Thorsten Kiecker (24.10.2011)

Interview mit Thorsten Kiecker

Literatopia: Hallo Thorsten! Im Mai ist der erste Band von „RIA – Die Lichtklan Chroniken“ bei Splitter erschienen. Magst Du uns vielleicht zuerst ein wenig über den Inhalt erzählen?

Thorsten Kiecker: Nun, bei den Lichtklan-Chroniken handelt es sich um die Geschichte des Lichtklans und im Falle von Ria um die letzte Prinzessin dieses einst dominierenden Klans auf der Welt Tenebra. Sie spielt eine ganz besondere Rolle für die Zukunft ihrer Welt, aber ihre Bestimmung wird sich im Laufe der Handlung noch ändern. Des Weiteren geht es um einen Außenweltler namens Uri, der durch einen Zufall in Rias Welt kam und sich mittlerweile dem Kampf gegen Tenebras neuen Diktator angeschlossen hat. Sein Schicksal ist dabei viel enger mit dem der Tenebraner verknüpft, als er es selbst ahnt. Und es geht um einen jungen Krieger namens Loan, der von der Wut über die Auslöschung seines Klans getrieben wird. Die Hoffnung einer ganzen Welt lastet auf Rias schmalen Schultern, Uri und Loan versuchen ihr diese Last zu erleichtern, begreifen jedoch nicht, welche folgenschweren Entscheidungen damit verbunden sind.

Literatopia: „RIA“ besticht vor allem durch intensive, perfekt aufeinander abgestimmte Farben. Welche Schritte liegen zwischen den ersten Skizzen und dem vollständig eingefärbten Bild?

Thorsten Kiecker: Die Farbwelt von „RIA“ war eine der größten Herausforderungen bei diesem Projekt und ist auch immer stark mit dem Handlungsverlauf verbunden. Es waren insgesamt mindestens sieben Koloristen, die wir getestet haben, bis wir schlussendlich bei Fabian Schlaga aus dem Satellite Soda Team landeten, der heute für die Gesamtfarbgestaltung verantwortlich ist.

Aktuell haben wir für Band 2 eine etwas veränderte Herangehensweise entwickelt. Der ganze Comic wurde zunächst einmal in Sequenzen und damit unterschiedliche Hauptstimmungen eingeteilt, danach entwickelten wir „Farbmoods“, kleine Farbskizzen die den Verlauf einer Hauptsequenz nochmals in untergeordnete Farbbereiche einteilen.

Storyboard und Layout einer Seite gehen bei uns Hand in Hand, zeitgleich zu den Farbmoods entstehen die ersten groben Seitenlayouts, welche in Band 1 Grundlage für unsere Set-Designer wie Paul Schwarz und Kai-Uwe Ullrich waren. Für Band 2 hingegen entwerfen und painten wir die Sets direkt und ohne Vorgaben digital, der Set-Designer kommt also nur innerhalb der Entwicklungsphase zu Beginn des Projekts zum Einsatz.

Es ist ein langer Weg und man kann sicherlich von mehr als drei Tagen pro Seite ausgehen, ich würde sogar sagen, dass man mit allen Vorbereitungen sowohl in textlicher als auch konzeptioneller Hinsicht auf gut fünf Arbeitstage kommen dürfte. Steht letztendlich ein Layout, dann beginnt Fabian Schlaga sofort mit der Ausgestaltung der Hintergründe, während unser Team noch an den Figuren und bewegten Objekten, wie Fluggeräten oder Fahrzeugen sitzt.

Literatopia: Ein wenig erinnert der Stil von „RIA“ an Zeichentrick. Ist das durchaus gewollt? Hattest Du vielleicht sogar bestimmte Trickfilme im Kopf, die Dich inspiriert haben?

Thorsten Kiecker: Unser erklärtes Ziel war es, jedes Panel im Comic wie eine Momentaufnahme aus einem Trickfilm zu gestalten. Auch aus diesem Grund entfernten wir comictypische Lautmalerei und Bewegungslinien aus Band 1 bevor dieser an Splitter lizenziert wurde. Dieses Ziel werden wir mir Band 2 wohl weitestgehend erreichen, so dass wir uns für die zukünftigen Bände wohl oder übel neue Ziele setzen müssen.

