Die Löwin von Kilima (Ellen Alpsten)



Heyne-Verlag
Taschenbuch
479 Seiten; 8,99 EUR
ISBN: 978-3-453-40753-4 

Genre: Belletristik

Klappentext

Eine junge Frau kämpft um ihre Heimat – und die Liebe.

Kilima, die Farm am Fuße des Mount Kenia, bedeutet Kim Knudsen mehr als alles andere. Dort verbrachte die Artenschützerin ihre Kindheit und dort hat sie jetzt, nach zehn Jahren in Europa, mit dem Forscher Mark ihr Glück gefunden. Als Kim die Spur einer Löwin im Sand entdeckt, ahnt sie noch nicht, dass diese ihr ganzes Leben verändern wird. Doch dann fällt das Tier einen Gast der Farm an. Plötzlich steht nicht nur Kilima auf dem Spiel, sondern auch Kims große Liebe.

Eine faszinierende Reise ins Herz eines geheimnisvollen Kontinents.


Rezension

„Die Löwin von Kilima“ ist auf den ersten Blick ein souverän geschriebener, romantischer Liebesroman, gewürzt mit überschaubaren Irrungen und Wirrungen, vor höchst exotischer Kulisse. Er ist flott zu lesen, bietet einiges an Spannung und reichlich Gefühl, ohne zu sehr in irgendwelche Tiefen zu gehen – ein Urlaubsschmöker, vor allem für Frauen, die viel fürs Herz und weniger für den Kopf in einem Roman suchen. Alle Erwartungen, die der Klappentext aufwirft, werden prompt und handwerklich gekonnt erfüllt.

Also tatsächlich eine „faszinierende Reise ins Herz eines geheimnisvollen Kontinents“?

Das kommt darauf an, wie die Juristen sagen. Denn bei allem handwerklichen Können der Autorin liegen doch einige Stolpersteine auf dem Weg.

„Die Löwin von Kilima“ ist zunächst einmal hochsentimental und könnte, was das Frauenbild betrifft, das die Hauptfigur Kim vermittelt, auch aus den 1950er Jahren stammen. Mark, der Forscher, mit dem Kim recht zügig ein Liebespaar bildet, ist ein unerträglich arroganter Besserwisser. Kim bemerkt das zwar, reagiert aber trotzdem wie ein Teenager auf ihn, errötet am laufenden Band und verliebt sich umgehend, anstatt zielstrebig nach einer möglichst schweren Bratpfanne zu greifen. Nun, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, besonders in Liebesdingen.

In anderen Fragen geht es allerdings nicht um Geschmack. Auch die Art, wie die auf Kilima lebenden Afrikaner präsentiert werden, scheint an vielen Stellen direkt aus den fünfziger Jahren aufs Papier gesprungen zu sein - oder sogar aus noch älteren Zeiten zu stammen. Ein Hauch Eau coloniale schwebt über den Begegnungen mit stolzen Massai und eigensinnigen Kikuyu. Die Rollen sind klar verteilt: Den Weißen gehört das Land, auf dem alle leben, sie kümmern sich um die Belange der Farmen, um die „großen Zusammenhänge“, auch um Wissenschaft und Forschung (im Buch geht es vor allem um die Huntington-Krankheit). Der Massai Moto ist ein stolzer, unabhängiger Krieger, mit Kim gut befreundet seit Kindertagen – ein typischer „edler Wilder“, der am Ende gleich eine doppelte ehrenvolle Rettungsaufgabe übernehmen darf und ansonsten vor allem Massai-Weisheiten liefert und mit dem Jagdverbot hadert. Die Kikuyu leben traditionell in ihrem ärmlichen Dorf; sie sind kleingeistig, rachsüchtig, trinken zu viel und verprügeln öffentlich ihre Frauen, denen dann natürlich eine Weiße – Kim – zu Hilfe eilen muss. Ein zweiter wohlbekannter Typus von „Eingeborenen“ also: die „unmündigen Kinder“, mit denen die Weißen entweder nachsichtig umgehen oder denen sie auf die Finger schauen müssen. Dazu kommt noch die ebenfalls längst berühmt-berüchtigte „schwarze Amme“, die hier gleichzeitig als weise Frau des Dorfes fungiert und eigentlich auch direkt aus „Vom Winde verweht“ stammen könnte. Eine Ansammlung alter Klischees also, die eigentlich längst auf den Schrottplatz der Geschichte gehören?

