Last Exit (Olen Steinhauer)

Heyne (Mai 2011)
544 Seiten, 19,99 €
ISBN: 978-3-453-26702-2

Genre: (Agenten-)Thriller


Klappentext

Nachdem ihn der letzte Einsatz fast das Leben gekostet hat, spielt Agent Milo Weaver mit dem Gedanken, auszusteigen, doch der CIA entkommt man nicht. Weaver wird erneut für den aktiven Dienst rekrutiert. Um seine Loyalität zu beweisen, soll er ein 15-jähriges Mädchen töten. Doch Weaver hat einen anderen Pan. Als die Aktion auffliegt, gerät er in tödliche Gefahr.


Rezension

Olen Steinhauer ist in Virginia aufgewachsen und hat mehrere Jahre in Kroatien, Tschechien und Italien verbracht. Heute lebt der bereits zweimal für den Edgar Award nominierte Autor mit seiner Familie in Budapest. Nach dem bemerkenswerten sowie erfolgreichen Agenten-Roman Der Tourist, legt er nun mit Last Exit seinen zweiten Roman über den Agenten Milo Weaver vor. Einen, der lange erwartet wurde und durch und durch überzeugen kann.

>> Eine zusätzliche Stunde haten sie ihm gegeben, um darüber nachzudenken, wie er sich aus dieser Klemmen befreien konnte. Aber ihm war rein gar nichts eingefallen, seine Gedanken kreisten immer nur um das Paradoxe seiner Situation: Zu einem Zeitpunkt, da die Abteilung Tourismus einen chinesischen Maulwurf in ihren Reihen befürchtete, war er wegen Adriana Stanescu gefangen genommen worden. <<

Milo Weaver ist offiziell kein Tourist mehr. Nachdem der CIA Agent nach einem todbringenden Skandal inhaftiert wurde, ist er nun wieder auf freien Fuß. Doch auch wenn Milo es nicht mehr für möglich gehalten hätte, arbeitet er nun wieder im aktiven Dienst der Tourismus-Abteilung. Ihr Ziel ist töten - dort einzugreifen, wo die Diplomatie versagt. Und Milo ist eine ihre Besten. Dennoch muss er sich nach den Skandalen seiner Karriere erholen, sich erneut beweisen und ein junges Mädchen soll dafür sterben. Doch sein Vorhaben, sich zu weigern und den Teenager zu retten, scheitert und Milo muss sich fragen, ob es innerhalb der Abteilung nicht doch einen chinesischen Maulwurf gibt? Und wer sind seine deutschen Beschatter, die sich bemühen ihn nicht aus den Augen zu verlieren? Weaver versucht das seltsame Rätsel seiner Arbeit zu entschlüsseln und gerät dabei einmal mehr in den Focus der Company und den Zwiespalt, für sein Land zu morden oder dem Gewissen zu folgen, das nach anderen Lösungen verlangt.

James Bond, Jason Bourne, Leo Demidow und schon seit dem ersten Roman Der Tourist nun auch Milo Weaver. Vielfältig einsetzbar und stets zu Diensten sind sie ein langsam alternder Garanten für Spannung, Lesefluss und wild wucherndes Chaos. Mehrfach mit Nominierungen ausgezeichnet weiß sich der inzwischen sehr bekannt gewordene Autor Olen Steinhauer – den man inzwischen mit John Le Carré und Graham Greene vergleicht – auch mit seinem zweiten Band dieser geplanten Trilogie zu beweisen. Hierbei setzt er immer noch auf kurze, knackige Kapitel, politische Differenzen und Ermittlungen, die dieses Mal auch in eine actionreichere Handlung übergehen. Etwas, das man nach der ersten Geschichte über den Tourismus auch erwartet hat und diese Hoffnung erfüllt zu sehen, gefällt ungemein. Schnell und packend wird der Leser wieder zurück in Geschehen gestoßen. Mit Andeutungen wird gespielt und verschiedene kleinere Handlungsstränge zur Geltung gebracht, die wie zu erwarten die Komplexität bringen, mit der Olen Steinhauer unter anderem bekannt geworden ist. Denn auch hier glänzt Milo Weaver, der nicht mehr ganz der jüngste ist, und im Verlauf erneut auf eine Unstimmigkeit nach der anderen stößt. Gewungen, ein Mädchen zu töten, erweist sich die Company als nicht ganz so erfreut über sein erneutes Scheitern. Doch der neue, den Leser sehr einnehmender, Boss scheint nicht durch und durch das zu sein, was man zu Beginn in ihm zu erkennen glaubt: ein Lügern sondergleichen. Er mag moralische verwerfliche Befehle geben, ist aber um eine Vermenschlichung der Abteilung bemüht. Und die Abteilung selbst steckt in kapitalen Schwierigkeiten. Es fehlt nicht nur an Geld, um sich zu finanzieren, nein auch ein Maulwurf treibt sein Unwesen. Milo ist versucht ihn aufzuhalten, erneut einen Ausstieg aus diesem Geschäft zu versuchen und ins reine mit seiner Frau zu kommen. Doch die fühlt sich immer noch, auch nach Monaten der Distanz durch und durch betrogen.

