Ohnmächtig (Nina Malkin)

Verlag: rororo, April 2011
Paperback, 416 Seiten, € 12,99
ISBN: 978-3-449-21544-5

Genre: Belletristik / Dark Fantasy


Klappentext

Liebe auf den ersten Blick muss genial sein. So genau weiß ich das nicht, weil es auf den ersten Blick gar nichts zu sehen gab. Zu riechen schon – den scharfen, salzigen Geruch von Pferden. Und jede Menge anderer Sinneseindrücke. Aber dazu später mehr. Was ich hier gleich zu Beginn sagen will, ist Folgendes: Als ich Sinclair Youngblood Powers das erste Mal als Menschen aus Fleisch und Blut zu Gesicht bekam, war ich bereits bis über beide Ohren in ihn verliebt. Daran konnte nichts etwas ändern. Nicht einmal die Tatsache, dass er tot war.


Rezension

Nina Malkin ist Autorin und preisgekrönte Journalistin für Pop-Kultur und Lifestyle. Sie schreibt unter anderem für die New York Times, Cosmopolitian und Elle und lebt mit ihrem Mann in Brooklyn. Mit ihren Roman Ohnmächtig präsentiert sie ein Buch für vorwiegend junge Erwachsene, das eigene und auch mutige Wege zu gehen weiß. Wege, die jedoch in keinem Fall für jüngere Leser (unter sechzehn Jahren; älter empfohlen) geeignet sind.

>> Epilepsie: Wenigstens wussten sie jetzt Bescheid. Das Problem war, ich wusste es besser. Die Anfälle, Krämpfe, Attacken, Zustände, Entrücktheiten oder Schübe sind nämlich etwas ganz anderes. Es sind die physischen Anzeichen dafür, dass ich Candice Reagan Moskow, schlicht und einfach eine kleine übersinnliche Begabung habe. Oh Gott! Jetzt hab ich´s gesagt! Was werden die Nachbarn denken? <<

Von New York nach Swoon. – Was für Dice erst einmal unerträglich schien, wird nach und nach doch noch angenehm. Denn in der langweiligen Kleinstadt gibt es nicht nur schöne, private Badeorte und weniger Personen, die einen beim Kiffen stören, nein, wie es der Zufall will begegnet Dice irgendwann einem sehr entschlossenen Geist. Sinclair, oder auch Sin genannt, wurde vor über zweihundert Jahren in eben dieser kleinen Stadt für ein Verbrechen gehängt, das er nicht begangen hat. Nun wittert er seine Chance auf Rache und Dice muss bald feststellen, dass auch sie ein Teil seines grausamen Spieles ist. Dennoch: ihr Golem hat dem jungen Mädchen bereits Herz und Verstand geraubt und es gibt nur eine Möglichkeit seinen düsteren Rachefeldzug zu vereiteln. Doch dafür muss Dice ihrem geliebten Sin erst einmal helfen. Helfen und hoffen ...

Das Nina Malkin ihre Bestimmung im Schreiben fand steht spätestens jetzt, nach ihrem Roman Ohnmächtig, gänzlich außer Frage. Denn selten liest man einen solch fließenden und lebendigen Text, geschmückt voller Wortwitz, Spannung und Humor. Jedes Wort sitzt. Zumindest zu Beginn und in weiterer Folge vorwiegend, was das Sprachliche betrifft. Inhaltlich jedoch weiß die Autorin höchst eigenartige Süppchen zu kochen. Mehr noch: im Original als Jugendbuch, bzw. Young Adult vertrieben, kann Ohnmächtig mit großer Sicherheit sogar manche Leser förmlich schockieren. Denn mag der Inhalt noch so frisch und jung gestaltet sein, so beweißt der unter die Gürtellinie zielende Zynismus sowie Dices schwarze Humor, nur äußerst selten eine gewisse Jugendtauglichkeit. Dafür sind die Helden zu erwachsen, nehmen zu viele Drogen (in Ohnmächtig eine Selbstverständlichkeit) oder erträumen sich äußerst grenzwertig dargestellte Dinge. Es handelt sich hierbei um Liebe, Sex, Selbstbefriedigung, lesbisches Knutschen, feuchte Höschen und, um nicht zu vergessen, einen Golem, dessen Leidenschaft die Rache ist. Mit Sinclairs Auftauchen fängt dieser ganze Wahnsinn erst so richtig an. Gehängt für ein Verbrechen vor über zweihundert Jahren, möchte er nichts anderes als sich an den jüngeren Generationen seiner Todfeinde rächen. Menschen, die sein Schicksal nicht verschuldet haben. Intrige um Intrige folgt; Sin macht sie alle auf unterschiedliche Weise wahnsinnig. Durch Nina Malkins leider recht einseitigen Focus auf Dice ist es dem Leser hierbei kaum möglich, Sin wirklich nahe zu kommen und auch seine angeblichen Gefühle für die Protagonisten bleiben ein Rätsel, das sich in unterschiedlichen Lichtern präsentiert.