Ganz so einfach ist es nicht – glücklicherweise nicht. An manchen Stellen im Buch gelingt es der Autorin, die Stereotypen aufzubrechen. So geistert immer wieder eine rachsüchtige, grausame Person über die Seiten, deren Identität lange unbekannt bleibt und die Kim und ihre Familie als eine Art „Landbesetzer“ abgrundtief zu hassen scheint. Die Entlarvung dieser Person am Ende des Buchs überrascht und bringt eine neue Dimension in das Geschehen ein, mit der man nicht gerechnet hätte. Und es gibt noch etwas anderes: die Geschichte um Juya und Fatima, die im Dorf der Kikuyu spielt. Beide sind mit demselben liebesunfähigen Mann verheiratet und entwickeln sich im Lauf des Buchs von Rivalinnen zu Verbündeten, die anfangen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Diese Geschichte hat sehr viel Zartes, Berührendes, auch Vielschichtiges; die beiden Frauen rücken dem Leser immer wieder ganz nahe. Um Juyas und Fatimas willen ist man schließlich, wenn auch zähneknirschend, bereit, über manches Klischee an anderer Stelle hinweg zu sehen.

Worüber aber nicht hinweg gesehen werden kann, sind die Tierquälereien, die im Buch leider immer wieder auftauchen – und das, obwohl sie für die Geschichte selbst ganz unnötig sind. Hier geht es allein um den reißerischen Effekt; ein schlichtes Dahinmetzeln der unschuldigen Kreatur reicht als Nervenkitzel offenbar nicht mehr aus, es muss vorher noch grausam gequält werden. Solche Schilderungen sind nichts anderes als die Aufforderung zu Voyeurismus der widerwärtigsten Art, vergleichbar mit dem Gaffen bei Autobahnunfällen. Die Autorin folgt hier bedauerlicherweise einem Trend aus der Krimiliteratur. Es ist zu wünschen, dass sie sich bald wieder eines Besseren besinnt. Ihre Geschichte braucht sie nicht, diese Splatter-Spezialeffekte, und als Leser braucht man sie erst recht nicht.

Was bleibt nun also von der „faszinierenden Reise“? Sind die Stolpersteine zu zahlreich, verhindern sie jedes tiefere Eindringen in das, was die Autorin uns als ihr Kenia zeigen möchte? Das Ergebnis fällt letztlich unentschieden aus. Es gibt sie, diese Momente im Buch, in denen einem die Menschen nahe kommen, in denen sie fühlbar, verstehbar, greifbar werden – und über sie auch ein wenig das Land. Denn was ist das „Herz eines Landes“ schließlich anderes als die Menschen, die dort leben, die es prägen und von ihm geprägt werden? Die Autorin, die selbst in Kenia aufgewachsen ist, hat mit Sicherheit eine tiefe Bindung an dieses Land, an diese Menschen; an die Gerüche und Geräusche, die sie vielleicht heute noch manchmal morgens um halb vier irgendwo in London aufwecken und zum Lächeln – oder Weinen? – bringen. Davon hätte man gern mehr gelesen – viel mehr. Nicht nur kurze Momente hier und da, nicht nur Augenblicke, die allenfalls andeuten können. Was ist Kenia für Ellen Alpsten? Wie fühlt es sich tief im Innern an? Diese Frage harrt auch nach dem Schluss der „Löwin von Kilima“ weiter ihrer Antwort. Aber, wer weiß – vielleicht kommt sie ja noch? Vielleicht fehlt nur noch der Mut? Der Mut, etwas preiszugeben, eine wirklich persönliche Geschichte zu erzählen, ohne zu viele Effekte und Klischees? Eines jedenfalls macht die „Löwin“ bei all ihren Fehlern sichtbar: Ellen Alpsten könnte es. Sie könnte uns Kenia zeigen. Hoffen wir, dass sie es auch irgendwann tut.


Fazit

„Die Löwin von Kilima“ ist ein flott geschriebener Romantikschmöker vor exotischer Kulisse. Ein Urlaubsbuch, in dem sich ärgerliche Klischees und überraschend andere Töne ungefähr die Waage halten. Die Geschichte ist spannend erzählt, aber so effektbeladen, dass sie den Blick auf das Eigentliche meistens verstellt: auf Kenia selbst, das in diesem Buch leider viel zu kurz kommt. Ein ordentlich gemachter Roman, der mehr hätte werden können.


Pro und Kontra

+ sauber erzählt
+ spannend
+ an manchen Stellen überraschend und unerwartet tiefgehend

- meistens oberflächlich
- sehr klischeehaft mit nur gelegentlichen Brüchen
- abstoßende Tierquälereiszenen
- juristisch teilweise unsinnig (betrifft das Gerichtsverfahren, das später im Buch eine wichtige Rolle spielt)

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2/5
Sprache: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 5/5