupt keine Erinnerungen mehr, daher vermisst er auch nichts. Ständig wechselt die Erzählperspektive, dadurch lernt man die einzelnen Charaktere sehr gut kennen, sogar die Bösewichte. Sie erzählen freizügig über ihre Taten, ohne dass man sie direkt erkennt. Wie ein Feuerwerk feuert Kohlhaas Ereignis um Ereignis ab, nur kurz taucht man aus der Geschichte auf, um Atem zu holen. Erst ganz zum Schluß werden in einem furiosen Finale die losen Fäden verknüpft und man erkennt die Zusammenhänge, die gar nicht so leicht zu durchschauen sind und von einer ungeheuren Phantasie des Autors zeugen. Die Charaktere sind realistisch, ihre Handlungen nachvollziehbar. Selbst der Abrutscher in die Illegalität ist verständlich, wobei aber immer Zweifel bleiben, ob der Zweck immer die Mittel heiligt.

Er schaute zum verwaschenen Himmel, der finster den Blick zu den Sternen verhinderte.

Eindrucksvoll ist diesmal allerdings die Sprache. War im ersten Buch der Stil noch etwas holprig und ungelenk, so besticht er diesmal durch eine poetische Fülle. Kohlhaas erfindet Vergleiche, die einem zum Schmunzeln und zum Schwärmen bringen, auf die man selber nie gekommen wäre. Alleine deswegen ist es eine wahre Freude, dieses Buch zu inhalieren, während man mit den Charakteren durch Lübeck wandelt. Bekannte Plätze sorgen für ein stimmiges Lokalkolorit, dessen Charme Kohlhaas wunderbar eingefangen hat. Leider ist das Buch etwas kurz, zum Schluß überschlagen sich geradezu die Ereignisse, man muss schon sehr genau lesen, um die Zusammenhänge zu durchschauen. Und auf keinen Fall sollte man nachlässig beim Lesen werden, denn dieses Buch endet wirklich erst mit dem allerletzten Satz.


Fazit

Regionalkrimis bestechen meistens durch ihr ungewöhnliches Flair, die Bekanntheit der Schauplätze sorgt für ein außergewöhnlich atmosphärisches Setting. Daniel Kohlhaas ist es gelungen, nicht nur diese Stimmung einzufangen, sondern sie auch noch mit einer explosiven Mischung aus Spannung und undurchschaubaren Motiven pikant zu würzen. Ein wahrer Pageturner aus deutschen Landen – davon können wir noch viel mehr gebrauchen, besonders von diesem Autor.


Pro und Contra

+ brisantes Thema
+ vielschichtige und interessante Charaktere
+ stimmige Atmosphäre
+ fesselnder Erzählstil
+ verschiedene Perspektiven
+ undurchschaubare Motive
+ endet wirklich erst mit dem allerletzten Satz
+ poetischer Schreibstil

- am Ende überschlagen sich die Ereignisse
- hätte noch länger und etwas ausführlicher sein können

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5