Literatopia: Wie oft sind fertige Entwürfe schon Änderungen zum Opfer gefallen? Und wie viele Entwürfe landen dabei tatsächlich in der Tonne?

Thorsten Kiecker: Oh, wir haben große Tonnen, sowohl digitale als auch reale, die im Studio stehen. Fabian und ich haben eine sehr radikale Art mit unseren eigenen Arbeiten umzugehen, denn erst wenn wir uns sicher sind, die richtige Stimmung und Bildabfolge gefunden zu haben, ist eine Seite bereit für den nächsten Arbeitsschritt. Einige Künstler können mit dieser Arbeitsweise nicht umgehen, vor allem, wenn sie sich in bereits fertig gezeichnete Seiten verliebt haben und Fabian und ich auf einmal das gesamte Konzept verwerfen und noch mal mit einen völlig neuen Layout herangehen, um den Ablauf einer Sequenz flüssiger und für den Leser verständlicher zu gestalten. Das bedeutet, es landen eine Menge Entwürfe in der Tonne!

Literatopia: Wie würdest Du Ria und Loan interessierten Lesern beschreiben? Was war Dir bei Deinen Charakteren besonders wichtig? Und entsprechen sie nun genau Deinen Vorstellungen oder haben sie quasi ein Eigenleben entwickelt?

Thorsten Kiecker: Um ehrlich zu sein, haben diese Figuren von Anfang an gemacht, was sie wollen. Nehmen wir doch Loan, unseren jungen, ungestümen Krieger aus dem Klan der Tuscas. Am Anfang war diese Figur von mir wie ein Ghetto-Junge mit einem starken Sprach-Slang geplant, ein kleiner Poser mit einer Riesenklappe. Die gegenwärtige Figur hat sich dann doch etwas davon wegentwickelt. Die mittlerweile klar abgestimmten Beziehungen der verschiedenen Klans untereinander und die detaillierte Hintergrundgeschichte sorgen dafür, dass die Figuren ein scheinbares Eigenleben entwickeln und dies wiederum führt manchmal auch dazu, dass bestimmte Charaktereigenschaften einer Figur stärker zum Tragen kommen und auch den Handlungsablauf unerwartet beeinflussen. Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Ich behalte meine Figuren wohl lieber etwas besser im Auge, bevor sie meinen Comic komplett übernehmen!

Literatopia: Wie bist Du überhaupt zum Comiczeichnen gekommen? Und wie gelang es Dir, Dein Hobby zum Beruf zu machen?

Thorsten Kiecker: Das ist eine lange Geschichte. Aber um es kurz zu machen: Ich wollte es einfach! Und ich habe nichts darauf gegeben, was andere gesagt haben und einfach weiter an diesen Traum geglaubt! Wenn man etwas will, dann sollte man sich nicht von seinem Umfeld beirren lassen.

Literatopia: Wie schätzt Du die Beliebtheit deutscher Comics gegenüber der ausländischen Konkurrenz ein? Haben Eigenproduktionen eine echte Chance gegen „Hellboy“ und Co.? Oder werden Titel wie „RIA“ vergleichsweise wenig beachtet?

Thorsten Kiecker: Ich muss eingestehen, dass ich hier nicht der wirkliche Fachmann bin, aber ich bin überzeugt, dass die internationalen Märkte jeweils spezielle Ausrichtungen haben und diese zu verstehen, könnte uns beim Entwickeln neuer Inhalte helfen. Wie erfolgreich wir Deutschen auf dem Comicmarkt sind, hängt einfach davon ab, wie viel wir dafür tun.

Literatopia: Wie funktioniert die Zusammenarbeitet mit Mary und Fred Pullin? Entwickelt Ihr die Texte gemeinsam oder hast Du als Zeichner eher weniger damit zu tun?

Thorsten Kiecker: Das Autorenteam rund um „RIA“ hat sich mittlerweile verändert und wir arbeiten aktuell mit Andreas Völlinger an Band 2, auch Band 1 wurde vor der Veröffentlichung bei Splitter mit seiner Hilfe noch einmal durchgegangen und die gesamte Hintergrundgeschichte neu angelegt. Ich arbeite sehr eng mit den Autoren zusammen, Fred und Mary Pullin hatte ich für Band 1 sehr detaillierte Vorgaben für das Script gemacht. Band 2 folgt eher der Buster-Keaton-Methode, wir planen und besprechen die Grundlagen und arbeiten dann alles Stück für Stück aus. Nennen wir es ein modulares, sequenziell orientiertes Entwickeln, sowohl der textlichen als auch der visuellen Inhalte.