Olen Steinhauer wechselt gern. Zwischen Ansichten, zwischen Charakteren und dem Stil, der sich sehr gut in das spannende Ganze fügt. Die Action ist dominanter, und doch erlebt man Milo nicht wirklich in einem prickelnden Einsatz, sondern eher dabei, wie er mit seiner Umgebung interagiert, um die einzelnen Mosaikstückchen zusammen zu fügen. Und das ist alles andere als leicht. Auch für den Leser, der ebenso immer wieder versucht, sich einen Reim aus den verschiedenen Schwerpunkten zu machen: Warum soll ein junges, immigriertes Mädchen für die Company ihr Leben lassen? Wer ist der Maulwurf, falls es einen gibt, und was plant der chinesische Widersacher, der den Tourismus unterwandern will? Diese und andere Fragen gilt es allmählich zu lösen und die Antworten lassen den Leser auf glühenden Kohlen laufen, mitfiebern und schlussendlich auch ein wenig trauen. Denn selbst, wenn es durchaus praktisch erscheint, auf den einen oder anderen Charakter im zukünftigen Band zu verzichten, so trifft dennoch so manch verschwendeter Verlust. Da alte Freunde aber auch gut durch neue ersetzbar sind (wie unter anderem den neuen Boss), findet man sich damit ab und wartet wieder gerne auf eine Fortsetzung. Eine, die man vermutlich ebenso auch als Einzelroman lesen kann, wie sich Last Exit als solcher eignet. Alles Nennenswerte findet Erwähnung, ohne Fans zu vergraulen, oder neue Leser mit Informationen zu übersättigen. Positiv sticht auch die Optik des Hardcovers hervor, diesmal nicht ganz so edel. Und schlussendlich hofft man mit dem Zuklappen des Romans, der seinen Vorgänger sogar noch übertreffen konnte, wieder auf eine neue, furiose(re) Handlung. Eine, die Milo vielleicht noch mehr zum Handeln zwingt und schlussendlich mehr zur Waffe greifen lässt.

Erika bewunderte und hasst Milo Weaver für seine Kälte. War dieser Tourist ein liebender Ehemann und Vater oder nicht? „Eine schreckliche Geschichte, Erika. Sicher, aber was macht es schon, wenn man nicht gerade Stanescu heißt?“

(Seite 285)


Fazit

Wieder überzeugt Olen Steinhauer und dieses Mal absolut. Last Exit ist ein Pageturner wie der vorhergegangene Band, den man nicht mehr so schnell vergessen kann und der beinahe süchtig macht nach weiteren, mehrfachen Ausflügen in die Welt des Tourismus. Qualitativ hochwertig, weiß dieser Thriller dem Agenten-Genre wieder neuen Glanz zu verleihen, denn in die Reihen der Großen, wie John Le Carré du Graham Greene, hat es Olen Steinhauer nicht umsonst geschafft.


Pro und Kontra

+ interessanter, politischer Hintergrund
+ authentisch & spannungsgeladen
+ stimmungsvolle Detailarbeit
+ mehr Action
+ komplex und vielschichtig
+ moralische Fragen gut geklärt
+ lesenswerte Haupt- und Nebencharaktere

Bewertung:

Handlung: 5 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 5 / 5


Rezension zu "Der Tourist