Fabylon Verlag, Markt Rettenbach 2009
240 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-927071-25-4
Preis: 12 € (D)
(Dark Fantasy-Anthologie)
... rot wie Blut und schwarz wie die Nacht
„DUNKLE DAMEN treiben ihr Unwesen – visuell und wortgewandt.“ – Alisha Bionda im Vorwort
Von den 3D-Grafiken der Künstlerin Gaby Hylla ließen sich dreizehn Autoren zu Kurzgeschichten inspirieren, und die Farbpalette dieser Anthologie zeigt wahrhaftig die unterschiedlichsten Abstufungen der Dark Fantasy. Neben Namen wie Christoph Hardebusch, Barbara Büchner und Uschi Zietsch sorgen auch weniger bekannte Schriftsteller für ein facettenreiches Konglomerat, das vom morbiden Märchen über eine umgekehrte Genesis bis hin zur klassischen Schauergeschichte einiges zu bieten hat.
Kurzgefasst: Dreizehn Eindrücke
Wie könnte „Luzifers Schöpfung“ aussehen? Martin Clauß hebt in der Anfangsgeschichte einen unserer grundlegenden Orientierungspunkte und damit die gesamte Welt aus den Angeln: Die Zeit. Was als reizvoller, aber paradox anmutender Gedanke beginnt, entwickelt sich zu einer hintergründigen Fabel über Gut und Böse, Glück und Unglück und die Tatsache, dass alles im wahrsten Sinne des Wortes nur eine Frage des Blickwinkels ist. Eine unkonventionelle Idee, die ein wenig mehr Ausarbeitung verdient hätte, doch auch in diesem Rahmen interessante Ansätze bietet.
In der Sabine Ludwigs’ Geschichte begegnen wir „Machlath“ und erleben ein grausiges Ritual. Dass die Handlung nicht unbedingt neu ist, wird durch ausdrucksstarke Bilder ausgeglichen, die schlussendlich dafür sorgen, dass das Konzept aufgeht.
Mit „Der letzte Pendelschlag“ kreiert Günter Suda einen dunklen Sog, der an dem Protagonisten zerrt – ist die Handlung zunächst aufgrund der vielen Namen und den Ereignissen in der Vergangenheit auch etwas verworren und unklar, so bilden sich doch schnell bedrohliche Konturen heraus, die das Schicksal der Hauptfigur vorzeichnen. Die interessanten Grundzüge werden allerdings nicht ganz ohne Holprigkeiten umgesetzt.
Eine sprachlich überaus gelungene Geschichte, die sehr klar und schnörkellos zu lesen ist, aber dennoch bis zum Ende etwas verbirgt, hat Eva Markert unter dem Titel „Eiskalt“ beigesteuert. Das ewige Eis wird zur Kulisse einer Jagd, und schon in der Erzählweise wird die Andersartigkeit der weiblichen Protagonistin erkennbar – eine erfrischende Abwechslung.
Der nachfolgende, nur drei Seiten lange Text von Barbara Büchner, „Das Geheimnis“, gehört sicher zu den eindrücklichsten Stücken in dieser Anthologie. Ganz abseits von Klischees und Konventionen, stilistisch einwandfrei und mit Bildern, in denen das Licht nur auf wenige Stellen fällt und das meiste im Dunkeln bleibt, vermag sie den Leser in den Bann der Ich-Erzählerin und ihres Geheimnisses zu ziehen.
„Der Kuss Walhalls“ von Martin Kay sinkt dagegen ab, verliert sich zu sehr in Details, anstatt sich auf die Kernpunkte der Handlung zu konzentrieren. Auch die Verknüpfung der nordischen Mythologie mit den Kämpfen in Afghanistan und die Abwandlung der Walkürenfigur funktionieren nicht, sondern erwecken eher den Eindruck von absurdem Flickwerk – leider, denn in manchen Abschnitten gelingt es dem Autoren doch, eine unwirklich-morbide Atmosphäre zu erschaffen.
Corina Bomanns „Der Fluch der Hexengräfin“ gehört ebenfalls nicht zu den stärksten Erzählungen der Anthologie, auch wenn sie mit dreiundfünfzig Seiten mit Abstand die längste ist. Eher im Rahmen einer klassischen Gruselgeschichte bleibt sie ohne Überraschungen und Besonderheiten, dementsprechend absehbar ist das Ergebnis.
Sprachlich, bildlich eigenwillig und gerade deshalb interessant beginnt Harald A. Weissen seine „Stadttiere“, Kreaturen zwischen Mensch und Tier, wie ein seltsamer Kauz dem Protagonisten versichert. Der Ausflug in die Vergangenheit, in der diese Wesen entstanden, verschenkt dann leider Potential, doch das Ende vermag mit dem Fazit des Protagonisten wieder zu überzeugen und einen guten Abschluss zu bieten.
