Heldenklingen (Joe Abercrombie)

Heyne (August 2011)
896 Seiten, EUR 16,00
ISBN: 978-3-453-52523-8

Genre: Fantasy


Klappentext

Es herrscht Krieg. In einem unbedeutenden Tal soll sich das Schicksal der Nordlande entscheiden, und drei Männer kämpfen sich durch eine letzte blutige Schlacht: Bremer dan Dorst, in Ungnade gefallener Leibwächter des Königs der Union, Prinz Calder, machtbesessen und feige, sowie Kropf, einer der letzten ehrlichen Barbaren im Norden. Drei Männer mit dunklen Seiten, drei dunkle Tage voller Blut und Tod, und eins steht schon jetzt fest: Wahre Helden gibt es hier schon lange nicht mehr ...


Rezension

Joe Abercrombie arbeitet als Autor und freischaffender Fernsehredakteur. Mit seinen weltweit erfolgreichen sowie düsteren „Klingen“-Romanen schrieb er sich auf Anhieb in die Herzen unzähliger Fans von erdiger, actionreicher Fantasy! Nach „Kriegsklingen“, „Feuerklingen“, „Königsklingen“ und dem auch als Einzelroman „Racheklingen“, erscheint nun mit „Heldenklingen“ eine weitere Geschichte über Charaktere, die alles andere als ehrenhaft sind.

>> „Frieden“, sagte er. Kropf zuckte zusammen. Es war, als ob man in einem Bordell auf einen Tisch stieg und lauthals Keuschheit forderte. Ihn überkam das starke Bedürfnis, von Calder abzurücken, wie von einem Mann, der mit Öl begossen worden und von lodernden Flammen umgeben ist. <<

Dass Fantasy unterschiedlichste Lesergruppen bedienen kann, weiß man spätestens nach dem Lesen fabelhafter Autoren wie Brandon Sanderson, Tad Williams und Terry Prachtett. Sie bringen neben vielen anderen Schriftstellern verschiedene Farben ins Genre, begeistern mit neuen Ideen oder origineller Umsetzung. Joe Abercrombie gehört, nach seiner „Klingen“ Trilogie, ebenso zur Riege bekannter Bestseller-Autoren. Bisher bestach er mit interessanten Details (immer wieder originell aufgegriffen), ausufernder Länge und dem Charme seiner sarkastischen Wortwahl, die stets auch banalste Wahrheiten großartig verpackt. In „Heldenklingen“, neben „Racheklingen“ ein weiterer Roman, der sich ohne Vorwissen lesen lässt, spiegeln sich diese Vorzüge wider und noch mehr. Denn anders, als in vorangegangen Werken, beschreibt der Autor keine umfangreichen Handlungsstränge, sondern nutzt sein Talent für die Umzeichnung einer dreitägigen Schlacht. Gelungen entführt er den Leser von Beginn an, setzt dabei weniger auf seine sonst sehr markanten Charaktere, sondern richtet das Augenmerk auf Anzahl und Zusammenspiel der  Protagonisten. Eine Vorgehensweise, die erst einmal überfordern kann. Sprunghaft folgt ein Perspektivenwechsel dem nächten in unterschiedliche Lager. Gegenüber stehen sich gigantische Streitkräfte: zum einen die Union, zum anderen die Nordländer. Joe Abercrombie greift damit im Dauerlauf schon bekannte Gesichter und Verwicklungen auf, die aber auch Neueinsteigern ein Lesen möglich machen, ohne zu überfordern. Gekonnt stellt er konträre Ansichten gegenüber in einer durchwachsenen Landschaft und dennoch auf kleinem Raum. Facettenreich wird die Schlacht geschildert. Drei einzelne Karten erleichtern hierbei den Überblick und zeigen die jeweiligen Entwicklungen von Tag zu Tag. Dinge, die manchmal gewichtig sind, während andere banal wirken – dennoch: alles in allem einfach nur genial präsentiert! Wortwitz und trockener Sarkasmus bringt den Leser zum Lachen! Düsterer, harter sowie blutiger Humor, für den man gemacht sein muss.

