Thienemann Planet Girl (September 2011)
Gebunden mit Schutzumschlag, mit UV-Spotlackierung
288 Seiten, Ab 13 Jahren, 14,95 EUR
ISBN: 978-3-522-50263-4
Genre: historisch-phantastischer Jugendroman
Klappentext
Saint-Domingue 1789. Als die junge Französin Éloise mit dem Schiff auf der Karibikinsel landet, weiß sie noch nicht, was sie auf der Zuckerrohrplantage ihres Onkels erwartet: warme Sommernächte voller Blütenduft, aber auch das Leid der Sklaven und das unheimliche Trommeln, mit dem nachts die Geister beschwört werden. Als Éloise sich in den gut aussehenden Gabriel verliebt, gerät sie mitten in die Rassenkonflikte, die unter der scheinbaren Inselidylle schwelen. Und in den Bann des Voodoo. Albträume verfolgen sie, gefährliche Unfälle häufen sich. Gemeinsam mit Gabriel sucht Éloise nach Antworten.
Rezension
Schwüle Nächte und brennend heiße Tage voll betörender Düfte und unheilvollen Vorahnungen erwarten die junge Französin Éloise auf der Insel Saint-Domingue. Gemeinsam mit ihrem Vater und seinem Diener Tanguy begibt sie sich auf die Zuckerrohrplantage ihres Onkels, der seine Sklaven mit eiserner Hand beherrscht. Dem drohenden Sturm der französischen Revolution sind sie entkommen, doch auch die Karibikinsel gleicht einem Pulverfass, das jeden Moment explodieren könnte. Die Spannungen zwischen den Grand Blancs, den weißen Gutsherren, und den schwarzen Sklaven ist auch für Éloise spürbar. Und ausgerechnet sie findet Gefallen an einem Mulatten, einem Mischlingskind eines reichen Weißen und einer schwarzen Sklavin. Doch Gabriel kann nicht nur ihre Sehnsucht stillen, sondern auch sie und ihren Vater vor einem drohenden Unglück bewahren …
Anfangs fällt es einem recht schwer, sich mit Éloise anzufreunden. Sie ist einfach ein Kind ihrer Zeit, noch dazu eine Aristokratin, und ihre Meinung über die schwarzen Sklaven ist entsprechend geringschätzig und von übertriebenen Darstellungen verklärt. Erst nach und nach gelingt es ihr, ihre Vorteile abzulegen, wobei sie regelrecht darum kämpft, diese „wilden Tiere“ als Menschen anzusehen. Doch spätestens als der schöne Gabriel in ihr Leben tritt, öffnet sie sich den dunkelhäutigen Bewohnern der Insel und erkennt, dass sie eigentlich gar nicht so anders sind. Ihre Haut ist ebenso warm wie die ihre und ihre Herzen scheinen sich ähnlicher zu sein, als sie es je für möglich gehalten hätte. Auch ihre neue Zofe Nadine, ein Sklavenkind, trägt zu ihrer Wandlung bei. Ihr Vater und vor allem ihr Onkel sind jedoch weit davon entfernt, die Schwarzen als gleichwertige Menschen anzuerkennen. Und so dreht sich „Im Land des Voodoo-Mondes“ zwar auch um Liebe, aber vor allem um das damalige Gesellschaftsbild und die Ungerechtigkeit und Respektlosigkeit, mit der die Sklaven unterdrückt wurden.
