Die letzten Gerechten (Paul Hoffman)

Goldmann (Juli 2011)
Klappbroschur, 477 Seiten
ISBN: 978-3442312566
€ 17,99 [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Cale ist die linke Hand Gottes, der Engel des Todes. Er ist dazu bestimmt, jeden zu vernichten, der nicht des wahren Glaubens ist. Die Erlösermönche, allen voran sein ehemaliger Mentor Bosco, glauben der Prophezeiung, die besagt, dass Cale Gottes Gesandter ist. Erst wenn er seinen Auftrag vollbracht hat, wird Gott eine neue Welt erschaffen können mit den letzten gerechten Menschen dieser Welt. Aber Cale will nur ungern von seinen ehemaligen Unterdrückern für ihre Zwecke benutzt werden und lässt die Mönche erst einmal in dem Glauben, dass er für sie arbeitet. In Wirklichkeit hat er längst einen ganz anderen Plan ...


Rezension

Die Stadt Memphis ist gefallen und durch einige Intrigen befindet sich Thomas Cale wieder dort, wo er angefangen hatte: hinter den Mauern der Erlösermönche. Doch anstatt von seinem Mentor Bosco zu Tode geprügelt oder aufgeschlitzt zu werden wie ein Schwein, offenbart er ihm, dass er ihn als gesandten Gottes erkannt hat. Mit seiner Kampfkunst und seinem scharfen Verstand wird er das Übel, das die Welt überzogen hat, wegspülen wie einst die Flut, die nur Noah und seine Familie überlebte. Während Cale zunächst nachgibt, eine Schlacht nach der anderen schlägt und sich zwischen ihm und Bosco eine Form des Respekts entwickelt, erlebt Kleist, Cales ehemaliger Wegbegleiter, sein eigenes Abenteuer.

Die linke Hand Gottes“ war Paul Hoffmans Erstlingswerk im Fantasygenre und konnte insgesamt überzeugen. Sein Erzählstil war etwas gewöhnungsbedürftig, funktionierte mit der interessanten Story aber durchaus. Das Ende war gut gewählt und lies den Leser mit hohen Erwartungen und Vorfreude auf den Folgeband zurück. Nun ist „Die letzten Gerechten“ erschienen und zerschmettert jeden Funken Hoffnung auf gute Unterhaltung und eine würdige Fortsetzung. Der Roman scheitert an allen Fronten. Beginnend bei der Story, die kaum vorhanden ist. Was nicht bedeutet, dass nichts passiert. Denn Boscos Plan sieht es vor, sich an die Spitze der Machthierarchie zu setzen und dafür muss er an vielen Fronten aktiv werden. Die interessanten Erzählstränge werden dabei aber in nur kurzen Kapiteln zusammengefasst oder gar nur beiläufig abgehandelt. Stattdessen konzentriert sich Hoffman nur auf die Schlachten, die Cale für Bosco gewinnen soll. Einzig positiv zu erwähnen ist, dass der Autor einen ausgeprägten Sinn dafür hat, strategische Schlachtpläne zu entwickeln und sie dem Leser realistisch zu präsentieren. Und wenn er auch wirklich mal ins Geschehen eintaucht, kommt sogar so etwas wie Spaß beim Lesen auf. Jedoch vergnügt er sich offenbar daran, sich selbst schwadronieren zu hören und bricht einfach mitten drin ab, um wie in einem Geschichtsbuch zu erwähnen, dass die Schlacht siegreich war oder eben nicht. Einige zukünftige Zitate über das Geschehen von spontan erfundenen Personen werden auch erwähnt und wenn einem das nicht bereits den letzten Nerv geraubt hat, bekommt man Frasen wie „das soll hier nicht erwähnt werden“, „das ist aber eine andere Geschichte“ und „es ist verständlich, dass hier nicht weiter erzählt wird“ vorgesetzt.

Überhaupt macht einen die Erzählweise rasend. Dialoge sind rar gesät, meistens bevorzugt Hoffman die indirekte Rede und Passivkonstellationen. So gut wie nie erlaubt er es dem Leser, die Geschichte zu erleben, einzutauchen und sich zu verlieren. Vielmehr doziert er wie ein Professor, den Zwischenmenschliches nicht interessiert und sich viel mehr an politischen und religiösen Fakten erfreut. Die hier natürlich alle frei erfunden sind und gar nichts zur Geschichte beitragen. Ein historischer Roman hätte wenigstens einen historisch-akkurat-Bonus erhalten können, aber für „Die letzten Gerechten“ ist es ein weiterer Schnitt ins eigene Fleisch. Städte und Länder werden querbeet und wahllos positioniert. Vielleicht klingen Stuttgart und Schweiz einfach schön in englischsprachigen Ohren. Selten hätte eine Karte tatsächlich so viel gebracht wie hier. Ob die Sprache auf englisch gut funktioniert ist fraglich, dass sie auf deutsch das Fass zum überlaufen bringt, ist Fakt. Seitenlange Blocktexte voller Relativsätze lassen einen entnervt schnaufen und den Wunsch, diese fast 500 Seiten lange Zeitverschwendung aus dem Fenster zu schmeißen, ins unermessliche steigen.

Dass sich bei der Wahl der Erzählweise, dem Fokus auf die Schlachten, politische Machenschaften und religiöses Gedöns die Charaktere nicht entfalten können, ist kein Wunder. Am besten weg kommen noch Bosco und Cale. Ihre zwischenmenschliche Beziehung, die nur schwer einzuordnen ist, ist wie im ersten Teil unterhaltsam zu beobachten. Allerdings ändert sich im Laufe des Buchs nichts. Beide versuchen den anderen aus der Reserve zu locken durch unerwartetes Verhalten und gleichzeitig zollen sie sich Respekt. Am repräsentativsten für Hoffmans Mangel an richtigen Schwerpunkten ist Kleist. Obwohl kein großer Sympathisant im ersten Teil bekommt er einen eigenen Geschichtsstrang. Für den aber nicht genug Zeit investiert wurde. Kleist setzt sich mit Themen auseinander wie Liebe, Sex und Vertrauen und erlebt soviel in seinem neuen Heim, dass es Stoff für einen eigenen Roman gegeben hätte. Aber auch hier wurde offenbar der Rotstift gezückt und in wenigen Kapiteln bekommt man wieder eine herzlose Zusammenfassung zu lesen.


Fazit

Die letzten Gerechten“ macht so viel falsch, dass das Aufzählen der positiven Dinge einen einzigen kümmerlichen Satz hervorbringen würde. Bedenkt man das Potential, das Band 1 mit sich brachte und die Erfahrung des Autors, macht es das Ganze noch schlimmer. Bei all den grandiosen Werken der Fantasyliteratur wie Bücher von Joe Abercrombie, Markus Heitz, Bernhard Hennen und Neil Gaiman – um nur einige zu nennen – bleibt nur der Rat, nein, die Warnung, einen großen Bogen um diesen Roman zu machen.


Pro und Kontra

+ durchdachte Schlachten
+ irgendwann ist es vorbei

- erzählt wie in einem Geschichtsbuch
- kaum Situationen in Echtzeit nur kurz zusammengefasste Erklärungen
- der Autor schwadroniert vor sich hin
- keine Charakterentwicklung weit und breit
- der Autor hört nie auf zu schwadronieren!

Beurteilung:

Handlung: 1.5/5
Charaktere:2/5
Lesespaß: 1/5
Preis/Leistung: 1.5/5


Rezension zu Die linke Hand Gottes (1)