Die Insel der besonderen Kinder (Ransom Riggs)

Verlag: Pan (November 2011)
Hardcover 416 Seiten,  € 16,99
Sprache: Deutsch
Originaltitel: Miss Peregrine's Home for Peculiar Children
ISBN-13: 978-3426283684

Genre: Fantasy Jugendbuch


Klappentext

Die Insel. Die Kinder. Das Grauen. Bist Du bereit für dieses Abenteuer? Manche Großväter lesen ihren Enkeln Märchen vor, doch was Jacob von seinem hörte, war etwas ganz, ganz anderes: Abraham erzählte ihm von einer Insel, auf der merkwürdige Kinder mit besonderen Fähigkeiten leben – und von den Monstern, die auf der Suche nach ihnen sind. Inzwischen ist Jacob ein Teenager und glaubt nicht mehr an die wunderbaren Schauergeschichten. Bis zu jenem Tag, an dem sein Großvater unter mysteriösen Umständen stirbt …


Rezension

Jeder kann sich wohl an den Moment der Entzauberung erinnern, diesen traurigen Augenblick, in dem man entdecken musste, dass die wunderbaren Geschichten, die einem von Eltern oder Großeltern erzählt worden sind, leider nicht der Wahrheit entsprachen. Dass damit ein Stück der Kindheit unwiederbringlich verloren ging, es den Weihnachtsmann doch nicht gibt und die Ungeheuer unter dem Bett lediglich einer lebhaften Phantasie zu verdanken sind.
Doch was passiert, wenn man einige Zeit später erneut umdenken muss?
Vor genau diesem Problem steht der 16-jährige Jacob, der natürlich schon lange nicht mehr an die phantastischen Dinge glaubt, von denen ihm sein Großvater früher erzählt hat. Sein eher langweiliges Leben wird allerdings abrupt aus sämtlichen geordneten Bahnen geworfen, als der alte Mann grausam ermordet wird und anscheinend nur Jacob einen kurzen Blick auf den Täter werfen konnte: Ein Monster, welches haargenau aus einer dieser damaligen Geschichten entsprungen zu sein scheint. Selbstverständlich glaubt ihm niemand, und während Jacob versucht, einen Psychiater von seiner geistigen Gesundheit zu überzeugen, macht er sich gleichzeitig daran, dem mysteriösen Vermächtnis seines Großvaters auf die Spur zu kommen ...

Schon beim ersten Anschauen und Durchblättern wird dem Leser klar, ein besonderes Buch in Händen zu halten. Es besticht durch eine rundherum hochwertige und wunderschöne Aufmachung, die bereits beim optisch sehr ansprechenden Cover beginnt. Im Inneren finden sich weitere, zahlreiche alte Fotografien, die allesamt authentisch sind – und welche die gesamte Geschichte auf unheimliche und geheimnisvolle Weise illustrieren. Eine sowohl originelle als auch wirkungsvolle Methode, die düstere Atmosphäre zusätzlich zu unterstreichen.
Nach einem vielversprechender Prolog hofft der Leser auf eine großartige Story, und zumindest einige Kapitel weit wird diesen Erwartungen auch entsprochen. Aus der Sicht des 16-jährigen Jacob werden die Welt und ihre Geschehnisse darin in Ich-Form geschildert, wobei sich der Autor einer einfachen, bildhaften Sprache bedient, die klar auf ein jugendliches Publikum zugeschnitten ist. Durch den phantasie- und stimmungsvollen Schreibstil ist es aber auch für Erwachsene unterhaltsam zu lesen. Allmählich und recht gekonnt vollzieht sich der Übergang vom Normalen zum Phantastischen, doch dann beginnt das Niveau leider stark nachzulassen.

Die anfangs so düstere, spannungsgeladene Stimmung flacht kontinuierlich ab, bis die Handlung auf ein oberflächliches, nur mäßig fesselndes Dahinplätschern reduziert wird. Vieles ist vorhersehbar und aus dem anfängliche Mitfiebern wird auf diese Weise ein halbherzig-distanziertes zur-Kenntnis-Nehmen.
Bis auf Jacob verbleiben die Personen eher blass, werden lediglich durch ihre jeweilige außergewöhnliche Eigenschaft charakterisiert und lassen jedwede Komplexität und Hintergründe vermissen. Das fällt  bei den besonderen Kindern umso stärker ins Gewicht, denn angesichts dieses Füllhorns an großartigen Möglichkeiten, aus denen der Autor nicht mehr gemacht hat, breitet sich beim Leser eine gewisse Enttäuschung aus.
Ein starker Hang zur Schwarzweißmalerei ist nicht zu übersehen, es gibt, klar voneinander abgegrenzt, eine gute Seite, eine böse Seite – doch auf die Grautöne wird, bis auf einige interessante, jedoch schnell im Sande verlaufende Ansätze, vollkommen verzichtet. 
Gelegentlich finden sich zwar auch Ansätze für ein wenig mehr Tiefgang, wie beispielsweise Jacobs familiäre Probleme, doch all das bleibt viel zu oberflächlich und wirkt mehr wie eine Pflicht-Erwähnung, um insgesamt den Anspruch etwas anzuheben. Alles in allem ist es auch für junge Leser etwas sehr mager.

Wenig befriedigend gestaltet sich der Schluß, kaum etwas wird wirklich beantwortet oder ausreichend erklärt und die meisten losen Stränge bleiben offen. Jedoch ist auf dem Blog des Autors zu lesen, dass es eine Fortsetzung geben wird, und unter der Voraussetzung, dass alles bis hierhin sozusagen nur die Vorgeschichte darstellt, ergibt das Ende etwas mehr Sinn. Es wäre allerdings hilfreich gewesen, diesen Hinweis auch im Buch unterzubringen, denn viele Leser machen sich nichts aus Mehrteilern. 
Vom Erscheinungstermin für den Folgeband liegen derzeit noch keinerlei Informationen vor.


Fazit

Das Buch lebt von seinen großartigen Illustrationen, durch welche die mittelmäßige Story einen Hauch von Außergewöhnlichkeit verliehen bekommt. Auch wenn es kein reiner Lesegenuss ist, die kraftvollen, beinahe schon hypnotisch wirkenden Fotos machen vieles wieder wett und sind auf jeden Fall einen Blick wert.


Pro & Kontra

+ sehr originelle Idee
+ sympathischer Protagonist
+ fulminanter Start
+ stimmungsvoller, bildhafter Erzählstil
+ wunderbar gelungene grafische Aufmachung

o Erzählung in Ich-Form

- Anfangsniveau wird nicht gehalten
- Charaktere bleiben eindimensional
- Gegenspieler zu farblos und vorhersehbar
- zuviel Schwarzweißmalerei
- nur mäßig spannend
- vieles bleibt offen
- enttäuschend, weil viel Potential verschenkt

Wertung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3 /5
Preis/Leistung: 4,5/5