Die siebzehnjährige Dice hingegen zeigt sich zu jeder Zeit von ihrer lockeren Seite. Sie ist oftmals wirklich witzig und frech. Gerne erwischt sich der Leser dabei, herzlich mit ihr zu lachen. Und lachen kann man in der Tat sehr oft, aber auch die Romantik kommt nicht zu kurz. Das Thema der großen, ersten Liebe wird hierbei gut ausgeschmückt. Was dann jedoch folgt, irritiert den kritisch hinterfragenden Leser umso mehr: Im Schnelldurchlauf hat sich der einstige Schmied, der seine schwangere Freundin ermordet haben soll, der Modernen angepasst. Er fährt Auto, drückt sich sehr schnell, wie ein Jugendlicher das tun sollte, richtig aus und ist viel zu rasch viel zu gebildet, um glaubhaft zu sein. Doch Glaubwürdigkeit scheint auch nicht Nina Malkins übergeordnetes Bestreben gewesen zu sein. Denn Unterhaltung steht zu jederzeit im Vordergrund. Unterhaltung, die gerade durch die angesprochenen Themen sicherlich nicht jeden Leser direkt überzeugen kann. Dazu ist Ohnmächtig zu wenig massentauglich in seiner Art, doch ebenso eine wirre, gut zu lesende Mischung aus Chic-Lit-Story und paranormaler, witziger Romantasy. Fans von Romanen, die kein Tabu kennen und sich selbst nicht all zu ernst nehmen, sind hier richtig und werden sich über eine unterhaltsame, vor allem aber leichte Lesemahlzeit freuen, deren dialogreiche Handlung (die leider zumeist auf der Stelle tritt) zum Ende hin noch gerade so überzeugen kann, aber dafür auch Lust macht auf mehr.

„Du bist mein Leben.“ Sein kräftiges Flüstern verlor sich auf meinem Scheitel. „Aber du bist nicht mein Ziel.“

(Seite 280)


Fazit

Ohnmächtig von Nina Malkin ist gute Unterhaltung für Zwischendurch und vermutlich vorwiegend ab achtzehn Jahren aufwärts, je nach eigener Reife, solchen Lesern zu empfehlen, die es gerne witzig, frech und unanständig mögen, ohne dabei auf die klassische Romantasy-Fassade zu verzichten. Als herzerfrischende, andersartige Sommerlektüre durchaus geeignet. Und wer weiß, was eine mögliche Fortsetzung noch bringt.


Pro und Contra

+ locker und überaus leicht zu lesen
+ sehr unterhaltsam sowie voller Wortwitz
+ perfekte, skurril ehrliche Strandlektüre

o nicht unbedingt für Jugendliche zu empfehlen

- Protagonisten sind nicht immer glaubwürdig
- Drogen werden als alltäglich präsentiert
- teils etwas geschmacklos
- einseitige Erzählperspektive

Wertung:

Charaktere: 3 / 5
Handlung: 2,5 / 5
Lesespaß: 3 / 5
Preis/Leistung: 3,5 / 5