Das Königreich der Lüfte (Stephen Hunt)

Verlag: Heyne (Mai 2011)
Taschenbuch: 784 Seiten, € 9,99
Sprache: Deutsch
Originaltitel: The Court of the Air
ISBN-13: 978-3453533769

Genre: Science Fiction Steampunk


Klappentext

Eine finstere Macht bedroht das Königreich von Jackals. Seine Bewohner – Menschen, Magier, Roboter, die in riesigen fliegenden Städten friedlich zusammenleben – ahnen nichts von der Gefahr. Zwei Kinder, die Waise Molly und der mit besonderen Kräften begabte Oliver, sind dazu ausersehen, den Kampf aufzunehmen. Noch wissen sie nichts von ihrem Schicksal, doch der Gegner hat sie bereits aufgespürt. Eine Jagd beginnt, bei der es um das Überleben einer ganzen Welt geht.


Rezension

Middlesteel ist eine Welt, die von Menschen, lebenden Maschinenwesen und intelligenten Insekten bevölkert wird. Entsprechend vielfältig gestalten sich die diversen unterschiedlichen Staaten und Königreiche; es existieren verschiedene Formen von Religionen und Magie und Technik werden beide auf sich gegenseitig ergänzende Weise angewandt.
Im Königreich Jackals ist alles streng reglementiert, was ein relativ friedliches Miteinanderleben garantiert, doch wird die bestehende Ordnung von innen heraus unterwandert. Böse Mächte planen, das Reich der uralten Götter wieder aufleben zu lassen, was gleichbedeutend mit dem Ende der bestehenden Welt wäre.
Den beiden Waisenkindern Molly und Oliver ist in diesem Kampf unabhängig voneinander eine besondere Rolle zugedacht, doch bis die beiden in ihre Aufgabe hineinwachsen, geraten sie nicht nur einmal in höchste Gefahr ...

Der Plot beginnt vielversprechend und zunächst noch übersichtlich mit zwei Waisenkindern, deren Leben unvermittelt aus sämtlichen geordneten Bahnen hinauskatapultiert wird. Die beiden Protagonisten haben nur wenig Ahnung von der Welt und ihren Geheimnissen und müssen sich sämtliches Wissen mühselig erarbeiten. Dabei prasselt eine schier unglaubliche Flut von Informationen auf den Leser ein, doch unglücklicherweise werden dabei weder Bezüge und Relationen entwickelt, noch Zusammenhänge näher erklärt, was das Hineinfinden in die Story sehr schwierig macht. Alles verwirrt sich in atemberaubendem Tempo zu einem komplexen Epos, in welchem zahllose Personen, Schauplätze, Gegenstände und Begebenheiten zu einem unüberschaubaren Ganzen aneinandergereiht werden.
Faszinierend ist dabei die unglaubliche Phantasie und Ideenvielfalt, der Autor hat mit erkennbar viel Herz und Liebe seine Welt und ihre Bewohner erschaffen. Doch was sich anfangs noch unterhaltsam liest und wirklichen Spaß macht, weicht schnell einem gewissen Übersättigungs- und Ermüdungsfaktor. Noch mehr neue Schicksale, noch fantastischere Orte, noch weitere Intrigen und noch die eine oder andere zusätzliche Partei mehr, die in diesem Chaos mitmischt – früher oder später verliert man in alledem einfach den Überblick und auch ein wenig die Lust, weil der berühmte rote Faden einfach nicht zu entdecken ist und nähere Erklärungen das gesamte Buch hindurch Mangelware bleiben.

Die Handlung wechselt ständig zwischen verschiedenen Personen, Schauplätzen und oft auch Zeiten. Jeder einzelne dieser Erzählstränge ist zwar spannend und unterhaltsam geschrieben, doch auf diese Weise wird konsequent verhindert, die Protagonisten ins Herz schließen zu können. Auch wichtige Schritte in ihrer Entwicklung werden nicht näher behandelt, genauso wie manche bedeutsamen Ereignisse praktisch nebenbei in wenigen Sätzen abgehandelt werden, so dass Molly und Oliver eher distanziert erscheinen.
Sehr kompliziert verhält es sich auch mit den Örtlichkeiten. Neue Schauplätze werden zum einen etwas mager beschrieben, zum anderen bekommt man kaum Orientierungsmöglichkeit, was jetzt wo genau liegt, woran angrenzt oder wie weit voneinander entfernt ist. Streckenweise ist es schon problematisch zu durchblicken, ob man sich oberirdisch, unterirdisch oder oben beim ‚Wolkenrat’ in der Luft befindet. Als Leser wird man ziemlich orientierungslos von einem Ort zum nächsten weitergereicht und sehnt sich wie in kaum einem anderen Roman nach Landkarte, Glossar und Personenverzeichnis.

Ein wichtiger Bestandteil der Story ist der politische Faktor, die Handlung beschäftigt sich über weite Teile mit Revolutionen, Gemeinwohlvertretung, Gleichmachung und ähnlichem, wobei unter anderem auch ein stark überspitztes Bild des Kommunismus gezeichnet wird. Etwas sehr konservativ und auch ein wenig fragwürdig erscheint die Botschaft, dass Revolution immer in Terror und Tyrannei mündet; auch die Darstellung einer Arbeiterbewegung als brutale und unmenschliche Diktatur wirkt viel zu einseitig.

Störend  machen sich zudem die vielen Tipp- und Rechtschreibfehler in der deutschen Ausgabe bemerkbar.


Fazit

Sorgfalt und die Liebe zum Detail sind im ‚Königreich der Lüfte’ unübersehbar, doch hier hat der Autor zuviel gewollt, mit seinen zahllosen Einzelheiten die Handlung praktisch erschlagen und gleichzeitig den globalen Überblick über die Handlung scheinbar verloren. Selten findet die Aussage des ‚weniger ist mehr’ soviel Anwendung wie in diesem Roman.


Pro & Kontra

+ großartige Ideen
+ viel Phantasie
+ temporeich und spannend erzählt

o stark politisch gewichtet
o ständiger Wechsel zwischen sehr vielen Schauplätzen

- Protagonisten erscheinen zu distanziert
- unübersichtliche Örtlichkeiten
- zu viele Details
- kein richtiger ‚roter Faden’
- Hintergründe bleiben nebulös
- sehr konservative politische Botschaft
- viele Tipp- und Rechtschreibfehler in der deutschen Ausgabe
- eine Karte und auch ein Glossar wären sehr hilfreich gewesen

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 4/5


 Rezension zu "Das Königreich jenseits der Wellen"