Sebastian Rothfuss (20.08.2011)

Interview mit Sebastian Rothfuss
(Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Blanvalet und Penhaligon)

Literatopia: Hallo Herr Rothfuss! Sie Sind bei Blanvalet, Penhaligon und Limes in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Auf welchem Weg sind Sie in die Verlagsbranche gekommen? Und würden Sie sagen, dass Sie einen „Traumjob“ haben, in dem Sie die Leidenschaft Buch zum Beruf machen konnten?

Sebastian Rothfuss: Hallo Frau Gor. Während meiner Schulzeit machte ich ein Praktikum in der Buchhandlung Zaiser in Nagold. Dadurch wurde mir schnell bewusst, wo ich nach dem Abi hin will und so absolvierte ich dann dort auch eine Ausbildung zum Buchhändler. Danach arbeitete ich bei Weltbild als Medienhändler. Ich entschied mich dann aber, in München an der Uni Buchwissenschaft zu studieren. Schon während des Studiums arbeitete ich im Heyne Verlag in der Presseabteilung und bin nach der Diplomübergabe zu Blanvalet gewandert. Ich wüsste zurzeit keinen anderen realistischen Traumjob.

Literatopia: Woher stammt Ihr Interesse an Büchern? Haben Sie schon als Kind viel gelesen oder erst im Jugendalter beispielsweise mit dicken Fantasyschinken à la „Herr der Ringe“ begonnen?

Sebastian Rothfuss: Ganz und gar nicht. Meine Mutter hat jahrelang erfolglos versucht, mir Bücher schmackhaft zu machen. Was ihr aber nicht gelungen ist. Die Schullektüre tat dann ihr Übriges. Zum Glück hatte ich in den Sommerferien mal viel Langeweile und schlitterte in das Praktikum in der Buchhandlung. Und oh Wunder! Ich merkte, dass der Buchmarkt noch weit mehr zu bieten hat als problembehaftete Jugendromane (Mutter) und historische Schinken, die man monatelang auseinandernehmen muss und gezwungen wird, allen möglichen Irrsinn hinein zu interpretieren (Schule). Begonnen habe ich mit Unterhaltungsliteratur von Ken Follett, Stephen King und TC Boyle.

Literatopia: Wie ist Ihr Kontakt zur Basis – zu den Autoren? Begleiten Sie auch Lesungen beispielsweise? Und gibt es Kontakt zu den ausländischen Originalautoren der übersetzten Werke?

Sebastian Rothfuss: Für unsere deutschsprachigen Autoren organisieren wir Lesungen und Veranstaltungen zusammen mit Buchhandlungen. Manchmal sind wir da begleitend dabei. Wenn wir jedoch unsere ausländischen Autoren einladen, planen wir ganze Tourneen. Dafür suchen wir dann Moderatoren und Übersetzer sowie Veranstaltungspartner. Von der Buchung der Flüge bis zur Stadtbesichtigung organisieren wir alles und sind auf der gesamten Tour dabei. Da kommt man den Autoren natürlich sehr nahe. Für alle Autoren vermitteln wir Interviews, die insbesondere mit den ausländischen Autoren via E-Mail stattfinden. Wir laden unsere Autoren auf die Buchmessen ein, um dort Interviews zu arrangieren, umgekehrt bieten wir auch ausgewählten Journalisten Pressereisen zu Autoren in deren Heimatstadt an.
So beschäftigten uns in jüngster Zeit die Planungen für Trudi Canavan, unsere Fantasy-Spitzenautorin bei Penhaligon, die wir Anfang Juni für eine Lesereise von Australien hierher geholt haben und Susan Elizabeth Phillips, die wir gerade durch Deutschlands Großstädte begleitet haben.

Literatopia: Das Programm von Blanvalet ist recht vielseitig – von Belletristik über Fantasy und Science Fiction ist quasi alles dabei. Welche Vorteile hat ein Verlag auf dem Buchmarkt, wenn er so breit aufgestellt ist?

Sebastian Rothfuss: Das stimmt so nicht ganz, bei uns ist nicht alles dabei. Die Säulen unseres Programms als großer Publikumsverlag sind ganz klar die drei Varianten der Unterhaltungsliteratur: Krimis, Frauenunterhaltung und Fantasy – jeweils mit zahlreichen Subgenres. Aber auch wenn sich das Kerngeschäft von Blanvalet um die großen Unterhaltungsgenres dreht, bleiben wir offen für ungewöhnliche Projekte abseits des Mainstreams – und greifen neue Impulse auf, um die Unterhaltungsliteratur immer wieder neu zu erfinden. So fahren wir seit Kurzem eine kleine, aber feine Schiene im populären Sachbuch. Aber unser Hauptziel, ein großartiger Unterhaltungsverlag zu sein, verlieren wir nie aus den Augen.

