Verlag: Splitter; 1.Auflage (September 2011)
64 Seiten; Hardcover; 13,80 €
ISBN-13: 978-3868692976
Genre: Fantasy/ Endzeit
Klappentext
Winter 1946
Der Krieg ist vorüber und ausgerechnet das übelste Viertel der Stadt hat die Bombennächte nahezu unbeschadet überstanden. Die Bewohner nennen es das „kleine Paradies“. Ein Paradies für Spieler, Diebe und lichtscheues Gesindel.
Hier versucht der Schwarzmarkthändler Viktor seinen kleinen Laden am Leben zu halten. Als kurz vor Weihnachten eine junge Frau namens Anna – buchstäblich vom Himmel – in seinen verschneiten Hinterhof fällt, verändert sich sein Leben auf dramatische Weise. Denn Anna hütet ein tödliches Geheimnis; in ihrem Inneren drängt eine zerstörerische Kraft darauf, hervorzubrechen.
Rezension
Dramatisch ist der Auftakt des Debütcomics von Daniel Schreiber. Viktor, Schwarzmarkthändler nach dem Krieg und Schmuggler von unliebsamen Personen raus aus der Stadt, gerät mit seinem neuesten Kunden, einem General und seiner Familie, in eine Kontrolle des Besatzungsmächte. Eigentlich nie ein Problem für Viktor, aber der General wird nervös und fängt an zu schießen.
Das Feuer wird erwidert. Das Auto explodiert und Viktor kann nur sich und die Tochter des Generals retten – und eine Tasche mit gefährlichem Inhalt. Damit sind seine Schwierigkeiten nicht vorbei. Nachdem er wieder in sein Heim zurückkommt, fällt im wahrsten Sinne des Wortes eine junge Frau in seinen Hinterhof und bringt sein Leben fortan kräftig durcheinander. Allerdings nicht im romantischen Sinne. Anna trägt ein schwieriges und vor allem gewaltätiges Erbe in sich und dieses droht jederzeit wieder hervorzubrechen. Doch Viktors Güte und die Unbefangenheit Lenas , der Tochter des Generals, helfen ihr, ihr Erbe zu unterdrücken. Doch dann beschließen drei britische Soldaten, sich die Tasche zu holen.
Mit Annas Paradies gelingt Daniel Schreiber ein mehr als starkes Debüt, soviel kann schon verraten werden. Der Regisseur und Illustrator hat viel Zeit in Annas Paradies investiert und das merkt man jeder Seite an. Ursprünglich war Annas Paradies als Film konzipiert, aber schließlich wandelte Daniel Schreiber sein Drehbuch in einen Comic um und erzählt in Von Dieben und Schmugglern, die eigentliche Vorgeschichte des möglichen Filmes. Dies gelingt ihm auf jeden Fall mehr als nur gut. Schon zu Beginn wird der Leser in die Handlung gezogen, wenn Viktor versucht einen General der Deutschen gegen 50 kg Kaffee aus der Stadt zu schmuggeln. Dies ist spannend inszeniert und man macht sich von Beginn an Sorgen um Viktor. Denn es ist klar, dass dieser seine Dienste nur anbietet um zu überleben. Im Grunde seines Herzen verachtet er fanatische Menschen wie seinen Passagier und dessen Frau. Und so ist es dann auch nur logisch, wenn der General im Kugelhagel stirbt und Viktor dessen unschuldige kleine Tochter Lena rettet. Im Lazarett erliegt er dann der Versuchung die Tasche des Generals an sich zu bringen. Vorwürfe kann man ihn nicht machen, liegt Viktors Welt ein Jahr nach dem Weltkrieg in Trümmern. Dennoch ist klar, dass dies noch große Probleme verursachen wird. Aber zunächst wird noch ein zweiter Handlungsstrang eröffnet. Anna, ein schwarzer Engel, die Tod und Gewalt verbreiten, fällt vom Himmel herab in Viktors Hinterhof. Sie will sich von ihrem bisherigen Leben abwenden und sucht Viktors Hilfe. Anna bleibt zunächst geheimnisvoll, trotz der Einblicke in ihre Gedanken und einem Rückblick in ihre Vergangenheit. Es ist zwar verständlich, warum sie sich zunächst von den Menschen abgewendet hat, aber der Auslöser für ihren Wunsch nach Menschlichkeit, bleibt zunächst im Dunkeln. Trotzdem gelingt Daniel Schreiber mit wenigen Worten und Bildern eine beeindruckende Charakterisierung seiner Protagonistin. Viel geht dabei auch über die Nebenfiguren, wie die britischen Soldaten, bei denen klar gemacht wird, dass sie genauso viel Dreck am Stecken haben, wie jeder andere auch und vielleicht sogar schlimmer sind als manch anderer. Denn sie sind es vor allem, die sich bereichern und die Tasche haben wollen und dafür bereit sind über Leichen zu gehen. Ebenso ist Lena eine ganz wichtige Figur für Anna. Über die unschuldige Art des kleinen Mädchens und ihr Spiel, erhält Anna wieder Zugang zu ihrer Menschlichkeit. Somit ist die an sich spannende Story zusätzlich mit tollen Charaktermomenten versehen, die aus leisen Tönen bestehen, was dafür sorgt, den Leser stärker als üblich an die Figuren zu binden. Von Geschichte, Hintergrund und Charakteren ist Annas Paradies somit schon eine Empfehlung wert.
Aber wie sieht es mit dem Artwork aus?
Das ist Geschichte und Charakteren mehr als ebenbürtig. Daniel Schreiber hat einen ganz eigenen Stil, der zwar die Figuren überzeichnet, sie aber nicht der Lächerlichkeit preisgibt und in den Bereich des Funnys zieht. Im Gegenteil, diese Überzeichnungen sorgen dafür, den Comic nur umso düsterer erscheinen zu lassen. Sein Zeichenstil mag somit zwar gewöhnungsbedürftig sein, trägt aber sehr viel zur Grundstimmung und zum Gelingen des Comics bei. Dazu kommen noch tolle Perspektiven, verschiedene Blickwinkel und eine Farbgebung, die den positiven Gesamteindruck weiter unterstützt. Denn zu keinem Zeitpunkt, wirkt sie wie amComputer entstanden und transportiert damit eine gewisse Wärme mit sich. Auch hier hat Daniel Schreiber also alles richtig gemacht.
Neben dem üblichen Hardcover hat Splitter Annas Paradies einen kleinen Bonusteil spendiert. In diesem darf Daniel Schreiber seinen ersten Coverentwurf vorstellen, der schon vor dem Comic existierte. Leider passte er am Ende nicht mehr ganz zum Rest.
Fazit
Ein weiteres Juwel aus dem Splitterprogramm. Geschichte, Charaktere, Hintergrund und Zeichnungen – alles greift mühelos ineinander und unterhält einfach gut.
Pro & Contra
+ Daniel Schreibers Zeichenstil
+ Viktor und Anna sind ein perfektes Duo
+ spannende Ausgangslage für weitere Bände
Bewertung:
Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5
Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Daniel Schreiber:
Rezension zu Annas Paradies Bd.2 – Der Hirte