Bastei Lübbe (Juli 2009)
Paperback, 447 Seiten, 16,95 EUR
ISBN: 978-3-7857-6010-9
Anmerkung: „Das Buch ohne Namen“ gibt es inzwischen als günstiges Taschenbuch!
Genre: Horror / Splatter
Klappentext
Jeder, der dieses Buch liest, stirbt. Doch nur wer es liest, weiß, warum …
Ein Buch ohne Titel und ohne Autor tötet jeden, der es liest.
Ein geheimnisvoller blauer Stein ist plötzlich verschwunden - und alle suchen ihn.
In Santa Mondega bricht die Hölle los - im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine Sonnenfinsternis wird Santa Mondega bald in völlige Dunkelheit tauchen und dann wird es blutig werden. Blutiger als sich irgendjemand vorstellen kann. Denn ein Fremder ist in der Stadt: The Bourbon Kid.
Rezension
Das Buch ohne Namen, sowie der geheimnisvolle blaue Stein, von denen im Klappentext die Rede ist, tauchen erst relativ spät in der Geschichte auf. Genauso wie der Serienkiller Bourbon Kid, der nach einem Massaker zu Beginn des Romans lange Zeit von der Bildfläche verschwunden ist. Er wird lediglich in Gesprächen erwähnt und auch die harten Kerle, die in der finsteren Stadt Santa Mondega morden, werden zu weinerlichen Memmen, sobald der Bourbon Kid erwähnt wird. Bis zu dessen Rückkehr begleitet man andere Charaktere wie beispielsweise Sanchez, den Besitzer der Tapioca Bar, der von Bourbon Kid bei dem Massaker vor fünf Jahren verschont wurde. Sanchez ist eine linke Ratte, die Neukunden grundsätzlich aus der Pissflasche ausschenkt (das darf man wörtlich nehmen) und stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Doch in diesem Punkt unterscheidet er sich nicht sonderlich von den anderen Protagonisten, von denen nur wenige das Ende des Romans erleben …
Der Vergleich mit Tarantino schickt sich beim Lesen tatsächlich an, wobei in einem Buch natürlich die Phantasie des Lesers gefragt ist. Doch die expliziten und widerlichen Beschreibungen der blutigen Szenen machen es einem nicht schwer, ein grausiges Bild herauf zu beschwören – welches allerdings so grotesk und überzogen brutal ist, dass man sich einem Schmunzeln oftmals nicht verwehren kann. Wer mit sinnloser Gewalt nicht zurechtkommt, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Alle anderen sollten es einfach nicht so ernst nehmen und den schwarzen Humor des anonymen Autors teilen. Denn hier bekommt man nicht nur heftige Flüche, Mord und Totschlag geboten, sondern auch überraschenden Wendungen und originelle Ideen, die einfach Spaß machen. „Das Buch ohne Namen“ stößt im Verlauf der Geschichte des Öfteren an die Grenzen des guten Geschmacks oder reißt sie auch einfach nieder, trotzdem ist es einfach unheimlich komisch. Es bleibt letztlich dem Leser überlassen, aber wer einen so bösartigen Humor liebt, kommt hier voll auf seine Kosten.
Die Charaktere kann man dabei kaum als Sympathieträger bezeichnen. Am ehesten erwärmt noch Dante Vittori das Herz, der trotz seiner dümmlichen Art und dem hohen Aggressionspotential recht herzlich rüberkommt. Auch der Bourbon Kid kann den Leser für sich gewinnen, trotz der Tendenz, Blutbäder anzurichten. Aber wenn dieser Dreckskerl auftaucht, dann wirkt er einfach unheimlich cool. Vor allem ist er kein mieser Feigling wie viele der Nebencharaktere, die zwar allesamt schwere Jungs sind, aber die nicht mehr als eine große Fresse zu bieten haben. Dann gibt es da noch den Auftragskiller Elvis, dessen Name man auch wörtlich nehmen kann, und den Kopfgeldjäger Rodeo Rex, der in Santa Mondega auf Vampirjagd geht. Denn eigentlich ist „Das Buch ohne Namen“ ein Vampirroman, wenn auch einer, den man so noch nie gelesen hat und der die finsteren Wesen durch den Dreck zieht. Die zwei Mönche von Hubal, die sich ebenfalls nach Santa Mondega begeben, um den im Klappentext erwähnten blauen Stein zu finden, passen dagegen so gar nicht ins Bild. Sie sind rein und tugendhaft, allerdings nur, bis sie von der Realität außerhalb ihres Klosters eingeholt werden. Außerdem wären da noch zwei Cops: der eine beschäftigt sich mit paranormalen Phänomenen und der andere will jeden Mord dem Bourbon Kid in die Schuhe schieben.