Für Band 2 existiert eine Sequenzauflistung, die von mir angelegt wurde und nach der unser Autor eine kurze Outline für jede Seite schreibt. Danach wird diese Seite ausgearbeitet. Sobald eine Seite als Storyboard steht, prüfen der Autor und ich gemeinsam, ob alle wichtigen Handlungselemente enthalten sind und geben grünes Licht für die weitere Ausarbeitung. Meistens werden dann in Keynotes die Sprechblasen mit ihren Kernaussagen angelegt und erst nach Abschluss einer Seite die finalen Texte formuliert und gesetzt. Auch diese Arbeit erfolgt sequenzweise um den Lesefluss und Textwirkung zu garantieren.

Literatopia: Wie gefällt Dir die Aufmachung von „RIA“? Und war das perfekte Cover schnell gefunden oder gab es noch andere Entwürfe dafür?

Thorsten Kiecker: Was für eine Frage, natürlich gefällt mir „RIA“, so wie es bei Splitter erschienen ist, sehr gut! Auch wenn die Covergestaltung ewig gebraucht hat. Aber ein Cover sollte nicht übers Knie gebrochen werden, denn es ist entscheidend dafür, ob überhaupt Jemand diesen Comic in die Hand nimmt. Ich gehöre aber zu diesen Menschen, die nie wirklich zufrieden sind und das wird sich in Band 2 in einer noch mal gesteigerten Qualität widerspiegeln. "BABAANG!" sage ich da nur!

Literatopia: Welche Art von Comics liest Du persönlich gerne? Und greifst Du auch ab und an mal zu einem Roman? Welche Genres bevorzugst Du dabei?

Thorsten Kiecker: Da werde ich wohl einige Leser enttäuschen müssen. Ich bin kein großer Comicleser und besitze nur ein paar wenige Comics, wie zum Beispiel die Miniserie "Zooniverse" des australischen Künstlers Fil Barlow, die bei Eclipse Comics erschien. Kreative Einflüsse verdanke ich dann wohl hauptsächlich dieser Comicreihe sowie Büchern von Isaac Asimov und Filmen wie "Der dunkle Kristall" und "Labyrinth" von Jim Henson. Grundsätzlich bevorzuge ich kein bestimmtes Genre, sondern einfach gut erzählte Geschichten und fantastische Bilder, die mich in eine andere Welt entführen und träumen lassen – oder einfach aus den Socken hauen.

Literatopia: Wann und wie wird es mit „RIA“ weitergehen? Und hast Du vielleicht schon Pläne für danach?

Thorsten Kiecker: Aktuell arbeiten wir an der Fertigstellung von Band 2 und obwohl es diverse Quellen melden, es würde fünf Bände geben, so sind doch nur vier geplant. Es sind aktuell jedoch noch diverse andere Projekte innerhalb des „RIA“-Universums für verschiedene Plattformen geplant und teilweise auch bereits in Arbeit. Kurzgeschichten und eine Nebenreihe in verniedlichter Chibi-Form werden schon innerhalb des Jahres 2012 den „RIA“-Kosmos bereichern.

Nach Band 4 werde ich die unterschiedlichen Auskoppelungen zwar weiterhin betreuen, mich aber auf die Kreation eines neuen, mehr surrealen Projekts konzentrieren.

Literatopia: Können Euch die Fans 2011/12 irgendwo live erleben und vielleicht eine tolle Zeichnung abstauben?

Thorsten Kiecker: Aber natürlich! Die Leser können sich regelmäßig über unser Blog http://www.lichtklan-chroniken.de darüber informieren, wann und wo unser Team signiert. Ein Fixtermin ist auf jeden Fall der Comic-Salon in Erlangen im Juni 2012.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Thorsten!


Bildquellen: Leseprobe der Splitter-Verlagshomepage

Rezension zu "RIA - Same der Hoffnung"


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.