Du oder das ganze Leben (Simone Elkeles)

cbt (Januar 2011)
Taschenbuch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-570-30718-2
€ 8,99 [D]
| € 9,30 [A]

Genre: Belletristik / Jugendbuch


Klappentext

Jeden anderen hätte Brittany lieber als Chemiepartner gehabt als Alex Fuentes, den zugegebenermaßen attraktiven Leader einer Gang. Und auch Alex weiß: Eine explosivere Mischung als ihn und die reiche Miss Perfecta kann es kaum geben. Dennoch wettet er mit seinen Freunden: Binnen 14 Tagen wird es ihm gelingen, die schöne Brittany zu verführen. Doch keiner der beiden hat damit gerechnet, dass aus ihrem gefährlichen Spiel alsbald gefährlicher Ernst wird, denn Brittany und Alex verlieben sich mit Haut und Haaren ineinander. Das aber kann die Gang, der Alex angehört, nicht zulassen ...


Rezension

Simone Elkeles wuchs in der Gegend von Chicago auf und hat Psychologie studiert. Nach zwei erfolgreichen Romanen wurde sie bald darauf zum Illinois Author of the Year gewählt und präsentiert nun mit Du oder das ganze Leben einen geradezu wundervollen Debütroman, voller Wärme und Wahrheit. Endlich übersetzt und endlich erhältlich. Geneigte Anhänger der Autorin können sich darüber hinaus über die Nachricht freuen, dass eine Fortsetzung dieser Serie im November erscheint: Du oder der Rest der Welt.

>> Die Kids von der Northside geben sich normalerweise nicht mit denen von der Southside ab. Das liegt nicht daran, dass wir uns für etwas besseres halten, wir sind einfach anders. Wir sehen anders aus, reden anders und kleiden uns anders. Mädchen wie Carmen Sanchez hassen mich für das, was ich bin. Oder, genauer gesagt, für das, wofür sie mich halten. Alex sieht mich herausfordernd an. Er versucht mir zu zeigen, wer hier der Boss ist. Darin ist er Profi. Aber ich werde nicht zulassen, dass er mit unter die Haut kriecht und sein kleines Einschüchterungsspielchen gewinnt. <<

Brittany steht auf schöne Kleider, funkelnde Oberflächlichkeiten und gute Noten. Sie ist immer hübsch, immer aufgeweckt und immer beliebt. Zumindest möchte sie, dass niemand etwas anderes denkt. Denn in ihr sieht es gänzlich anders aus. Sie sorgt sich um ihre kranke Schwester, leidet unter strengen Eltern und fühlt sich nur hinter ihrer polierten und mühevoll gestalteten Fassade sicher. Ähnlich ergeht es auch Alex Fuentes. Er ist der unnahbare, gefährliche Kerl, den alle fürchten und mit dem sich niemand anlegen will. Doch Alex ist nicht halb so schrecklich wie sein Ruf, zu seinem Glück jedoch, will sich niemand mehr für dieser Tatsache interessieren. Niemand in der Schule oder auch in seiner Gang. Denn selbst seine angeblich so tolle Ersatzfamilie ist nichts anderes als ein gefährliches Terrain, das er seinen Brüdern ersparen will. Ist man nämlich einmal ein Latino Blood, so bleibt man es für immer. Oder man stirbt mit größt möglicher Wahrscheinlichkeit. Etwas das Alex bereit ist täglich zum Schutz seiner Familie zu riskieren. Doch als er und Brittany sich näher kennen lernen, stellt sich seine und auch ihre Welt auf den Kopf ...

Jung gebliebene aber gestandene Leser dürfen sich ebenso wie Jugendliche wieder einmal freuen, denn es gibt einen Roman mehr, der seinen Job nicht nur außerordentlich gut macht, sondern darüber hinaus vermutlich so ziemlich jede lesewütige Altersgruppe unterhält: Du oder das ganze Leben. Ein Roman, der in bekannter Romeo und Julia-Manier sehr gekonnt die Unterschiedlichkeiten vor Augen führt, die den Alltag und den Umgang an einer Schule beherrschen. Sie teilen die Schüler in verschiedene Klassen ein; weisen sie in ihre Schranken oder öffnen alle Tore. Gegenüber stehen sich die Kids wohlhabendere, vorwiegend aber weißer Eltern, und die Loser; in diesem Fall zumeist Mexicos. Sie leisten zwar auch ihren Teil, manche wie Alex Fuentes sogar sehr gut, doch keiner glaubt an ihre Chance, sich in einem anderen, vielleicht besserem Leben zu bewähren. Dafür haben Gangs ihre Mitglieder zu sehr im Griff. Drogen, kleinere Überfälle oder im schlimmsten Fall ein riskanter Deal füllen die Freizeit der Jungs und bringen das schnelle, manchmal für die Familie bitter benötigte Geld. Oder schlimmer: den notwendigen Schutz. Alejandro, der unbedingt Alex genannt werden will, gehört zu ihnen, ist jedoch schon lange nicht mehr nur einer unter Vielen. Denn als ganzer Kerl hat er sich bereits bewiesen und gehört zur härteren seiner Sorte. Einer, mit der Brittany sich bestimmt nicht anlegen will. Endlich in der Abschlussklasse angekommen, nötigt man dem Vorzeigepüppchen dennoch ab, sich plötzlich einer ihr bisher unbekannten Seite des Lebens zu stellen. Besser gesagt: Northside meets Southside; oder Brittany trifft Alex, einen Kerl den sie vor wenigen Stunden fast überfahren hätte. Schnell wird klar, dass nicht nur die Chemie im Lehrsaal sondern auch die der beiden bis ins Kleinste stimmt. Denn frei nach dem Motto „was sich liebt, das neckt sich“ liefern sich Alex und Brittany ein witziges und spannendes Wortgefecht nach dem anderen und bald darauf ist ihnen beiden klar, dass es richtig funkt. Besonders Alex erfreut dieser Umstand, denn er möchte eine Wette gewinnen; nicht aber Brittanys Herz.

