Das flandrische Siegel (Marie Cristen)



Knaur Verlag, München 2009
560 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-426-66220-5
Preis: 16,95 € (D)

(Historik)


Der Traum von Freiheit

„Großvater, ich verspreche dir, deine Ratschläge nie zu vergessen.“ So schwört die kleine Christina Contarini am Totenbett des Mannes, dessen Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“ lautete. Doch acht Jahre später ist aus dem Mädchen eine junge Frau geworden, die ihren eigenen Kopf hat und den auch durchsetzen will. Da gefällt es ihr natürlich gar nicht, dass sie mit einem Widerling verheiratet werden soll, noch dazu wo sie gerade mit Daniel die Freuden der Liebe für sich entdeckt – einem Juden.

Auch ihr Bruder Lucas wird an der Verwirklichung seiner Träume gehindert, denn er soll sich lieber einem Brotberuf widmen, anstatt sein künstlerisches Talent auszuleben. Als ihm jemand dazu rät, sich von einem Meister ausbilden zu lassen, beschließt er seine Flucht nach Venedig. Christina und Daniel folgen ihm nach und auch Christinas Freundin Hannah schließt sich an. Tatsächlich gelingt es dem zusammengewürfelten Haufen, auf einem Schiff unterzukommen, doch keinem ist bewusst, welche unerwartete Wendungen ihre Reise nehmen und ihre persönlichen Schicksale prägen wird ...

Der Widerspenstigen Zähmung

Schnell stellt sich heraus, dass das murphysche Gesetz auch für diese vier jungen Menschen auf der Suche nach ihrem Glück wirksam ist, denn teilweise geht wirklich alles schief, das schiefgehen kann, und besonders Christina scheitert auf der ganzen Linie. Da sich der Roman zunächst absolut den Erwartungen gemäß entwickelt, lassen einen diese Geschehnisse stutzen und sorgen für Momente der Verblüffung. Mit einigen Dingen hätte wohl keiner gerechnet. Allerdings verliert die Autorin nicht aus den Augen, was sie dem Genre schuldig ist, und gegen Ende läuft alles wieder in gewohnten Bahnen. Die stürmische Christina Contarini findet, ruhiger geworden, zum erlaubten Happy End und vom eingangs vorhandenen Konfliktpotential bleiben nur die daraus gezogenen Lehren.

Geschichtlich gerahmte Romantik

Historisch glaubwürdige Charaktere darf man in diesem Buch trotz eingehender Recherchen der Autorin nicht erwarten, was allerdings wohl auch nicht der Zweck der Geschichte ist – viel eher liegt der Fokus auf den emotionalen Konflikten, Ver- und Entwicklungen. In dieser Hinsicht ist es schade, dass die Hauptfigur Christina flach bleibt und auch ihr Geliebter Daniel nicht zu überzeugen vermag.

Mit Lucas und Hannah erlebt der Leser allerdings doch Augenblicke, die authentisch und überzeugend wirken. Vielleicht liegt ihre Stärke genau darin, dass sie weniger extrem konstruiert sind als Christina und mit ihrer ruhiger verlaufenden Entwicklung einen Gegenpol zu den gnadenlosen Havarien bilden, denen die junge Frau ausgesetzt wird. Zudem vermag Cristen teilweise, mit Lucas‘ Künstlerauge die Bildqualität der Erzählung zu heben.


Fazit

Wer nach einem ernsthaften historischen Roman sucht, dem sei von diesem Buch abgeraten. Leser einschlägiger Literatur, für die der Schwerpunkt nicht auf dem geschichtlichen Umfeld liegt, kann es jedoch durchaus ansprechen, denn sowohl für unerwartete Wendungen als auch für erfüllte Erwartungen ist gesorgt und die Liebesgeschichten der Figuren bieten Abwechslung.


Pro und Contra:

+ Unerwartete Wendungen im Mittelteil des Buches
+ Teilweise charakterlich gelungene Entwicklungen von Lucas und Hannah

o Stilistisch ohne Besonderheiten
o Figuren historisch unglaubwürdig

- Flache, nicht überzeugende Charaktere
- Ende zu vorhersehbar und glatt
- Stellenweise zu holprige Erzählung

Bewertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 1,5/5
Lesespaß: 1/5
Preis/Leistung: 2/5


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