Die letzte Arche (Stephen Baxter)

Verlag: Heyne (April 2011)
Taschenbuch: 688 Seiten,  € 9,99 
Sprache: Deutsch
Originaltitel: Ark
ISBN-13: 978-3453266575

Genre: Science Fiction 


 Klappentext

Die Zukunft: Eine gewaltige Flut hat die Erde unbewohnbar gemacht. Die wenigen Überlebenden versuchen verzweifelt, die Zivilisation aufrechtzuerhalten. Doch es wird immer deutlicher, dass es für die Menschheit nur einen Ausweg gibt: Die Suche nach einer zweiten Heimat in den Weiten des Alls ...


Rezension

Die weltumspannende Flut steigt weiterhin an, mittlerweile sind weite Teile der Erde vom Wasser bedeckt und es ist absehbar, dass in absehbarer Zeit auch die höchsten Berggipfel davon verschlungen werden. Die Aussichten der Menschheit sind alles andere als rosig, es bleibt nur die Möglichkeit, auf Flößen zu überleben. Als verzweifelte Alternative wird eine Arche gebaut, ein Raumschiff, das eine Auswahl von 80 speziell ausgebildeten Personen in die Weiten des Alls bringen soll, um dort eine neue Heimat für die Menschheit zu finden. Doch bis zum Start ergeben sich zahllose Schwierigkeiten, und auch danach verläuft kaum etwas wie geplant ...
‚Die letzte Arche’ ist die Fortsetzung von ‚Die letzte Flut’ und man begegnet einigen der daraus bekannten Charakteren wieder, dennoch kann das Buch problemlos ohne Kenntnis des ersten Bandes gelesen werden.

Die Geschichte beginnt wenige Wochen vor dem Start der Arche, um dann kurz darauf einen gewaltigen Zeitsprung in die Planungsphase des Projekts zu machen. Beschrieben wird ausführlich und mit gelegentlichen Längen der Werdegang der Arche, wobei der Autor beinahe schon akribisch den Leser an den logistischen, physikalischen, technischen und sonstigen Schwierigkeiten teilhaben lässt; auch politische Intrigen kommen dabei nicht zu kurz.
Der Fokus liegt auf Holle Groundwater, aus deren Sicht die meiste Zeit erzählt wird. Sie ist ein Arche-Mitglied der ersten Stunde, deren Ausbildung für das Projekt bereits in früher Kindheit beginnt. Zusammen mit diversen anderen, hochintelligenten Kindern  wird sie auf das viele Jahre lang dauernde Leben im  Raumschiff vorbereitet, was nicht nur technisches Können, sondern auch eine hohe psychische Belastbarkeit erfordert.
Von Anfang an müssen diese Kinder mit einem extrem hohen Leistungsdruck zurechtkommen, denn nur die Besten werden genommen und niemandes Platz ist wirklich sicher. Der Autor hat dabei erkennbare Sorgfalt darauf verwendet, jeden Charakter in sich stimmig und folgerichtig zu entwickeln, und der Leser erhält ein äußerst authentisches Bild von der Mentalität der einzelnen Personen, die allesamt vielschichtig und lebendig angelegt sind. Es ist nicht immer angenehm, mitzuverfolgen, wie die Protagonisten erwachsen werden, sich unter der Anspannung allmählich verändern, welche Überlebensstrategien sie entwickeln, um mit allem fertigzuwerden und wie einige auch unter dem Druck zerbrechen, doch keines dieser Schicksale lässt einen unberührt.

Dem Leser bietet sich darüber hinaus das bedrückende Bild einer Weltuntergangsstimmung, bei dem kaum eine hässliche Einzelheit ausgelassen wird. Schonungslos wird beschrieben, wie brutal der Kampf ums Überleben aussieht und welche Opfer gebracht werden müssen, damit die Arche überhaupt starten kann. Es zeigt sich auch, das Intelligenz und Können nicht die einzigen Erfolgskriterien sind, Macht, Beziehungen, Skrupellosigkeit und Geld spielen eine beinahe ebenso große Rolle.
Die bedrückende Atmosphäre setzt sich nach dem Start fort, denn der Autor vermag auch die klaustrophobische Enge des Raumschiffes fast schon spürbar wiederzugeben. Während der Reise gibt es wiederum mehrere Zeitsprünge, was manchmal ein wenig irritierend wirkt.

Stephen Baxter studierte Mathematik und Astronomie, was man dem Buch deutlich anmerkt. Die seitenlangen Theorien, wie beispielsweise ein WARP-Antrieb funktionieren könnte, können etwas ermüdend wirken, allerdings lassen sich solche Passagen auch ohne weiteres überspringen. Auf ausführliche Beschreibungen von fremden Welten oder auch fremdartiger Lebewesen muß man verzichten, auch die Reise selbst ist eher zweitrangig. Das Hauptgewicht liegt vielmehr auf dem Verhalten absolut unterschiedlicher Menschen, die über lange Zeit auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Welche psychischen Auswirkungen das hat, wie sehr man sich an gegebene Umstände anzupassen vermag und dass eine derartige Extremsituation sowohl das Beste als auch das Schlimmste aus jemandem hervorholen kann. Und natürlich stellt sich stets mehr oder weniger deutlich die Frage, ob es für die Menschheit überhaupt eine Zukunft geben kann.

Der Schreibstil gestaltet sich sowohl im Erzähltext als auch bei den Dialogen flüssig und größtenteils unterhaltsam zu lesen, an einigen Stellen hätte eine Straffung dem Erzähltext allerdings nicht geschadet. Auch die bereits erwähnten technischen Erläuterungen sind besonders in der ersten Hälfte des Buches etwas zu stark präsent und wirken ein wenig trocken.
Das Ende bietet viel Spielraum für Spekulationen aller Art. Auch wenn die Story in gewisser Weise zu einem Schluß kommt, bliebe noch viel Stoff für eine weitere Fortsetzung übrig. Ob es dazu kommen wird, ist derzeit noch nicht bekannt.


Fazit

Ein Weltuntergangsszenario mit Hauptgewicht auf dem psychologischen Faktor, das nicht unbedingt der klassischen Science Fiction entspricht. Von ‚Lesespaß’ kann man hier eigentlich nicht sprechen, denn die Story enthält zahllose verstörende Momente und eine eher deprimierende Grundstimmung. Der folgerichtige Aufbau, die lebendigen Figuren und der spannende Erzählstil machen das Buch dennoch zu einem Pageturner, wenn auch der besonderen Art.


Pro & Kontra

+ authentisch erstellte Figuren
+ stimmige und folgerichtige Studien diverser menschlicher Charaktereigenschaften
+ Stimmungen werden sehr anschaulich vermittelt
+ logisch und nachvollziehbar aufgebaut
+ spannend erzählt

o stellenweise deprimierend
o viele Zeitsprünge

- sehr Technik-lastig
- gelegentliche Längen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5

Tags: Space Opera