Auf jeden Fall erwähnenswert ist die Saga „Tag & Nacht“ von Christoph Hardebusch, mit der er eine herausragende Geschichte beigesteuert hat. Er verflicht ein seltsames Ritual von symbolischer Kraft mit einer Legende – dabei verschmelzen Idee und Umsetzung zu einer narrativen Kraft, die in ein eindrückliches Finale mündet und noch lang im Gedächtnis bleibt. Eine gelungene Parabel über die vermeintlichen Gegenpole der Schönheit und Hässlichkeit.
Uschi Zietsch bietet mit „Dornröschen“ eine morbide Neuerzählung des alten Stoffes. Ein junger Prinz vernimmt das seit Generationen weitergegebene Märchen und beschließt, die Prinzessin zu erlösen – doch niemals hätte er erwartet, was seiner harrt ... Mag das Ende auch ein wenig über das Ziel hinausschießen, so wird das Potential doch ausgeschöpft und vermag zu unterhalten.
Die „Hexenspiele“, auf die sich zwei Mädchen in Damian Wolfes Geschichte einlassen, werden schnell gefährlicher, als sie ahnen – nicht herausragend, aber solide erzählt, bewegen sich die Geschehnisse in einer enger werdenden Spirale um die heraufbeschworene Bedrohung, die abschließende Wendung ist gelungen.
Lothar Nietsch lässt seinen Protagonisten „Thanatos’ Muse“ begegnen, ein Ereignis, das ihn für sein Leben zeichnen wird. Spannungstechnisch gekonnt steigert sich kontinuierlich die Ahnung von Gefahr, die sich die Hauptfigur unwissentlich ins Haus geholt hat, und gipfelt schließlich in einer sexuell konnotierten, abstoßenden Szene, die wohl nicht nur Männer beim Lesen zurückzucken lässt. Genau diese Szene ist allerdings die Schwachstelle der Geschichte. Nichtsdestotrotz vermag der offene Abschluss zu überzeugen.
Zu guter Letzt wartet noch „Die, die tote Herzen bricht“ – Boris Koch lässt sie auf den sechzehnjährigen Peter treffen und die Leser einen flapsigen, unterhaltsamen Blick in die Hölle und von der Hölle aus auf uns werfen. Die Erwartungen einer Höllenbewohnerin an die „normalen“ Menschen der Erde entlocken ein Schmunzeln. Kurz und knapp stehen drei Abschnitte nebeneinander, denen ein wenig mehr Verknüpfung nicht geschadet hätte, um das Gesamtgefüge abzurunden.
Bild und Wort
In einer solchen visuell begleiteten Anthologie spielt natürlich auch das Zusammenspiel zwischen Bilder und Erzählungen eine nicht geringe Rolle. Dabei kommt es ganz auf die Vorlieben der Leser an – wer 3D-Grafiken schätzt, der wird hier voll auf seine Kosten kommen, wer damit nicht viel anfangen kann, wird sich wohl eher auf die Geschichten konzentrieren. Manche Exemplare sind weniger gelungen, andere wirken sorgfältiger gearbeitet, allen ist jedoch die Liebe zum Detail anzumerken: Ein Überblick in Farbe ist hier zu finden.
Einige Geschichten lassen sich zu deutlich anmerken, wodurch sie inspiriert wurden, und beschreiben zu viel von dem Ausgangsbild – am besten sind die Erzählungen gelungen, in die die betreffenden Szenen eher beiläufig eingearbeitet sind und mehr im übertragenen Sinne übernommen werden. Erstaunlich ist dabei immer wieder, zu welchen Ideen die Grafiken angeregt haben. Wer hätte gedacht, dass aus einer lasziven, leicht bekleideten Frauengestalt auf einem steinernen Thron, zu deren Füßen eine Riesenspinne krabbelt, zur Neugestaltung des Dornröschen-Märchens führt? So kann ich, auch wenn die Bilder nicht unbedingt mein Geschmack sind, doch von einem gelungenen Zusammenspiel sprechen.
Fazit
Eine sorgfältig gestaltete und zusammengestellte Anthologie, die zwar qualitativen Schwankungen unterworfen ist, aber nichtsdestotrotz zu überzeugen vermag. Der Blick hinein lohnt sich.
Pro und Contra:
+ Vielfalt und Ideenreichtum in der Herangehensweise
+ Sorgfältige, detaillierte Gestaltung und Zusammenstellung
+ Einige wirklich gelungene Geschichten
- Qualitative Schwankungen
Extras:
~ Vorwort
~ Vitae der Beteiligten im Anhang
~ 14 3D-Grafiken in Schwarzweiß sowie grafische Elemente zur Unterteilung der Geschichten
Bewertung:
Texte: 3,5/5
Bilder: 2/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5
Interessante Links:
Interview mit Alisha Bionda
Interview mit Christoph Hardebusch