Neben charakterlicher fragwürdigen Protagonisten hat „Das Buch ohne Namen“ herrlich spritzige Dialoge zu bieten, bei denen auch gerne und viel geflucht wird. Irgendjemanden fällt immer ein dämlicher Spruch ein und so werden die meisten Gespräche unheimlich komisch – wenn man diese Art von übertriebenem Humor mag. Hinzu kommen zahlreiche Anspielungen auf bekannte Filme (vornehmlich des Genres). Dabei diskutieren vor allem die beiden Cops des Öfteren über den Sinn oder auch Unsinn diverser Umsetzungen. Und auch daran merkt man, dass „Das Buch ohne Namen“ vom anonymen Autor einfach verdammt gut durchdacht ist. Natürlich strotzt es vor sinnlosem Splatter, derben Dialogen und Charakteren mit mehr Ecken als Kanten, aber es ist vor allem auch ein verdammt gut geschriebener Roman, der bestens unterhält.
Viele Formulierungen zergehen förmlich auf der Zunge, auch wenn man so manche als anständiger Mensch sofort wieder ausspucken müsste. Hinzu kommen viele Perspektivenwechsel, mindestens pro Kapitel (und davon gibt es fünfundsechzig), manchmal auch zwischen drin. Doch der Übergang von personaler zu auktorialer Erzählweise stört meist nicht – zudem gelingt es dem anonymen Autor, die Einzelschicksale seiner Charaktere auf seine so zufällige und doch durchgeplante Art und Weise zu verknüpfen, dass es beim Lesen niemals langweilig wird. Spannung ist bis zum Ende garantiert und wie es vorne im Buch so schön heißt: „Nicht alle werden es schaffen. Die zahlreichen unterschiedlichen Handlungsstränge und Stilrichtungen mögen manch einen verwirren und blenden, und obwohl sie gleich vor ihm liegt, ihn unablässig nach der Wahrheit suchen lassen.“ (Seite 5) Es sei an dieser Stelle gesagt, dass die Wahrheit zugleich überrascht, aber tatsächlich das Gefühl hinterlässt, dass man sie eigentlich die ganze Zeit hätte erkennen müssen. Nach der Lektüre sollte man sich übrigens unbedingt die Folgebände antun, „Das Buch ohne Staben“ und „Das Buch ohne Gnade“.
Fazit
„Das Buch ohne Namen“ ist bösartig und voll tiefschwarzem Humor, der von derben Dialogen und sinnloser Gewalt getragen wird. Die Charaktere sind keine Sympathieträger, sorgen jedoch für reichlich Zerstreuung und weisen genug Ecken und Kanten auf, um grundlos aneinander zu geraten. Wenn es dann doch mal einen Grund gibt, dann Gnade einem Gott – doch der scheint sich von Santa Mondega abgewandt zu haben. Originell geschrieben, voller Überraschungen und extrem unterhaltsam!
Pro & Contra
+ derbe Dialoge mit reichlich Wortwitz
+ abgedrehte Story mit vielen Überraschungen
+ tiefschwarzer Humor
+ phantastische Elemente
+ Spannung bis zur letzten Seite
+ nimmt sich selbst nicht ganz ernst
+ viele Anspielungen und originelle Ideen
o kein besonderer Tiefgang
o viel sinnlose Gewalt
- anfangs ein wenig langatmig
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5
Rezension zu "Das Buch ohne Staben"
Rezension zu "Das Buch ohne Gnade"