Simone Elkeles umschreibt die Annäherung der beiden und die dann so rasante Entwicklung auf eine nachvollziehbare Art und Weise. Man bemerkt ihr außerordentliches Gefühl, Emotionen besonders nah an den Leser zu bringen und einen Eindruck von Echtheit entstehen zu lassen. Denn keiner der beiden Protagonisten wirkt aufgesetzt oder absichtlich in ein Klischee getrieben. Im Gegenteil. Brittany glaubt man ebenso jedes Wort wie Alex. Sie erzählen uns ihre Geschichte abwechselnd aus der Ich-Perspektive und so erhält der Leser einen sehr klaren, ungeschminkten Blick in die jeweilige Welt. Umgebungen, die es fast unmöglich machen Gemeinsamkeiten entdecken zu können, oder aber Verständnis für den anderen zu entwickeln. Dennoch: so sehr man sich von einander unterscheidet, so sehr kann man sich auch verbunden fühlen. Verbunden durch den Wunsch, auszubrechen. Schnell wird dem Leser hierbei die manchmal unausweichliche Oberflächlichkeit der Gesellschaft vor Augen geführt; Angst beherrscht die Protagonisten, denn sie fürchten sich, zu zeigen wer sie sind und damit verletzbarer zu sein. Simone Elkeles entführt, verzaubert und unterhält ohne durch die dialogreiche Erzählung zu hasten. Nichts geht zu schnell und nichts fußt auf schlichten Andeutungen. Eine Tatsache, die ebenso gefällt wie der furiose Verlauf der Handlung, die zum Ende hin sehr spannend wird, immer aber menschlich bleibt. Die Zielgruppe, Leser ab vierzehn Jahren, wird ansprechend und angemessen unterhalten. Gewalt existiert ohne ausgeschmückt zu sein und auch in Sachen körperlicher Nähe bleibt alles so wie man es in einem Jugendbuch lesen möchte: Geschmackvoll, ein wenig verträumt und nicht zu viel. Mit unter auch deshalb lässt Du oder das ganze Leben den Leser nicht mehr los; macht förmlich süchtig und das obwohl manches stets vorhersehbar bleibt. Denn wenn man ganz ehrlich ist, so hält die Handlung nicht unbedingt Neues bereit, dafür aber werden andere, lesenswerte Qualitäten geboten. Dinge, die jederzeit Spannung aufkommen lassen, sich abwechseln und zu keiner Zeit fähig sind, den Leser zu enttäuschen.

Ich habe Hector noch nie um einen Gefallen gebeten. Denn man weiß nie, wann Hector einen bittet, diesen Gefallen zu erwidern. Drei Stunden später, nachdem der Richter mich endlos zugetextet und meine Kaution festgesetzt hat, holt Hector mich vom Gerichtsgebäude ab. Er ist ein kräftiger Mann, mit zurückgegeltem Haar, das dunkler ist als mein eigenes und einer Haltung, die einem unmissverständlich klarmacht, dass man ihn besser nicht hintergeht.

(Seite 257)


Fazit

Nicht was, sondern wie! – Mit Du oder das ganze Leben von Simone Elkeles wird dieses Konzept geradezu meisterlich veranschaulicht und so präsentiert sich in diesem viel zu kurzen, sehr unterhaltsamen Roman eine zwar nicht ganz unbekannte Geschichte, voller Gefühl und Leidenschaft, die aber im wahrsten Sinn des Wortes begeistern kann. Jüngere Leser, die sich allgemein für Geschichten solcher Art interessieren, sollten sich ebenso angesprochen fühlen wie zum Schwärmen neigende Erwachsene. Denn dieses Jugendbuch ist einfühlsam, spanned und vor allem: schwer zu empfehlen!


Pro & Contra

+ Grundgedanken und manche psychologische Tiefen
+ zum Teil sehr spannend, besonders für Jugendliche
+ Moral ohne erhobenen Zeigefinger
+ begeisterungsfähiges, unterhaltendes Jugendbuch
+ menschlich, bewegend und nachvollziehbar
+ wundervolle Protagonisten

o ab vierzehn Jahren geeignet
o simpler Stil

Wertung:

Charaktere: 5 / 5
Handlung: 4 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5