
Heyne Verlag (August 2011) Taschenbuch, 432 Seiten, EUR 14,00 ISBN: 978-3-453-52846-8
Genre: Endzeitthriller
Klappentext Das Ende der Zivilisation … Ist der Beginn eines großen Abenteuers Jahrelange Klimakatastrophen und wirtschaftlicher Niedergang haben die
Zivilisation, wie wir sie kennen, zerstört. Nur wenige Menschen haben
überlebt. So wie Makepeace Hatfield, die im äußersten Norden Sibiriens
ein einsames Leben führt. Doch dann häufen sich die Anzeichen, dass neue
menschliche Siedlungen im Entstehen begriffen sind – und Makepeace
macht sich auf eine Reise durch Schnee und Eis, die ihr Leben für immer
verändern wird.
Rezension Romane mit postapokalyptischem Setting sprießen derzeit aus dem Boden
wie Pilze - und oftmals ist das Setting auch schon das einzige, was
diese auszeichnet. Umso angenehmer sticht „Weit im Norden“ aus dieser
Masse heraus. Denn obwohl die zerstörte Welt mit ihren zahlreichen
Geheimnissen ein zentrales Handlungselement bildet, ist die
Protagonistin selber – Makepeace Hatfield – beinahe noch wichtiger und
birgt nahezu genauso viele Mysterien und Fragen. In einer Welt, in der die Wirtschaft zusammengebrochen ist und
Dürrekatastrophen weite Teile unbewohnbar gemacht haben, suchen viele
Menschen Zuflucht im eisigen Norden; die unendlichen Weiten Sibiriens
scheinen vielen Menschen neue Hoffnung zu geben. Doch als immer mehr
Verzweifelte dort einen Neuanfang machen wollen, kommt es zu heftigen
Auseinandersetzungen zwischen jenen, die schon länger im Norden leben
und jenen, die erst „in letzter Sekunde“ merken, dass sie nur dort eine
Chance auf ein halbwegs anständiges Leben haben. Und so verschwinden die
Menschen wieder aus dem Norden, und das scheinbar letzte Kapitel der
Menschheit bricht an … Und dort – im nun verlassenen Norden – trifft man die Protagonistin des
Romans als eine der letzten verbliebenen in der Pionierstadt an, wo sie
jeden Tag aufs Neue ums Überleben kämpft. Makepeace Hatfield ist einer
jener Ich-Erzähler, für die diese Erzählform scheinbar erfunden wurde –
sie erzählt nicht die Geschichte, vielmehr ist sie die Geschichte. Denn auch wenn die Welt, in der Makepeace lebt,
viele Geheimnisse birgt, deren Auflösung gewissermaßen die Triebfeder
für die Handlung darstellen, sind die Geheimnisse und dunklen Ecken der
Protagonistin mindestens genau so spannend – zumal diese nicht selten
auf gelungene Weise mit ihrer Umwelt verknüpft sind. So schafft Theroux einen ganz besonderen Charakter jener Art, der man
leider nicht so oft begegnet und die den Leser eine besondere Bindung
zum Charakter aufbauen lässt. Dabei scheint Makepeace rau wie der Norden selbst, nicht selten ist ihre
nonchalante Art regelrecht erschütternd – und doch ist da noch mehr,
unter jener harten Schale, die ihr das unglaublich harte und
entbehrungsreiche Leben im Norden aufnötigt, das Theroux auf so
eindringliche und überzeugende Weise schildert. Unter dieser „harten
Schale“ verbirgt sich ein vielschichtiger Charakter, der sensibel und
hart zugleich ist, oberflächlich und tiefgründig – kurz – einer, der es
immer wieder versteht, den Leser zu überraschen und zu begeistern.
Irgendwann im Laufe der Jahre
habe ich wohl das Strahlen meiner Augen eingebüßt. Die glücklichen
Jahre waren vor langer Zeit, in meiner Jugend.
(Seite 7 f.)
Für seine überzeugende und eindringliche Beschreibung des Schauplatzes
ausschlaggebend ist Theroux‘ hervorragender Schreibstil, der
gewissermaßen das I-Tüpfelchen dieses besonderen Buches bildet. Dieser
ist zwar prägnant und eingängig, jedoch stets mit einem besonderen
Unterton, der mal melancholisch und nachdenklich wirkt, mal beinahe
lyrische Formen annimmt. Fast vermeint man so jene schneidende Kälte und die Einsamkeit der
unendlichen Weiten spüren zu können. Theroux schafft es, das Setting dem
Anspruch des Titels gerecht werden zu lassen und darüber hinaus
Eigenschaften einzuflechten, die die Handlung vorantreiben. Und auch
wenn viele der Rätsel nicht aufgelöst werden, geht das Gesamtkonzept
doch auf; wie sollte eine einzige Frau – auf deren Sicht die Geschichte
nun einmal „beschränkt“ ist – auch Fragen dieses Ausmaßes klären können.
Zumal sie in nicht unerheblichem Maße mit sich selbst beschäftigt ist,
in ständiger Entwicklung begriffen bei dem Versuch, die Fragen und
Probleme ihrer eigenen Existenz zu klären. Bleibt nur noch die Aufmachung des Buches zu erwähnen, die in der
vorliegenden Form auf einiges Unverständnis stoßen dürfte; denn anstatt
als Format die bewährte Taschenbuchform des Verlages zu wählen, wurde
eine etwas größere Form gewählt, die dann auch gleich mit satten 14 Euro
zu Buche schlägt – wer dafür mehr Inhalt erwartet, wird gleich beim
Anblick des „Innenlebens“ eines Besseren belehrt; geradezu
verschwenderisch große Lettern, wie mancher sie aus der eigenen
Leselernzeit in Erinnerung haben mag, beanspruchen den durch die größere
Form dazugewonnenen Platz für sich – so etwas muss nun wirklich nicht
sein.
Fazit „Weit im Norden“ ragt aus der Masse der postapokalyptischen Romane
heraus; mit viel Feingefühl und erzählerischem Talent beschreibt Marcel
Theroux das Leben im Norden, der so viele Rätsel aufgibt und die
Menschen so hart macht, wie das Land selbst – oberflächlich betrachtet.
Denn mit seiner Protagonistin gelingt ihm darüber hinaus ein
vielschichtiger Charakter, den man auch nach Beendigung der Lektüre
nicht so schnell vergisst.
Pro & Kontra + überzeugendes und atmosphärisches Setting + Protagonistin + Schreibstil
Wertung:  Handlung: 4/5 Charaktere: 5/5 Lesespaß: 4,5/5 Preis/Leistung: 3/5 |
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