Für ein Jugendbuch kommen dabei relativ harte Themen zur Sprache, die Kathleen Weise aber sehr vorsichtig und dennoch glaubhaft verpackt. Durch Éloises Wandlung und Fragen wird der Leser sorgsam an die Wahrheit herangeführt, die hier keine Fiktion sondern historischer Fakt ist. Selbstverständlich werden dabei nicht alle Details ausreichend beleuchtet, doch im Kontext der Geschichte gelingt es der Autorin, die damalige Situation für junge Leser einfühlsam zu schildern. Hinzu kommt der Zauber des Voodoo-Kults, der hier nichts mit nadelgespickten Stoffpuppen oder großem Blutvergießen in Zusammenhang steht. Stattdessen werden einem die Geister des Voodoo, die sogenannten Loa, nähergebracht, die ebenso wie die Menschen „gut“ und „böse“ sind. Irgendwann glaubt der Leser selbst das Trommelschlagen zu hören und die unheilvollen Erscheinungen zu sehen, die es Éloise nach und nach schwerer machen, zwischen Traum und Wirklichkeit zu differenzieren. Der Roman besitzt zwar ein historisches Setting, glänzt aber vor allem mit den wenigen phantastischen Elementen, die gemeinsam mit dem exotischen Flair ein ebenso phantastisches Lesegefühl hervorrufen.
Die Atmosphäre auf Saint-Domingue wird von intensiven Farben und schwarzen Nächten dominiert, die traumhafte Bilder erzeugen. Für Éloise ist die Hitze unerträglich, ebenso wie die plötzlichen Regenschauer, die ihr die Garderobe ruinieren. Dennoch ist sie ebenso fasziniert von den leuchtenden Blüten und farbenprächtigen Tieren, die sie so noch niemals gesehen hat. Zunächst wünscht sie sich nichts sehnlicher, als von dieser bedrohlichen Insel zu verschwinden, doch nach und nach verfällt sie ihrem unheimlichen Charme. Leider lässt sich Kathleen Weise anfangs recht viel Zeit mit der Ankunft auf der Insel und der Reise zur Plantage von Éloises Onkel. So gestalten sich die ersten hundert Seiten recht langatmig – doch dann nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf. Und nachdem Gabriel vorgestellt wurde und der Leser bei einem solchen Roman einfach weiß, wohin das führen muss, giert man geradezu danach, dass Éloise und Gabriel sich wiedersehen. Und diese Treffen kommen dabei fast gänzlich ohne Kitsch aus und trotzdem ist ihre Annäherung wunderbar romantisch.
Die Entwicklung der Geschichte wird gegen Ende, zumindest für ältere Leser, ein wenig vorhersehbar, wobei Kathleen Weise in Details noch überraschen kann. Éloise wird von Alpträumen und bösen Vorahnungen geplagt, die sich mit scheinbar zufälligen Unglücksfällen zu einer ernsthaften Bedrohung vermischen. Auch ihrem Vater scheint die Insel nicht zu bekommen und so muss Èloise bald um ihrer beider Leben fürchten. Für die junge Leserschaft wird der Roman nach einigen Turbulenzen jedoch zufriedenstellend aufgeklärt, auch wenn einen nicht das klassische Jugendbuch-Happyend erwartet. Das Buch selbst kommt als edles Hardcover mit einem stimmungsvollen Cover und einer schönen Innengestaltung daher. Den Preis kann man dank der tollen Aufmachung sicherlich verschmerzen, auch wenn man nur knapp dreihundert Seiten Inhalt geboten bekommt – was für Jugendbücher ab dreizehn Jahren jedoch durchaus ein normaler Umfang ist.
Fazit
„Im Land des Voodoo-Mondes“ erzeugt eine traumhafte, von schwarzen Nächten und farbenprächtigen Tagen dominierte Atmosphäre, die nicht nur die Protagonistin Éloise in ihren Bann schlägt. Der Zauber des Voodoo-Kults steht dabei den Grausamkeiten der Sklaverei gegenüber – für junge LeserInnen ein wunderbar romantischer aber auch nachdenklicher Lesegenuss.
Pro & Contra
+ exotische Inselatmosphäre
+ Éloises Wandlung
+ Gabriel fasziniert ungemein
+ spürbare Spannungen auf der Insel
+ historisches Wissen über die Sklaverei
+ Zauber des Voodoo-Kults
- anfangs etwas langatmig
- zum Ende hin ein wenig vorhersehbar
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5
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