Literatopia: Mit welchem Genre, das bei Blanvalet vertreten ist, können Sie sich am besten identifizieren? Und ist es in der Pressearbeit wichtig, voll und ganz hinter den Titeln zu stehen? Oder können Sie auch problemlos vertreten, was Ihnen gar nicht liegt?

Sebastian Rothfuss: Ganz ehrlich: Ich habe kein Lieblingsgenre. Ich lese vorbehaltslos fast alles. Das kann ich auch jedem nur empfehlen. Wer sich beispielsweise nur Vampiren oder nur hoher Literatur verschreibt, verpasst unglaublich viel. Neues zu entdecken, ist doch gerade der Reiz bei Büchern!
Wir sind in der Presseabteilung in der Rolle des Vermittlers, persönliche Vorlieben spielen da eine eher untergeordnete Rolle. Jedes Buch findet seine Rezensenten und seine Käufer.

Literatopia: Penhaligon konzentriert sich stärker auf phantastische Romane, die oftmals an ein jüngeres Publikum gerichtet sind. Zudem erscheinen viele Bücher dort zuerst als Hardcover – wie gefällt Ihnen das Format? Und wie wichtig ist die optische Präsentation der Bücher heutzutage?

Sebastian Rothfuss: Jede Ausstattungsart hat ihre Zielgruppe. Wir entscheiden nicht einfach frei heraus, welches Buch wir wie herstellen. Wir richten uns da ganz genau nach den Vorlieben unserer Leser. Besonders in Deutschland, dem Heimatland Gutenbergs und des Buchdrucks, ist die Wertschätzung von Qualität in der Ausstattung von Büchern viel höher als in anderen Nationen. Wir nutzen zudem fast zu 100 % FSC-Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
Hardcover kann man wunderbar veredeln, mit tollem Papier, starken Farben und besonderen Prägungen. Einiges wird aber aufgrund immer besserer und bezahlbarer Techniken auch beim Taschenbuch möglich. So befriedigen wir zwei Interessen: Zunächst die anspruchsvollen, die ein hochwertiges Hardcover im Regal stehen haben wollen und dafür auch gerne tiefer in die Tasche greifen. Nicht nur wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade jüngere LeserInnen, die wir mit Penhaligon ansprechen wollen, Sinn für hochwertige Bücher mit entsprechender Ausstattung haben. Später kommen die LeserInnen zum Zug, die ein kleineres Budget haben und ein handliches Taschenbuch wollen.
Allen gemein ist, dass das Cover genial sein muss! Nach Klappentexten und Genre ist das Cover das drittwichtigste Kaufentscheidungskriterium der Leser (so unsere Umfrage bei facebook).

Literatopia: Gibt es Bücher aus den Verlagsprogrammen von Blanvalet, Penhaligon oder Limes, die Ihnen besonders gut gefallen haben? Würden Sie diese unseren Lesern kurz vorstellen?

Sebastian Rothfuss: Die Vorstellung wird unsere Homepage übernehmen, sonst würde ich hier noch mehrere Seiten vollschreiben:
Gwynne, Vor dem Regen; Quinn, Bernie & Chet; Zusak, Die Bücherdiebin; Blum, Rampensau; Faÿ, Malbuch; Deaver, Allwissend; Eilenberger, Finnen von Sinnen; Martin, Das Lied von Feuer und Eis, Tess Gerritsen, Totengrund; Alan Bradley, Flavia; Guéro, Die Legende von Ayesha; Irwin, Der Sog; Raab, Wir sind online; Bourke/Rendall, Der Löwe Christian; Sykes, Die Tore zur Unterwelt; Klösch, Aufgedeckt.
Und das war jetzt nur ein Auszug …

Literatopia: Im 21. Jahrhundert ist das Medium Internet zunehmend wichtiger für die Buchbranche geworden. Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung von Onlineportalen und Blogs ein? Und wie wichtig ist eine gelungene Präsentation auf der Verlagshomepage?

Sebastian Rothfuss: Schon immer waren Buchempfehlungen von Freunden ein sehr wichtiges Kriterium für den Kauf eines Buchs (Platz 4 nach unserer facebook-Umfrage). Dass es nun via Internet wesentlich einfacher ist, mehreren (auch unbekannten) Leuten Tipps zu geben, welche Bücher kaufenswert sind, ist brillant. Ich räume dem folglich eine hohe Bedeutung ein. Wer kann mir sagen, was mehr Käufe auslöst: Ein Buchtipp in einer Tageszeitung durch einen qualifizierten Redakteur? Oder eine persönliche Rezension in einem Bücherblog? Oder unsere Homepage, auf der wir zusätzlich zu den Infos über Inhalt und Autor auch Leseproben, Clips, weiterführende Links etc. anbieten?
Das ist leider nicht messbar – deshalb kann man auf keinen Weg verzichten. Einen riesigen Vorteil bei Buchbesprechungen in Onlineportalen sehe ich darin, dass sie subjektiver sind, eben einfach von Lesern geschrieben und nicht von Feuilletonisten. Häufig sind sie in ihrer Sprache direkter und können andere Leser verständlicher ansprechen. Und sie unterliegen keiner lokalen Beschränkung durch die Reichweite eines Mediums.

