Die Enklave (Ann Aguirre)

Verlag: Blanvalet (Mai 2011)
Klappbroschur: 352 Seiten,  € 14,00
Sprache: Deutsch
Originaltitel: Enclave
ISBN-13: 978-3442268122

Genre: Science Fiction Dystopie


Klappentext

New York wurde in einem längst vergessenen Krieg zerstört. Die Oberfläche ist durch Säureregen und glühende Hitze unbewohnbar geworden. In den U-Bahn-Tunneln der Stadt leben die junge Jägerin Zwei und ihr Partner Bleich, die sich Tag für Tag bemühen, genug Nahrung für ihren Stamm zu erlegen. Da wird Zwei an die Oberfläche verbannt. Ein sicheres Todesurteil! Darum kann sie kaum glauben, dass Bleich beschließt, sie zu begleiten. Doch der würde alles tun, um Zwei nicht zu verlieren ...


Rezension

Für die junge Zwei geht ihr Lebenstraum in Erfüllung, als sie endlich in den Kreis der Jäger aufgenommen wird. Ab sofort zieht sie gemeinsam mit ihrem neuen Kollegen Bleich durch die Tunnel, um Fleisch heranzuschaffen und angreifende Gegner zu töten. Das Leben im Untergrund ist alles andere als einfach und die Gesetze der Enklave, wie sich ihre unterirdische Siedlung nennt, überaus hart, doch nur so kann das Überleben der Gemeinschaft gesichert werden. Zwei wäre es im Traum nicht eingefallen, die Regeln und Befehle der Ältesten in Frage zu stellen, doch dann geschehen immer mehr Dinge, die sie ins Zweifeln bringen und sie feststellen muß, dass vieles vollkommen anders ist, als sie immer geglaubt hat ...

Endzeitszenarien, in denen sich die Überlebenden von welcher Katastrophe auch immer in das Tunnelsystem einer U-Bahn flüchten und dort eine neue Art von Zivilisation aufbauen, haben sich seit Dmitry Glukhovskys ‚Metro 2033’  zu einer Art Geheimtipp des Science Fiction Genres entwickelt. Die Tatsache, dass Glukhovsky seine Idee sozusagen freigegeben hat und andere Autoren ermutigt, sie weiterzuentwickeln und eigene Versionen dazu zu schreiben, ist hier nicht zu übersehen, für ‚Die Enklave’ sind sehr viele Ideen aus Metro 2033 übernommen worden. Trotzdem hat es die Autorin geschafft, dem Roman ihren eigenen Stempel aufzudrücken.

Die Protagonistin namens Zwei, aus deren Sicht die Story in Ich - Form erzählt wird, erscheint zunächst als relativ einfach gestrickte Persönlichkeit. Sie möchte nicht mehr, als die ihr zugewiesenen Aufgaben gut zu erfüllen und ist damit durch und durch das Produkt ihres Umfeldes, in dem alles dem Wohl und Überleben der Gemeinschaft untergeordnet ist. Zwei ist nicht dumm, jedoch etwas naiv und felsenfest in den pragmatischen Denkmustern ihres Clans verankert. Interessant wird es, als einige Dinge geschehen, die nicht in dieses starre Weltbild passen und die sie deswegen nicht einmal ansatzweise verstehen kann. Plötzlich ist sie gezwungen, sich mit Sachverhalten auseinander zu setzen, von deren Existenz sie nicht einmal geahnt hat und sehr schnell wird klar, dass sie im Buch denjenigen Charakter darstellt, der die größte Entwicklung durchzumachen haben wird.
Unterstützt wird Zwei von ihrem Jagdgefährten namens Bleich, einem jungen Mann, der als einziger nicht in der Enklave geboren wurde und demnach schon einiges mehr gesehen und erlebt hat als alle anderen. Seine Vergangenheit ist geheimnisvoll, auch gibt er sich als schweigsamer Einzelgänger und scheint sowohl über eine ziemlich komplexe Persönlichkeit als auch über eine Menge Wissen zu verfügen. Bleich ist damit die zunächst interessanteste Figur und bildet einen gelungenen Kontrast zu der unbedarft erscheinenden Zwei, wobei sich beide mit ihrem Können, ihren Ängsten und ihren Hoffnungen hervorragend ergänzen.

Ein zwar flotter, aber auch sehr einfach gehaltener Schreibstil, der auf ein eher jugendliches Leserpublikum abgestimmt zu sein scheint, unterstreicht den Pragmatismus und zeigt zusätzlich, wie sehr alles auf das nackte Überleben reduziert ist. Es bleibt dabei kein Platz für Mußestunden und schöne Dinge, für kunstvolle Schnörkel oder tiefschürfende Gedankengänge.
Daß ‚Die Enklave’ kein Jugendbuch ist, wird spätestens bei der ersten Begegnung mit den ‚Freaks’ klar, einer Horde von mutierten Lebewesen, welche die Tunnel ebenfalls bevölkern und jeden Menschen zerfleischen, den sie in ihre Klauen bekommen. Kämpfe mit diesen Gegnern werden detailliert und realistisch geschildert und verlaufen blutig und überaus brutal.
Gut gelungen präsentieren sich auch alle anderen Beschreibungen; so werden bei allen Örtlichkeiten bildhafte Stimmungen erzeugt, und bei Gegenständen aus der ‚alten’ Welt kann der Leser die Ratlosigkeit der Figuren beim Ergründen von deren Verwendungszweck beinahe selbst spüren.

Die grobe Richtung des Plots ist vorhersehbar und bietet keine großen Überraschungen, was der Spannung dennoch keinen allzu großen Abbruch tut. Das Hauptgewicht liegt hier auf der Entwicklung der Figuren, die sich ständig auf für sie neue Lebensumstände einstellen und Situationen meistern müssen, auf die sie in keiner Weise vorbereitet waren. Auch eine sich ganz allmählich entwickelnde, unaufdringliche Lovestory fügt sich glaubhaft in die Erzählung ein und verzichtet dabei erfreulicherweise sowohl auf jeglichen Kitsch als auch auf teenagerhaftes ‚Herumgezicke’.
Das Ende bietet viel  Spielraum für eine Fortsetzung, auch bleiben einige Fragen noch ungeklärt. Der Nachfolgeband der als Trilogie geplanten Reihe ist bereits in Arbeit, allerdings sind derzeit weder Titel noch Erscheinungstermin bekannt.


Fazit

Der gelungene Auftakt einer Dystopia -Trilogie, der von der Handlung her zwar keine großen Überraschungen bietet, in seinem Gesamtkonzept aber durchaus zu überzeugen vermag. Liebhaber des Genres und auch Leser, die etwas in Richtung von ‚Die Tribute von Panem’ suchen, können hier zugreifen.


Pro & Kontra

+ Plot zwar nicht neu aber interessant aufbereitet
+ lebendig und spannend erzählt
+ stimmig erstellte Charaktere
+ sich gut ergänzendes Protagonistenduo
+ plastische und glaubhafte Schilderungen
+ unaufdringliche Lovestory ohne Kitschfaktor

o stellenweise sehr blutig und brutal
o Erzählung in Ich-Form
o Erzählrichtung vorhersehbar

- Schreibstil sehr einfach
- Gegnerhorden etwas zu klischeebeladen
- viele Ideen aus ‚Metro 2033’ übernommen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5