Knaur-Verlag
Hardcover mit Schutzumschlag
554 Seiten, 9,99 EUR
ISBN: 978-3-426-66359-2
Genre: Historisch
Klappentext (innen)
Silvester 1499 in Köln. Ein neues Jahrhundert beginnt und hält für
Lisbeth, die Tochter der erfolgreichen Seidenweberin Fygen
Lützenkirchen, so manches Ungemach und Leid bereit. Ihre Mutter hat sich
unlängst aus dem Geschäft zurückgezogen und nach dem Tod ihres
geliebten Mannes in Spanien ein neues Glück gefunden. So steht Lisbeth
nun allein der schwierigen Aufgabe gegenüber, ihre Weberei gegen die
Konkurrenz zu behaupten. In der mächtigen Seidmacherinnenzunft haben
Frauen das Zepter übernommen, die um des eigenen Vorteils willen sogar
vor Verleumdung und Mord nicht zurückschrecken. Doch das sind nicht die
einzigen Sorgen der jungen Seidmacherin. Obwohl sie mit ihrem Gemahl
Mertyn eine glückliche Ehe führt, hat sich ihr sehnlicher Wunsch nach
einem Kind bislang nicht erfüllt. Als Lisbeth eine folgenschwere
Entscheidung trifft, gerät ihr Glück in höchste Gefahr …
Rezension
„Die Tochter der Seidenweberin“ ist der Nachfolger des Bestsellers „Die
Seidenweberin“, knüpft also nach dem inzwischen hinreichend bekannten
Muster historischer Frauenromane eine Generation später an die
Geschichte wieder an, die im ersten Roman erzählt wurde. So verlockend –
und eben auch längst gebräuchlich – solche Art der Fortsetzung auch
sein mag, originell ist sie natürlich nicht. Sie bietet auf der anderen
Seite aber gute Anknüpfungspunkte für jene, die den ersten Roman bereits
gelesen haben und sich so schnell auch in der zweiten Generation
zurechtfinden dürften.
Für diejenigen, die, wie die Rezensentin, mit der „Tochter der
Seidenweberin“ das erste Buch von Ursula Niehaus in der Hand halten,
stellt sich die Sache schon etwas schwieriger dar. Gleich zu Beginn
wimmelt es von Namen und Personen, die ersichtlich irgendeine Bedeutung
haben, die sich der unbefangenen Leserin aber zunächst gar nicht
erschließen will. Man fühlt sich wie auf dem Familienfest einer völlig
fremden Familie, umringt von unbekannten Gesichtern, verwirrt von
Anspielungen, die man nicht versteht, und Namen, die man sofort wieder
vergisst. Es dauert eine Weile, bis sich das Durcheinander langsam
ordnet.
Kaum fühlt man sich einigermaßen eingerichtet, spielt aber die Autorin
ihren Lesern einen kleinen Streich: Sie trägt einen großen Teil der
Geschichte mit Fygen, der Heldin des ersten Romans, nach Spanien – und
verlässt sie dort relativ abrupt nach ca. 180 Seiten in den Armen eines
neuen Mannes, sozusagen wohl versorgt. Zwar wird zwischendurch immer
wieder auch von Ereignissen in Köln berichtet, im Umfeld der neuen
Heldin Lisbeth, Fygens Tochter; man verliert also die Situation dort
nicht völlig aus den Augen. Aber ein gewisses Missvergnügen lässt sich
nicht leugnen. Der Eindruck entsteht und bleibt auch durch das restliche
Buch hindurch bestehen, dass Fygens weiteres Schicksal irgendwie
„abgehandelt“, abgeschlossen werden sollte, um sich danach dann ganz
Lisbeths weiterem Weg widmen zu können. Man fragt sich nur, warum? Und
warum in dieser Ausführlichkeit?
Auf der anderen Seite ist der Roman aber ansonsten handwerklich gut
gemacht, auch gut und leicht lesbar. Was den Inhalt betrifft, Lisbeths
Geschichte und die Irrungen und Wirrungen um ihre persönliche
Entwicklung einerseits, die Geschicke der Kölner Seidmacherinnen
andererseits, so handelt es sich um einen ganz klassischen, sauber
erzählten historischen Frauenroman. Er geht nicht über die (zugegeben
sehr engen) Grenzen seines Genres hinaus, funktioniert innerhalb dieser
Grenzen aber ordentlich. Kölner Geschichte mag nun nicht das
Hauptinteresse jedes Lesers sein – das der Rezensentin ist es nicht –
aber auch ohne eigene Kölner Wurzeln oder eine andere spezielle Bindung
an diesen Raum lässt sich die Geschichte gut lesen. Und man erfährt
durchaus einiges Interessante an historischen Fakten über den Beruf der
Seidmacherinnen und das Wirken der Zünfte im Spätmittelalter bzw. der
beginnenden Neuzeit.
Was sich in diesem Roman nicht entwickelt – und was fehlt, weil man es
erwartet hätte – ist eine Faszination für Seide. Fast alle Figuren des
Romans sind, auf eine oder andere Weise, in das Seidmachergeschäft
involviert. Seide ist natürlich, in Dichtung wie in Wirklichkeit, ein
ganz besonderer Stoff. Ein Stoff, der mit Leidenschaftlichkeit,
Sinnlichkeit in Verbindung gebracht wird; mit dem Kostbarem und
Besonderem. Ein Stoff, dem diejenigen, die ihn herstellen und verkaufen,
in ganz eigener, tiefer Weise verbunden sind oder sein könnten – der
also selbst Leidenschaften weckt. Es ist möglich, dass diese
Leidenschaft für Seide in Niehaus‘ erstem Roman voll ausgemalt wurde und
insofern im Nachfolger nun nicht mehr zum Tragen kommt – das lässt sich
jedoch anhand dieses Bandes allein nicht beurteilen. Und in diesem
Roman fehlt sie, die Leidenschaft für Seide; oder vielmehr, sie mag in
den Figuren vorhanden sein und wird auch gelegentlich angesprochen –
aber sie überträgt sich nicht. All die Wunder, die ein Stückchen
Seidenstoff bergen kann - sein besonderes Knistern, das zarte Gefühl auf
der Haut, der Duft, der Seide manchmal zu umgeben scheint – sie gehen
unter im Geschäftlichen, in Zunftstreitereien und in persönlichen
Geschicken, die mit der Seide an sich wenig zu tun haben.
Das ist schade, denn man hätte sich gern auf diese ganz besondere
Faszination eingelassen. Und vielleicht wäre es auf diesem Wege auch
geglückt, dem Leser die wackeren, durchaus nicht unsympathischen
Seidmacherfrauen emotional ein wenig näher rücken zu lassen, als dies so
der Fall ist.
Fazit
„Die Tochter der Seidenweberin“ ist ein klassischer historischer
Frauenroman, handwerklich solide gearbeitet, gut und leicht zu lesen,
der allerdings an einigen typischen Schwächen des Genres und des
Charakters als Nachfolgeband krankt.
Pro und Kontra
+ interessante historische Fakten
+ gut lesbar geschrieben
+ kleines Glossar mit einigen Begriffsklärungen und historische Bezüge im Nachwort
0 typischer historischer Frauenroman
- wenig leidenschaftlich
- wenig überraschend
Wertung:
Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Sprache: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5