Literatopia: Zu Ihrem Zuständigkeitsbereich zählt auch Social Media  – sind damit Portale wie Facebook oder Twitter gemeint? Der „gefällt mir“-Button hat ja längst Einzug auf die Random House Seite gehalten. Inwiefern sind Sie in den großen Social Networks aktiv?

Sebastian Rothfuss: Jawohl, damit meinen wir zum einen Facebook und Twitter. Ganz einfach dort mal vorbeischauen, dann sieht jeder, wie aktiv wir dort sind. Und dann bitte auch Fan werden ;-)
Außerdem beinhaltet meine Arbeit aber auch den Kontakt zu anderen Foren wie http://www.lovelybooks.. Natürlich würde ich im Social Media-Bereich gerne viel mehr machen, aber, ganz klar, wir machen das alles zusätzlich zu unserer „normalen“ Arbeit. Es geht so quasi nebenher – macht aber unglaublich viel Spaß, weil man auf diese Weise direkt Feedback von den Lesern erhält und einfach vieles ausprobieren kann.

Literatopia: Können Sie uns schon etwas über die Highlights im neuen Herbst/Winter-Programm von Blanvalet, Penhaligon und Limes verraten? Auf welche neuen Titel können sich die Leser freuen?

Sebastian Rothfuss: Wir beschäftigen uns bereits mit dem Winterprogramm und der Ausarbeitung des Frühjahrs-/Sommerprogramms für 2012 :) Der Herbst 2011 bietet folgende Highlights, die ich bereits gelesen habe:
Deborah Harkness: Die Seelen der Nacht. Der Titel wurde heiß gehandelt: „Während der Frankfurter Buchmesse 2009 war Harkness mit ihrem modernen Märchen Tagesgespräch, weil die internationale Verlagswelt beim Rechteinhaber Schlange stand […] Die amerikanischen Kritiker feiern die ungewöhnliche Romanze zwischen Dr. Diana Bishop, Mitarbeiterin in der Bodleian Library in Oxford und Hexe wider Willen, mit dem Vererbungsforscher Matthew, einem 1500 Jahre alten Vampir, als eine der originellsten Neuerscheinungen der letzten Jahre.“ Da kann ich dem Buchreport nur zustimmen: Es ist der erste intelligente Hexen- und Vampirroman, der mir untergekommen ist. Man wird beim Lesen zum Weltenwandler zwischen Magie und Naturwissenschaft und – das Beste – man darf gespannt bleiben, wie es weitergeht, denn Deborah Harkness schreibt bereits an der Fortsetzung. Nur in einer Sache irrt der Buchreport leicht: Diana Bishop ist keine Mitarbeiterin in der Bodleian Library, sie forscht dort 
Thomas Enger: Sterblich. Der Osloer Journalist Henning Juul trägt die Brandnarben der Feuersbrunst in seinem Gesicht und auf seiner Seele. Denn es gelang ihm nicht, seinen Sohn aus dem Inferno zu retten. Nach zwei Jahren Auszeit kehrt er an seinen Arbeitsplatz bei einer Internetzeitung zurück. Gleich am ersten Tag setzt ihn seine Chefin, die früher mal seine Praktikantin war, auf einen grauenhaften Mordfall an: Die Filmstudentin Henriette Hagerup wurde halb in der Erde vergraben und gesteinigt. Bald zweifelt Juul an dem Verdacht der Polizei, es sei ein Scharia-Mord …
Der Osloer Autor Thomas Enger schuf einen Helden, der das Zeug hat, Kult zu werden. Mit ihm haben wir übrigens auch gerade eine besondere Art der Pressearbeit gemacht: Ausgewählte Journalisten haben wir mit auf die Reise nach Oslo genommen, um dort Thomas Enger und die Schauplätze aus Sterblich persönlich kennen zu lernen.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview, Herr Rothfuss!

Sebastian Rothfuss: Gern geschehen, hat mir Spaß gemacht!


Interessante Links zum Thema:

Rezension zu "Die Bücherdiebin"

Rezension zu "Die Legende von Ayesha" (Band 1)

Rezension zu "Flavia - Mord im Gurkenbeet" (Band 1)

Rezension zu "Die Saga von Sonea - Die Hüterin" (Band 1)

Rezension zu "Allwissend"

Rezension zu "Das Lied von Eis und Feuer" (Band 1)

... viele weitere Rezensionen zu Titeln aus dem Verlagsprogramm von Blanvalet und Penhaligon findet ihr in unseren Rezi-Rubriken! :)


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.