Höhepunkte, besonders im Kleinen, gibt es zu Hauf. Charaktere über- oder untertreffen sich stets und kaum ein Autor nimmt weniger Rücksicht auf das Ansehen seiner Protagonisten oder die Sympathie des Lesers. Wahrheit kann eben hässlich sein und eine Schlacht ist so ziemlich das Schlimmste was einem (namhaften) Mann passieren mag. So sieht es auch der alte Haudegen Kropf, der Anführer eines Dutzends. Er zieht den Leser als einer der wenigen aufrechten Männer schnell auf seine Seite, ebenso wie Prinz Calder. Der in sich selbst verliebte Kerl will nicht nur den schwarzen Dow vom Thron drängen, sondern sich selbst beweisen, dass er eines immer noch besonders gut kann: Ränke schmieden und – wenn es darauf ankommt – die Beine in die Hand nehmen. Großartig sind ebenso Whirrun von Blei oder aber die mutige Herrlich. Eine Frau scheinbar ganz nach Abercrombies Geschmack und sich nie zu schade, zuzuhauen. Sie hat ihre Familie ebenso verlassen, wie Gorst nie eine hatte. Für den degradierten Berichterstatter der Union gibt es nichts Wichtigeres als den Hintern seiner Majestät mit schriftlicher Huldigung zu pudern. Er brennt auf einen Kampf, auf Anerkennung und Ruhm, wie andere sich weit, weit fort wünschen. Doch all diese Charaktere bieten nur einen bescheidenen Einblick in die Fülle und Dynamik der einzelnen, meist kurz gehaltenen Kapitel. Leser die den Überblick verlieren, können sich anhand der Liste zu Beginn orientieren und finden sich ziemlich schnell auch wieder zurecht, denn der Autor greift Bekanntes immer wieder auf, um einen näheren Bezug herzustellen.

Humorvoll veranlagte Leser werden den direkten, sarkastischen Stil sicherlich ebenso lieben, wie die innere Moral und das actionreiche Ende. Eines, das perfekt transportiert wie wankelmütig Macht, Glück und Tod sein kann. Joe Abercrombie segnet seinen beinahe neunhundertseitigen Roman mit ausreichend Besonderheiten und einer dennoch so banalen, ehrlichen Schlichtheit, die „Heldenklingen“ schlussendlich auch sehr authentisch erscheinen lässt in vielen Punkt einer ausgeklügelten Kampfhandlung. Für Fans von historisch angehauchten, brutalen sowie hochkomplexen Mittelalter-Romanen ist dieser hier ein Muss! Zartbesaitete, oder zu junge Leser sollten jedoch tunlichst ihre Hände davon lassen.


Fazit

Mit „Heldenklingen“ hat Joe Abercrombie sich und seine vorangegangenen Werke noch einmal übertroffen und beweist auf hochunterhaltsamem Niveau wie man mit einfachen Worten, ganz viel Komplexes erschaffen kann. Leser, die trockenen Humor, Blut in Strömen und kompromisslose Wahrheiten mögen, werden hier wunderbar bedient. Auch ohne Vorwissen, das dennoch empfohlen wird: denn ebenso die anderen Abercrombie-Romane machen Spaß, auch wenn nicht ganz so gelungen wie dieses fabelhafte Genre-Juwel!


Pro und Kontra

+ ein echter Pageturner mit unverwechselbarem Sarkasmus
+ sehr gut ausgearbeitete und glaubwürdige Charaktere
+ ein sich vom Einheitsbrei abhebendes Werk
+ berauschend schreckliches Schlacht-Portrait
+ überraschende, komplexe Wendungen
+ wunderbare, kompromisslose Details
+ vielschichtiges Lesegefühl auch ohne Vorwissen
+ (Gastauftritt so mancher Trilogie-Charaktere)

o anspruchsloser, leicht zu lesender Stil
o anstößig, schmutzig & verdorben
- zu Beginn etwas verwirrend

Bewertung:

Handlung: 5 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 4,5 / 5